Papst Franziskus sei von seinen Ideen nachhaltig überzeugt gewesen

Theologe Boff sieht Kirche gespalten – historischem Jesus nachfolgen

Veröffentlicht am 16.09.2025 um 12:56 Uhr – Lesedauer: 

Paris ‐ Mit Papst Franziskus war er befreundet: Der Befreiungstheologe Leonardo Boff sieht die Kirche tief gespalten. Wie seine Ideen nach Jahren des Maulkorbs im Vatikan zum Zuge kamen.

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Der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff sieht die Kirche tief zerrissen. Boff sagte der französischen Zeitung "La Croix" am Montag, ab dem vierten Jahrhundert habe sich ein großer Teil der kirchlichen Institution "mit der Macht verbündet". Auf der anderen Seite habe "ein anderer Teil der Kirche, der von Franz von Assisi, Papst Franziskus und vielen Heiligen", sich für die Armen engagiert. "Die Kirche ist sehr gespalten."

Angesichts dessen ist es laut Boff das Wichtigste, dem historischen Jesus zu folgen, der immer auf der Seite der Armen, Unterdrückten und Ausgegrenzten gestanden habe: "Er inspiriert uns zu Menschlichkeit und Nächstenliebe und lehrt uns, dass Gott ein Vater ist, dessen Barmherzigkeit keine Grenzen kennt."

Befreiungstheologie heute

Boff bezeichnete die Befreiungstheologie als "lebendigste Kraft in der Kirche. Denn so lange arme Menschen nach Gerechtigkeit schrien, werde es Christen geben, "die in die Fußstapfen Jesu treten, Befreiungspraktiken umsetzen und auf der Grundlage dieser Praxis Überlegungen anstellen".

Der mit ihm befreundete Papst Franziskus (2013–2025) sei von seinen Ideen nachhaltig überzeugt gewesen: "Nach seiner Wahl riet ich ihm, sich nicht auf eine 'grüne Ökologie' zu konzentrieren, sondern auf eine 'integrale Ökologie', die ökologische, soziale, politische, kulturelle und spirituelle Aspekte umfasst", erinnert sich Boff. Von Franziskus im Jahr 2013 darum gebeten, habe er ihm seine Überlegungen zum Thema zugeschickt. Mit Erfolg, wie der Theologe berichtet: "Danach schickte ich ihm weiterhin Unterlagen über den argentinischen Botschafter beim Heiligen Stuhl, Eduardo Valdés, mit dem er oft morgens Mate trank. In der Enzyklika 'Laudato si'' waren viele Themen enthalten, die ich ausgearbeitet und ihm geschickt hatte."

Der steinige Weg der Befreiungstheologie

Boffs Theologie war im Vatikan nicht immer auf Gegenliebe gestoßen: Der südamerikanische Theologe war 1984 vom damaligen Kardinal Joseph Ratzinger, später Papst Benedikt XVI., in den Vatikan vorgeladen worden. Papst Johannes Paul II. habe befürchtet, die Befreiungstheologie könne den Marxismus in Lateinamerika befördern, und ihn für eine Zeit von elf Monaten zu "unterwürfigem Schweigen" gezwungen.

1992 habe der päpstliche Nuntius in Brasilien ihn nach einem Vortrag bei den Vereinten Nationen erneut sanktionieren wollen, berichtet Boff. Doch der Theologe kam der Forderung, das Land zu verlassen, nicht nach. Stattdessen habe er geantwortet: "Das erste Mal habe ich das Schweigen als Akt der Demut akzeptiert. Dieses Mal ist es ein Akt der Demütigung, der gegen die Menschenrechte verstößt. Das akzeptiere ich nicht." So habe er das Priesteramt aufgegeben, um seine Arbeit fortsetzen zu können. (KNA)