Ein indischer Mainzer wird Weihbischof: Höchste Zeit in der Weltkirche
"Ich bin kein Theoretiker, ich habe keinen Doktortitel. Meine Predigten sind selten länger als fünf Minuten", stellte sich Pater Joshy George Pottackal am Mittwoch bei einer Pressekonferenz vor. Die Pointe saß, auch wenn sie noch abgelesen war: Sichtlich bewegt entschuldigte sich der in Kerala im Süden Indiens geborene Karmeliterpater zu Beginn seines Statements dafür, erst einmal zum Manuskript zu greifen. Dass er einmal Weihbischof werden sollte, und dann auch noch fernab seiner ursprünglichen Heimat, damit habe er nicht gerechnet. "Als junger Ordensmann hatte ich ganz andere Träume – missionarische Arbeit in Nordindien oder Afrika, später dann, hier angekommen, schlug bis vor kurzem noch mein Herz für die deutsche Auslandsseelsorge."
1977 wurde Pottackal in Meenkunnam geboren. Mit fünfzehn Jahren trat er ins Knabenseminar der Karmeliten ein und legte 1996, mit 19 Jahren, seine erste Ordensprofess ab. Bei den Kapuzinern in Thrissur und den Karmeliten in Bengaluru studierte er Theologie. 2003 wurde er zum Priester geweiht – und wechselte schnell nach Deutschland.
Bei der Vorstellung von Pater Joshy George Pottackal freute sich der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf nicht nur über die Unterstützung in der täglichen Arbeit durch den Weihbischof – sondern auch über einen mitbrüderlichen Gesprächspartner.
Mainz ist seit 2004 Pottackals Heimat. Dort lernte er deutsch, in Münster absolvierte er das Pastoralseminar für Ordenspriester. Ab 2006 war er dann für das Bistum Mainz tätig: Als Stadt-Jugendseelsorger und Kaplan in Mainz, später als Pfarrer, stellvertretender Dekan und, kurz vor Abschaffung der Dekanate, als kommissarischer Dekan. Seit 2016 wirkt er außerdem in seinem Orden als Regionaloberer für die in Deutschland lebenden Mitglieder seiner Ordensgemeinschaft.
Von der Pastoral in die Verwaltung
Bis dahin war Pottackals Weg dem vieler Priester aus der Weltkirche ähnlich, die in Deutschland wirken. Ungewöhnlicher war der nächste Schritt: Im November 2022 wechselte Pottackal aus der Pastoral in die Verwaltung und wurde Personalreferent mit dem Schwerpunkt für Priester. Zusammen mit dem Diözesanjugendseelsorger war er von 2024 bis jetzt Formationspräfekt im Mainzer Priesterseminar: Anders als in anderen Bistümern soll in Mainz nicht mehr nur das Votum des Regens für die Aufnahme ins Priesterseminar ausschlaggebend sein, sondern auch das der Formationspräfekten.
In seinen ersten öffentlichen Äußerungen nach der Bekanntgabe seiner Ernennung zum Weihbischof zeigt sich Pottackal offen: Für ihn sei es ein gemischtes Gefühl gewesen, von der neuen Aufgabe zu erfahren. "Man hat doch Freude, auserwählt zu sein, eine Ernennung vom Papst zu bekommen, aber: Warum ich? Das war meine erste Frage gewesen", erzählt er. Der Nuntius habe ihn nach Berlin gebeten, ganz kurzfristig – tags darauf sollte er schon in Irland sein, um seinen Bruder und seinen Cousin zu treffen. Die beiden und andere Nahestehende hätten ihn bestärkt, den Ruf anzunehmen.
Die Frage, ob die Berufung zum Weihbischof der richtige Weg ist, bewegt den Karmeliten auch spirituell: "Kann ich mit den Gaben, die mir Gott gegeben hat, das Amt des Weihbischofs ausfüllen und trotzdem authentisch bleiben?", formulierte er seinen Weg der Unterscheidung bei seiner Vorstellung. Er vertraue auf Gott und seinen Weg, betonte er. Mit dem Psalmwort "durch Vertrauen geführt" nehme er die Ernennung an und wolle, "frei nach Augustinus", sein Bischofsamt ausüben: "Mit Euch bin ich Christ und für Euch bin ich Weihbischof", wandelt der Ordensmann das Zitat des Kirchenvaters ab.
