Neue Ordnung liberalisiert Verleihung der kirchlichen Unterrichtserlaubnis

Missio canonica: Lebensführung kein Kriterium für Religionslehrer mehr

Veröffentlicht am 07.03.2023 um 13:46 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Wer bisher katholische Religion unterrichten wollte, musste auch im Privatleben die Vorstellungen der Kirche erfüllen. Das ändern die Bischöfe nun: Die Missio canonica erhalten Religionslehrer bald unabhängig davon, wie sie leben und wen sie lieben.

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Persönliche Lebenssituation, sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität sollen künftig für die Erteilung der katholischen Unterrichtserlaubnis "Missio canonica" keine Rolle mehr spielen. Am Dienstag veröffentlichte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) die neue Musterordnung für die Erteilung der Missio canonica. In einer Präambel zur Ordnung betonen die Bischöfe, dass Religionslehrinnen und -lehrer zu einem christlichen Zeugnis aufgefordert sind, "unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Alter, ihrer Behinderung, ihrer persönlichen Lebenssituation, ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität". Außerdem werden Grundsätze für den schulischen Religionsunterricht und die Rolle der Lehrkräfte definiert. Religionslehrkräfte müssen die Lehre der Kirche darstellen, sollen sich aber auch "im Sinne einer kritischen Loyalität zu kontrovers diskutierten kirchlichen Themen auch im Unterricht theologisch begründet positionieren".

Die Anforderungen an Religionslehrer wurden bei der Reform deutlich geändert. In den bislang geltenden Rahmenrichtlinien von 1973 gab es neben der fachlichen Qualifikation zwei Kriterien für die Verleihung der Missio an katholische Religionslehrkräfte: die Bereitschaft, "den Religionsunterricht in Übereinstimmung mit der Lehre und den Grundsätzen der Kirche zu erteilen", und die Beachtung von "katholischen Grundsätzen in der persönlichen Lebensführung". In der neuen Musterordnung gibt es drei Kriterien: die volle Eingliederung in die Kirche durch Taufe, Firmung und Eucharistie, die Bereitschaft, den Religionsunterricht "in Übereinstimmung mit der Lehre der katholischen Kirche glaubwürdig zu erteilen", sowie die Bereitschaft, "ein Zeugnis christlichen Lebens in Schule und Unterricht zu geben".

Kritische Positionierungen zu kontrovers diskutierten kirchlichen Themen werden in der Präambel als Beitrag zu einer lebendigen Kirche aufgefasst, die "um die Nachfolge Jesu Christi in der Welt von heute ringt und unter dem Beistand des Heiligen Geistes fortschreitet". Das Universalkirchenrecht sieht ausdrücklich "Rechtgläubigkeit" als Kriterium für Religionslehrkräfte vor (c. 804 § 2 CIC). In der Präambel wird klargestellt, dass damit begründete Kritik und Zweifel nicht ausgeschlossen seien. "Gleichzeitig bedarf es innerhalb der weltanschaulich pluralen Gesellschaft einer glaubwürdigen Positionierung der eigenen Religiosität in dem Bewusstsein, dass es sich hierbei immer um eine lebenslange Aufgabe handelt", so die Musterordnung weiter.

Drei Grundsätze für Religionsunterricht

In Anlehnung an bildungsethische Prinzipien anderer Fächer legt die Musterordnung drei Grundsätze für den Religionsunterricht fest: ein Indoktrinationsverbot, ein Kontroversitätsgebot und das Gebot der Schülerorientierung. Diese drei Prinzipien werden in der politischen Bildung bereits seit Ende der 1970er Jahre unter der Bezeichnung "Beutelsbacher Konsens" angewandt. Auch im Religionsunterricht verbiete sich eine Indoktrinierung, da sein Ziel die Ermöglichung eines selbstständigen Urteils der Schülerinnen und Schüler sei. Das Kontroversitätsgebot besagt, dass das, was in Wissenschaft und Gesellschaft kontrovers ist, auch im Unterricht kontrovers dargestellt werden muss. In der Theologie und im Leben der Kirche gebe es eine legitime Pluralität von Überzeugungen, die im Religionsunterricht zur Sprache kommen sollen, heißt es in der Musterordnung. Schülerorientierung wird unter Rückgriff auf die Pastoralkonstitution “Gaudium et spes” (1965) des Zweiten Vatikanischen Konzils aus der Aufgabe heraus begründet, "in einer jeweils einer Generation angemessenen Weise auf die bleibenden Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und zukünftigen Lebens und nach dem Verhältnis beider zueinander Antwort" zu geben.

Die neue Missio-Ordnung weitet die geänderten Anforderungen an die Lebensführung, die mit der Reform der Grundordnung des kirchlichen Dienstes bereits für alle kirchlichen Beschäftigten galten, auch auf die katholischen Religionslehrkräfte aus, die nicht im Kirchendienst sind und für die die Grundordnung damit nicht gilt. Im Vergleich zur Grundordnung wurde der präzisere Begriff der "geschlechtlichen Identität" statt "sexueller Identität" gewählt. Der Begriff umfasst unter anderem cis-, trans- und intersexuelle Identitäten. Bereits vor der Reform der Grundordnung haben mehrere Bistümer ihre seit den 1970er Jahren geltenden Missio-Ordnungen reformiert, darunter Osnabrück (2017), Hildesheim (2021) und Limburg (2022). Im Rahmen seines Beschlusses zum kirchlichen Arbeitsrecht hatte der Synodale Weg eine Reform der Missio-Ordnung gefordert.

Die neue Musterordnung wurde nach Angaben der DBK bereits am 23. Januar durch den Ständigen Rat beschlossen, dem die Diözesanbischöfe und -administratoren angehören. Die DBK selbst hat keine Gesetzgebungskompetenz im Bereich des kirchlichen Lehrrechts. Die Missio-Ordnung muss daher von den einzelnen Diözesanbischöfen als bischöfliches Recht in Kraft gesetzt werden. Ziel ist eine einheitliche Regelung. Die Verleihung der Missio an Lehrkräfte wird von den Bistümern wechselseitig anerkannt. (fxn)