Vor 60 Jahren: Als erstmals ein Papst vor der UNO auftrat

Er kam, er sprach, er beeindruckte. Mit seinem Blitzbesuch in New York und seiner Rede vor den Vereinten Nationen setzte Papst Paul VI. am 4. Oktober 1965 einen Meilenstein. Noch nie zuvor war ein Papst in die USA geflogen; noch nie hatte ein Papst vor diesem Weltforum gesprochen. Offen, bereit zum Dialog, bereit, an der Lösung der großen Plagen der Menschheit mitzuwirken – so präsentierte Paul VI. die katholische Kirche vor der UNO.
Seine Rede gipfelte in dem Ausruf: "Nie wieder Krieg, nie wieder Krieg! Der Friede, ja der Friede muss die Geschicke der Völker und der ganzen Menschheit lenken." Er forderte die Nationen zur Abrüstung auf, zur Hilfe für die Armen sowie zum Kampf gegen den Hunger, und er verlangte Respekt vor dem Leben von Anfang an. Dabei bot er die Hilfe der Kirche an, die sich als "Expertin in Sachen Menschlichkeit" ausgewiesen habe. Der Kirchenhistoriker Jörg Ernesti hält den Besuch für den außenpolitischen Höhepunkt dieses Pontifikats.
Der allererste Besuch eines Papstes bei den Vereinten Nationen sei von großer Wichtigkeit gewesen, weil er eine neue Form der Zusammenarbeit beider Institutionen begründete, stellt Ernesti fest. Tatsächlich habe schon Papst Pius XII. mit dem Gedanken gespielt, den Vereinten Nationen beizutreten, doch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948) habe ihm wegen der Religionsfreiheit nicht gefallen, so der Kirchenhistoriker.
"Pacem in terris" als Voraussetzung
Damals nämlich nahm die katholische Kirche das Recht auf Religionsfreiheit nur für sich selbst in Anspruch. Das änderte sich 1963, als Papst Johannes XXIII. in der Enzyklika "Pacem in terris" die Allgemeinen Menschenrechte anerkannte – und damit die Religionsfreiheit als Recht für alle Menschen. Kirchenhistoriker Ernesti betont, seitdem sei es eine Konstante der vatikanischen Außenpolitik, für alle Menschen das Recht auf freie Religionsausübung einzufordern.
Eine weitere Voraussetzung für den Besuch des Papstes bei der UNO sei gewesen, dass der Heilige Stuhl zuvor den Status eines Ständigen Beobachters angenommen habe, erklärt Ernesti. Das geschah 1964. Dieser besondere völkerrechtliche Status ermöglicht es dem Heiligen Stuhl, in fast allen Bereichen der UN-Institutionen mitzuarbeiten, Interventionen einzubringen und Reden zu halten, ohne jedoch voller Mitgliedstaat zu sein oder über ein Stimmrecht bei Abstimmungen zu verfügen. Diese bewusste Beschränkung dient der Wahrung der Neutralität und Unabhängigkeit des Papsttums in weltlichen Machtfragen, wie es in der langen Tradition des Heiligen Stuhls verankert ist.
2015 sprach auch Papst Franziskus in New York am Sitz der UNO.
Später trug Johannes Paul II. maßgeblich dazu bei, die Beziehungen zu den Vereinten Nationen zu vertiefen. 1979 und 1995 sprach er vor der Vollversammlung. Der polnische Papst mahnte, die "Grundrechte des Menschen und insbesondere das Recht auf Leben, Familie, Religion und Frieden" in den Fokus zu rücken. Er forderte, sich an der unveräußerlichen Würde des einzelnen Menschen zu orientieren und globale Verantwortung wahrzunehmen.
Papst Benedikt XVI. setzte 2008 neue Akzente: Er hob die Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte hervor und betonte gemeinsame Herausforderungen wie Armut, Klimawandel und den Dialog zwischen den Religionen. Besonders warb er für Religions- und Gewissensfreiheit, die er als Eckpfeiler für ein gerechtes Miteinander ansah.
Von Paul VI. bis Franziskus
Papst Franziskus schließlich verstärkte nochmals das soziale und ökologische Engagement. In seiner Rede 2015 forderte er einen ganzheitlichen Umgang mit Mensch und Umwelt, warnte vor Ausbeutung. Seine Überzeugung: Die UNO müsse aufgerufen werden, die Schwächsten zu schützen und fairen Zugang zu Ressourcen sicherzustellen. Zum 75. Gründungstag der UNO richtete er 2020 eine Video-Ansprache an die Vollversammlung.
Beide Institutionen verbindet ein gemeinsames Ziel, nämlich das Wohl der Menschheit zu fördern. Der Vatikan hat zahlreiche UN-Konventionen unterzeichnet und arbeitet eng mit verschiedenen UN-Organen zusammen, etwa bei humanitären Aufgaben oder weltweiten Bildungskampagnen. Doch gibt es auch Spannungen, zum Beispiel bei Themen wie Familienpolitik, Geburtenkontrolle oder Abtreibung.
Von Paul VI. bis zu Franziskus haben alle Päpste – mit Ausnahme des 33-Tage-Papstes Johannes Paul I. – die UNO als moralische Bühne genutzt, um globale Themen wie Frieden, Menschenrechte, Gerechtigkeit und Umweltschutz mit Nachdruck anzusprechen. Wird auch Papst Leo XIV. vor den Vereinten Nationen sprechen? Davon ist Kirchenhistoriker Ernesti fest überzeugt. Er geht davon aus, dass der Papst eingeladen wird – und diese Gelegenheit nicht verstreichen lässt.