Streit um Segnung homosexueller Paare – und kein Ende?

Anfang August veröffentlichte katholisch.de die Ergebnisse einer Umfrage unter den 27 deutschen Bistümern. Man wollte herauszufinden, wie die am 4. April 2025 veröffentlichte, rechtlich unverbindliche Handreichung mit dem Titel "Segen gibt der Liebe Kraft – Segnungen für Paare, die sich lieben" bislang in den einzelnen Diözesen umgesetzt wurde.
Die Handreichung mit dem blumigen Titel war – gewissermaßen als Probelauf für kommende gemeinsame Beschlüsse von Laien und Bischöfen – von der Gemeinsamen Konferenz der Deutschen Bischofskonferenz und vom Laien-Dachverband ZdK verabschiedet worden. Sie enthält einige Elemente, die erkennbar über das hinausgehen, was der Vatikan wenige Monate zuvor unter dem Titel "Fiducia supplicans" erstmals gestattet hatte: Die formlose kirchliche Segnung von Menschen, die in gleichgeschlechtlichen oder anderen "irregulären" Beziehungen leben. Sie solle, so hatte der Vatikan es erklärt, spontan erfolgen – und nicht im Rahmen einer feierlichen Liturgie. Denn sonst könnte es zu Verwechslungen mit dem Ehesakrament kommen, das nach katholischer Lehre allein für Paar-Beziehungen von Mann und Frau reserviert ist.
Große Bandbreite bei der Umsetzung
Die Warnung vor der Verwechslungsgefahr findet sich zwar auch in der "Handreichung" wieder, doch das hinderte deren Verfasser nicht daran, auf ein gutes "Zusammenspiel mit dem Leiter/der Leiterin durch Akklamation, Gebet und Gesang" hinzuweisen und eine sorgfältige Vorbereitung zu empfehlen, damit "die Art und Weise der Leitung der Segnung, der Ort, die gesamte Ästhetik, darunter auch Musik und Gesang, von der Wertschätzung der Menschen, die um den Segen bitten, von ihrem Miteinander und ihrem Glauben künden."
Dass dies nicht deckungsgleich mit dem von Rom genehmigten Spontan-Segen ist, nahmen vier bayerische Bistümer sowie das Erzbistum Köln zum Anlass, die Umsetzung der Handreichung in ihrem Gebiet zu verweigern. Andere, darunter die Erzbistümer Bamberg und Freiburg, lavieren noch herum, wieder andere machten Nägel mit Köpfen: Sie veröffentlichten die Handreichung im kirchlichen Amtsblatt – womit sie dann auch Rechtskraft für die jeweilige Diözese erhielten. Das taten zunächst die Bistümer Limburg, Trier, Osnabrück – und nun in dieser Woche auch Aachen.
Die Umfrage von katholisch.de endete mit der Beobachtung: "Aus dem Vatikan gibt es bislang keine Reaktion auf das Segenspapier – trotz der Diskrepanzen zwischen 'Fiducia supplicans', das Segnungen gar nicht in einem irgendwie gearteten liturgischen Rahmen sehen will, und der Handreichung, die (...) in die andere Richtung geht. Ob das an der guten Diplomatie im Vorfeld der Handreichung liegt oder an einer Neuaufstellung nach dem Pontifikatswechsel, ist noch nicht abzusehen."
Papst Leo XIV. empfing den DBK-Vorsitzenden Georg Bätzing Anfang September. Wenige Wochen später wurden Leos Interviewaussagen zu Segnungen für "Paare, die sich lieben" bekannt.
Was der Autor jener Zeilen damals noch nicht ahnen konnte: Wenige Wochen zuvor hatte im Vatikan kein Geringerer als der Papst in einem langen, damals noch unveröffentlichten Interview mit einer US-amerikanischen Journalistin beklagt, dass es "in Nordeuropa" bereits Rituale zur "Segnung von Menschen, die sich lieben" gebe. Die verstießen, so Leo weiter, gegen "Fiducia supplicans". Denn das Vatikan-Dokument betone, "dass wir natürlich alle Menschen segnen können, aber es sucht nicht nach einer Möglichkeit, eine Art Segnung zu ritualisieren, weil das nicht der Lehre der Kirche entspricht."
