Schwester Elisabeth Muche über das Sonntagsevangelium

Das Investment meines Lebens

Veröffentlicht am 06.09.2025 um 12:00 Uhr – Lesedauer: 
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München ‐ Die Suche nach der persönlichen Rolle in Gottes Wirklichkeit fordert Herz und Verstand, weiß Schwester Elisabeth Muche. Das kann auch Angst machen. Allen Sorgen und Vorbehalten zum Trotz möchte sie Mut zusprechen: Wir haben in Gott bereits alles gewonnen.

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"Alles." steht unter dem Schlussstrich. Blätter liegen über den Schreibtisch verstreut mit Formeln, Werttabellen und Gleichungssystemen. Einer plant ein Projekt. Auf dem letzten Blatt seiner Kalkulation ist unten in die Ecke das Ergebnis gekrakelt: Alles.

Jesus stellt uns im heutigen Sonntagsevangelium zwei Männer vor Augen, die am Schreibtisch sitzen und rechnen. Der eine berechnet die Baukosten, der andere die Siegchancen im nächsten Krieg. Dieses Evangelium wird nicht ohne Grund auch am Fest des heiligen Ignatius gelesen – einer der bauen wollte, an Gottes Reich. Einer der kämpfen wollte, für Gottes Ehre. Ignatius – einer, der sich den Kopf eingerannt hat, losgespurtet ist und sich verkalkuliert hat. In seinen Geistlichen Übungen, die von diesen Erfahrungen durchdrungen sind, führt er bis heute Menschen zu einer je größeren Klarheit und inneren Freiheit. Tu, was du kannst. Tu, was dein Herz und dein Verstand dir von Gottes Wort sagen. Renn nicht dem größten Schreihals oder dem ersten Impuls hinterher – sondern setze dich hin, suche die Stille, und überlege, bete, ja, kalkuliere – fass dein Wissen über dich, über Gott, über die Welt, die du um dich wahrnimmst mit deinen inneren Regungen, dem, was dich antreibt und zurückhält, zu einer großen Rechnung zusammen. Die Geister unterscheiden – so sagen wir in der ignatianischen Spiritualität – ist verstandesmäßige Herzarbeit im Gebet.

Diese persönliche Unterscheidung für meine Rolle in Gottes Wirklichkeit fordert die ganz große Kalkulation – die auf der letzten Seite wieder und wieder ganz einfach wird: "Alles", steht da. Alles ist es wert getan zu werden. Alles ist es wert, dass ich es gebe. Alles ist gut. Alles ist schon da. Und alles, wirklich alles, was Gott in mich hineingelegt hat, kann zum Heil der Welt dienen. Und so flüstert Gott, scheint es, durch Männer wie Ignatius und Gleichnisse, wie dieses des heutigen Tages, leise in mein Leben hinein:

Gib alles. Dein Herz und deinen Verstand. Halte nichts zurück in der Erwartung eines besseren, größeren, wichtigeren Projektes. Wenn du in meinem Geist leben willst, dann gib alles hinein. Deinen Glauben und deine Zweifel. Deinen Schrei nach Gerechtigkeit und deine tiefe Freude. Deinen Elan und deine Müdigkeit. All das baut an einer Wirklichkeit, die Gottes Menschen gerecht wird. Gib deine Wut hinein und deine Begeisterung. Deine besten Erinnerungen, die die dein Vertrauen stärken, nutze sie. Und deine tiefsten Verwundungen, deine eigene Mensch-Werdung, lebe sie. Lass dir alles zum Guten gereichen (Röm 8,28). Gib mir alles und ich gebe dir noch viel mehr zurück. Bis zu dem Tag, an dem du schon vor Beginn der Rechnung weißt, was unterm Schlussstrich steht: "Alles – ich habe, in Gott, schon alles gewonnen."   

Evangelium nach Lukas (Lk 14,25–33)

In jener Zeit begleiteten viele Menschen Jesus; da wandte er sich an sie und sagte: Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein. Wer nicht sein Kreuz trägt und hinter mir hergeht, der kann nicht mein Jünger sein.

Denn wenn einer von euch einen Turm bauen will, setzt er sich dann nicht zuerst hin und berechnet die Kosten, ob seine Mittel für das ganze Vorhaben ausreichen? Sonst könnte es geschehen, dass er das Fundament gelegt hat, dann aber den Bau nicht fertigstellen kann. Und alle, die es sehen, würden ihn verspotten und sagen: Der da hat einen Bau begonnen und konnte ihn nicht zu Ende führen.

Oder wenn ein König gegen einen anderen in den Krieg zieht, setzt er sich dann nicht zuerst hin und überlegt, ob er sich mit seinen zehntausend Mann dem entgegenstellen kann, der mit zwanzigtausend gegen ihn anrückt? Kann er es nicht, dann schickt er eine Gesandtschaft, solange der andere noch weit weg ist, und bittet um Frieden.

Ebenso kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet.

Die Autorin

Schwester Elisabeth Muche gehört zur Kongregation der Helferinnen, ist in der Geistlichen Begleitung tätig und arbeitet als Psychotherapeutin in Ausbildung in München.

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