Forderung nach Respekt vor Privat- und Familienleben

Schweizer Theologen: Bischofspapier zum Arbeitsrecht "Machtmissbrauch"

Veröffentlicht am 04.12.2025 um 14:20 Uhr – Lesedauer: 

Luzern ‐ Die Schweizer Bischöfe wollen weiter Anforderungen an die privaten Lebensverhältnisse ihrer Seelsorger stellen. Fünf Theologinnen und Theologen werfen ihnen deshalb Machtmissbrauch vor. Sie haben klare Forderungen, wie es besser gehen könnte.

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Fünf Luzerner Theologinnen und Theologen zeigen sich "enttäuscht, verärgert und irritiert" über die "Standortbestimmung" der Schweizer Bischöfe zu Anforderungen an die Lebensführung von Seelsorgenden. In einer Stellungnahme, die katholisch.de vorliegt, sprechen die Autoren von einer "Fortsetzung des Machtmissbrauchs". Die Schweizer Bischöfe machten mit ihrer Position deutlich, dass sie weiterhin die private Lebensführung als arbeitsrechtlich relevante Größe behandeln wollen: "Indem Bischöfe das Recht in Anspruch nehmen, über die private Lebensführung ihrer Mitarbeitenden zu urteilen, verletzen sie das Recht auf Privat- und Familienleben."

Mitte November hatte die Schweizer Bischofskonferenz eine "Standortbestimmung zur Praxis in den Schweizer Bistümern im Blick auf den Zusammenhang zwischen der bischöflichen Beauftragung" für die Pastoral veröffentlicht. Darin sprechen sie sich gegen einen "starren Regelkatalog" aus und betonen stattdessen die "Einzigartigkeit jeder Lebenssituation". Die verantwortlichen kirchlichen Instanzen seien gefordert, "die Dienstverhältnisse so zu gestalten, dass sowohl die kirchlichen Vorgaben als auch das Privatleben und die Intimsphäre von Seelsorgerinnen und Seelsorgern respektiert werden".

Kritik an Verletzung von Recht auf Privat- und Familienleben

"Viele kirchliche Mitarbeitende in der Schweiz mussten – ähnlich wie wir – erfahren, dass ihre Bischöfe und Personalverantwortlichen tief in ihr Privatleben eingegriffen haben: weil sie nach einer Scheidung in einer neuen Partnerschaft leben, weil sie offen zu ihrer Homosexualität stehen oder weil sie als ehemalige Priester verheiratet sind", heißt es in der Stellungnahme. Das Papier ist unterzeichnet von Herbert Gut, Barbara Lehner, Pius Blättler, Daniel Ammann und Franz Zemp, die teils im kirchlichen Dienst in der Pastoral, teils als freie Seelsorgerinnen und Seelsorger tätig sind.

Menschen "in existenziellen Lebensentscheidungen – etwa nach einer zerrütteten Ehe, einem Coming-out oder dem Schritt in eine verantwortete Partnerschaft nach dem Priesteramt" – würden "in einen Loyalitätskonflikt zwischen ihrem Gewissen und der Angst vor beruflichen Sanktionen gedrängt". In einem säkularen Rechtsstaat könne kirchliches Arbeitsrecht nicht losgelöst von grundlegenden Rechten der Arbeitnehmenden gestaltet werden. Auch für kirchliche Arbeitgeber gelte, dass arbeitsrechtliche Anforderungen "verhältnismäßig, klar begründet und justiziabel" sein müssten und "nicht vage an die generelle Beurteilung der 'Lebensführung' geknüpft werden dürfen".

Forderungen an Bischöfe und Landeskirchen

Die Theologinnen und Theologen fordern daher die Bischöfe auf, die bischöfliche Beauftragung klar von der privaten partnerschaftlichen Lebensform zu entkoppeln. Außerdem sollen sie anerkennen, "dass geschiedene und wiederverheiratete Seelsorgende, Mitarbeitende in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften/Ehen und verheiratete ehemalige Priester glaubwürdig im Dienst der Kirche wirken können". Schließlich soll eine unabhängige Beschwerde- und Schlichtungsstelle für Fälle des Entzugs und der Verweigerung der bischöflichen Beauftragung eingerichtet werden, "um Willkür und Machtmissbrauch vorzubeugen". In der Schweiz sind nicht die Bistümer und Pfarreien Rechts- und Anstellungsträger, sondern staatskirchenrechtliche Körperschaften. An die Gremien dieser Körperschaften richtet die Stellungnahme die Bitte, ihre Forderungen zu unterstützen und als Anstellungsträger Personal- und Anstellungsregelungen so weiterzuentwickeln, dass die Privatsphäre der Mitarbeitenden geschützt ist.

Anders als in der Schweiz sind Fragen der Lebensführung von kirchlichen Beschäftigten einschließlich der Seelsorgerinnen und Seelsorger in Deutschland klar geregelt. 2022 haben die deutschen Bischöfe eine neue Grundordnung des kirchlichen Dienstes beschlossen, die mittlerweile in allen deutschen Diözesen gilt. Darin ist festgehalten, dass der "Kernbereich privater Lebensgestaltung, insbesondere Beziehungsleben und Intimsphäre", rechtlichen Bewertungen entzogen bleibt. Ausgenommen davon sind besondere kirchliche Anforderungen an Kleriker und Ordensleute. 2023 verabschiedeten die deutschen Bischöfe eine neue Musterordnung für die Verleihung der Missio canonica, mit der sie die Änderungen der Grundordnung auch für Religionslehrkräfte einführten. (fxn)