Das unüberhörbare Unbehagen des Papstes kam erst mit Verzögerung in die Medien, schlug aber gerade noch rechtzeitig vor der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda auf. Und so musste deren Vorsitzender Georg Bätzing dann auch gleich Auskunft darüber geben, wie es zu diesem augenscheinlichen Widerspruch kam. Bätzing betonte, dass die Handreichung vom April in Abstimmung mit dem vatikanischen Glaubensdikasterium erfolgt sei und mithin kein Akt bischöflichen Ungehorsams gegenüber Rom war, wie es einige italienische Vaticanisti gedeutet hatten.
Wie viel Abstimmung?
Die Abstimmung zwischen Deutschland und Rom, wie auch immer sie im Detail aussah, fiel übrigens fast schon ins Interregnum zwischen dem Franziskus- und dem Leo-Pontifikat, denn der Papst aus Argentinien war damals bereits schwer krank und starb wenige Wochen später. Doch derjenige, mit dem die Abstimmung der Deutschen in Rom erfolgte, ist weiterhin im Amt: Glaubenspräfekt Víctor Fernández.
Und so begannen einige Journalisten, allen voran Benjamin Leven von der Herder-Zeitschrift "communio", im Umfeld der Glaubensbehörde zu recherchieren. Anonyme Quellen aus der Behörde dementierten, dass diese die Segens-Handreichung der Deutschen genehmigt habe – räumten aber zugleich ein, dass es einen Schriftwechsel gab und dass daraufhin einige Formulierungen in der Handreichung geändert worden seien.
Durch das Ping-Pong-Spiel um die Frage, ob und inwieweit er die aus römischer Sicht recht weitgehende deutsche Handreichung abgesegnet oder zumindest nicht aufgehalten habe, geriet nun offenbar Kardinal Fernández im Vatikan unter Druck. In italienischen Medienberichten war er seit dem Pontifikatswechsel ohnehin immer wieder angezählt worden. Zwei Gründe wurden dabei genannt: Zum einen sei sein Landsmann und Gönner auf dem Papstthron nicht mehr da, um ihn zu schützen. Und zum anderen habe der eigenwillige Kardinal mit einigen Entscheidungen als Glaubenspräfekt eher Unfrieden als Einheit gestiftet und tue damit genau das Gegenteil von dem, was Papst Leo als übergeordnetes Ziel seines Pontifikats ausgegeben hat: die Kirche zu einen.
Es gab keine Approbation der Segenshandreichung durch den Vatikan, betonte Glaubenspräfekt Víctor Manuel Fernández zuletzt.
Und an dieser Stelle kam der Streit um die Handreichung aus Deutschland für Fernández genau zum falschen Zeitpunkt – zeigte er doch, dass nun die Segnungs-Praxis zwischen "Nordeuropa" (also Deutschland) und dem Rest der Welt auseinanderzulaufen drohte. Der innerdeutsche Flickenteppich in einer Spannbreite, die vom Limburger Ja bis zum Augsburger Nein reichte, unterstrich das sich zusammenbrauende Konfliktpotenzial zusätzlich.
In einem ungewöhnlichen Schritt entschied sich Fernández deshalb dazu, sich mit Klarnamen von der deutschen Handreichung zu distanzieren. Dem US-amerikanischen Portal "The Pillar" sagte er am 8. Oktober: "Das Glaubensdikasterium hat nichts davon approbiert. Es hat vor einiger Zeit in einem Brief daran erinnert, dass 'Fiducia suplicans' jede Form von ritueller Feier ausschließt."
Wie es weitergeht, ist offen
Wie es nach dieser Klarstellung weitergeht, ist eine spannende Frage nicht nur für Kirchenrechtler. Die inhaltliche Spannung zwischen der Vatikan-Erklärung "Fiducia supplicans" und der rechtlich unverbindlichen deutschen Segens-Handreichung hätte vermutlich noch lange Zeit im Raum stehen bleiben können, ohne dass es zum Knall kommt. Denn die katholische Kirche ist groß und erfahren genug, um ein gewisses Maß an Abweichungen stillschweigend zu tolerieren.
Doch sieht die Sache dort anders aus, wo Bischöfe die Handreichung durch Veröffentlichung im Amtsblatt rechtlich verbindlich in Kraft gesetzt haben. Hier hätte der Vatikan einen "Hebel", um dagegen kirchenrechtlich vorzugehen. Die Tatsache, dass bislang nur eine Handvoll Bischöfe diesen Schritt gewagt haben, spricht dafür, dass die anderen sich dieses Risikos bewusst sind.