Karmelitische Spiritualität
Die spirituelle Wurzeln Pottackals sind die Karmeliten – ein Orden ohne Gründer, wie der Pater betont, sondern eine Gemeinschaft, die im zwölften Jahrhundert auf dem Berg Karmel im heiligen Land entstanden ist mit den beiden Vorbildern der Muttergottes und dem Propheten Elija. "Maria ist die, die Gottes Willen folgt und ja sagt, offen ist für seine Entscheidungen, und Elija ist der, der sagt 'Gott lebt und ich stehe vor seinem Angesicht'", erläutert er die beiden Vorbilder seines Ordens.
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Als gebürtiger Inder wird der Ordensmann trotz der deutschen Staatsbürgerschaft, die er mittlerweile angenommen hat, in der Deutschen Bischofskonferenz herausstechen. Er ist der einzige unter den fast 70 Diözesan- und Weihbischöfen, der nicht in Europa geboren ist, und schon durch sein Aussehen wird das deutlich: "Ich werde immer auffällig sein. In der Deutschen Bischofskonferenz bin ich der einzige mit brauner Haut", sagt er von sich. Aber eben nicht nur deshalb: Auch als Ordenschrist gehört er zu einer Minderheit in der Bischofskonferenz – wenn auch einer größeren.
"Deutschland ist für mich nicht fremd", sagt er nach 21 Jahren im Land. "Aber das wird jemandem, der mich sieht, erst einmal anders vorkommen." Etwa 30 Prozent der Priester im Bistum Mainz und deutschlandweit kommen aus der Weltkirche. Die erste Ernennung eines deutschen Weihbischofs, der nicht aus Europa stammt, ist daher für Pottackal auch ein wichtiges Zeichen für die Realität der Kirche in Deutschland. "Es ist höchste Zeit, dass jemand mit Migrationshintergrund in so ein Amt kommt", sagt er dazu.
Weltkirchliche Inspiration für die Ökumene
Auch der Mainzer Bischof betonte das bei der Vorstellung des neuen Weihbischofs. Er rechne mit Kommentaren, die auf die nichtdeutsche Herkunft abzielen. Er halte die Ernennung für ein starkes und wichtiges Zeichen: "Es gibt in dieser Kirche keine Fremden." In der weltweiten katholischen Kirche gebe es keine Uniformität. Das würdigte auch die evangelische Kirche in ihrer ersten Reaktion auf die Ernennung: Von der weltweiten Vielfalt der katholischen Kirche könne man lernen. Das sei ein Impuls, der auch die evangelische Kirche bewege, schrieb die stellvertretende Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Ulrike Scherf, in ihrem Brief zur Ernennung.
Vor allem die Zeit als Mainzer Stadt-Jugendseelsorger wurde in den ersten Reaktionen hervorgehoben, auch von Scherf: "Ihre Offenheit für den Dialog, Ihr Interesse am gemeinsamen Hören auf Gottes Wort und Ihr leidenschaftliches Engagement für die Menschen vor Ort sind für die Ökumene ein echtes Geschenk", schreibt sie über die Erfahrungen der evangelischen Jugendseelsorger in Mainz mit dem katholischen Kollegen. Pottackal selbst beschreibt die Jahre in der Jugendseelsorge wie in der Gemeindepastoral als intensive Zeit: "Nah an den Menschen in der Gemeinde, mit ihren Freuden und Sorgen zu sein und auch zu hören und zu verstehen, was ihnen wichtig ist, was für sie Glaube bedeutet, was sie an der Kirche schätzen, aber auch was sie an der Institution Kirche manchmal kritisch sehen, war mir immer ein Anliegen."
Am 15. März wird Pottackal zum Bischof geweiht. Eine Aufgabe für ihn steht schon fest: Als Weihbischof wird er Bischofsvikar für die Orden. Was will er sonst noch erreichen, welche Akzente will er setzen? "Gute Frage, ich muss das erstmal sacken lassen!", sagt er entwaffnend. Darüber habe er noch gar nicht nachgedacht. Er wolle einfach so sein, wie er ist.
