Bei Bestattungen geht es nicht nur um Selbstbestimmung
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
In Rheinland-Pfalz wird im Oktober das Bestattungsgesetz geändert. Ich verstehe die Sehnsucht der Menschen entscheiden zu dürfen, ob ein Stück ihrer Asche in einem Diamanten steckt oder ob in einem Fluss verstreut werden darf. All diese Möglichkeiten riechen nach Freiheit, nach Selbstbestimmung – und das ist etwas, das man in dieser Welt, in der immer mehr geregelt, verpönt oder verboten wird, hochhalten sollte. Die Aufhebung der Sargpflicht, das Verstreuen der Asche, das Heimnehmen der Urne – das sind Ausdrücke dessen, wie wir heute leben, wie wir Abschied verstehen: persönlicher, weniger formal, flexibler auch in Religion und Weltanschauung. Für Menschen, die fern von Kirche sind, oder die schlicht keine Grabpflege leisten wollen oder können sind das echte Optionen.
Doch wer von Wahlfreiheit spricht, vergisst oft, dass viele Regeln auch aus einem Gemeinschaftsbedürfnis erwachsen. Friedhöfe sind mehr als Aufenthaltsorte für Trauernde; sie sind Orte gemeinsamer Geschichte, von Mitmenschlichkeit, von gemeinsamer Erinnerung und gemeinsamer Kultur. Genauso wie mit der geschlossenen Eckkneipe oder dem Dorfladen geht mit einem Friedhof, den weniger Menschen brauchen, etwas verloren: ein Stück sozialer Kohäsion. Selbst Menschen, die sich nicht kennen, benutzen dieselbe Bank auf dem Friedhof. Sie gehen über dieselbe Allee und betrachten dieselben Grabsteine und Geranien. Dieses kollektive Erinnern ist wertvoll. Es ist ein Teil dessen, wie wir auch miteinander leben. Nämlich nicht nebeneinanderher, sondern als Wärmeskulptur.
Vielleicht braucht die Gesellschaft neue Formen, Friedhöfe solidarisch zu organisieren. Zum Beispiel könnten nicht nur die, die ein Grab nutzen, für Friedhöfe zahlen, sondern alle, die in einer Gemeinde leben. So wie für Straßen oder Parks. Vielleicht helfen genossenschaftliche Modelle. Bürgergruppen übernehmen Anteile der Pflege, oder Städte und Gemeinden arbeiten mit Kirchen, Stiftungen oder Umweltverbänden zusammen.
Denn das ist wohl die eigentliche Herausforderung: Wie können wir Wahlfreiheit haben ohne Vereinsamung, Individualisierung ohne Isolation, Neuerung ohne Verlust? Wir brauchen keine nostalgische Rückkehr in vergangene Zeiten – aber einen respektvollen Umgang mit dem, was uns im Zusammenleben immer noch stark macht.
Der Autor
Peter Otten ist Pastoralreferent in der Pfarrgemeinde St. Agnes in Köln. Seit einigen Jahren bloggt er unter www.theosalon.de.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.
