Bischof Krämer: Synodalkonferenz ist historischer Schritt

Seit einem Jahr ist Klaus Krämer (61) Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) äußert sich Krämer zum neuen nationalen Kirchengremium Synodalkonferenz, zum möglichen Frauen-Diakonat, zu verheirateten Männern als Priester sowie zur Seelsorge-Reform und Missbrauchsaufarbeitung in seiner Diözese.
Frage: Herr Bischof, in der katholischen Kirche in Deutschland wird es ein neues Gremium geben, in dem die 27 Ortsbischöfe zusammen mit mehreren Dutzend katholischen Laien künftig gemeinsam beraten und entscheiden: die Synodalkonferenz. Ist sie historisch?
Krämer: Ja, ich sehe die Synodalkonferenz als historischen Schritt an. Im Synodalen Ausschuss, der die Satzung der Synodalkonferenz verabschiedet hat und in dem ich seit einem Jahr mitarbeite, hat es eine große Entwicklung gegeben: Vertrauen und Konsens sind gewachsen und in Fulda wurde dann die Satzung einstimmig beschlossen. Das war beeindruckend! Man hat gespürt, dass da etwas Wichtiges geschieht. Ich gehe auch davon aus, dass Rom zustimmen wird.
Frage: Die deutschen Bischöfe hatten Rom ja zugesichert, kein nationales Kirchengremium ohne päpstliche Zustimmung einzurichten. Die Satzung muss nun noch dem Vatikan zur förmlichen Anerkennung ("Recognitio") vorgelegt werden.
Krämer: Durch die Recognitio, die mehr ist als eine bloße Billigung, wird die Autorität der Satzung noch mal erhöht werden, auch ihr Stellenwert in der Gesamtkirche.
Frage: Was kann dieses neue Gremium leisten, was die Deutsche Bischofskonferenz oder das in der Synodalkonferenz beteiligte Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) allein nicht hätten leisten können?
Krämer: Die Synodalkonferenz kann auf nationaler Ebene bei vielen gesellschaftspolitischen Themen mit einer anderen Autorität auftreten, mit einem höheren Gewicht. Etwa bei bioethischen Themen, beim Schutz des Lebens in all seinen Phasen, bei Grundfragen der demokratischen Kultur in unserem Land, aber auch bei grundlegenden Fragen der Seelsorge.
"Im Synodalen Ausschuss, der die Satzung der Synodalkonferenz verabschiedet hat und in dem ich seit einem Jahr mitarbeite, hat es eine große Entwicklung gegeben: Vertrauen und Konsens sind gewachsen und in Fulda wurde dann die Satzung einstimmig beschlossen. Das war beeindruckend!", so Krämer.
Frage: Papst Leo XIV. sagte allerdings kürzlich, es gebe deutliche Unterschiede, wie der Reformprozess "Synodaler Weg" in Deutschland vorangetrieben wurde und wie er in der Weltkirche am besten fortgesetzt werden könnte, und er erwarte "Anpassungen". Ein Rückschlag?
Krämer: Nein, der Papst hat das Signal gegeben, dass er die Einigung wünscht. Ich denke, dass wir tatsächlich auf einem Weg hin zu einem Konsens mit Rom sind über die Gestalt der kirchlichen Strukturen.
Frage: Wäre es nicht auch an der Zeit, das Diakonat für Frauen zu öffnen? In einem kürzlich vom Vatikan veröffentlichten Abschlussbericht einer Theologenkommission gab es dazu lediglich ein "Jein": Die Frage der Diakoninnenweihe bleibe "offen für weitere theologische und pastorale Vertiefungen".
Krämer: Ich würde es begrüßen, wenn der Weg zur Weihe von Diakoninnen geöffnet würde. Aber das ist natürlich ein Weg, den dann auch die Gesamtkirche zumindest mittragen muss. Auch wenn das jüngste römische Dokument hier zurückhaltend ist, nehme ich doch insgesamt wahr, dass die Offenheit in der Weltkirche für eine mögliche Weihe von Frauen zu Diakoninnen eher zunimmt.
Frage: Die Reform der Seelsorge-Strukturen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart hat inzwischen Gestalt angenommen: Aus aktuell 1.020 rechtlich selbstständigen Kirchengemeinden sollen 50 bis 80 "Raumschaften" gebildet werden. "Raumschaften" klingt sperrig, nach "Raumpatrouille Orion" ...
Krämer: (Lacht) Wir haben den Begriff Raumschaften als Arbeitstitel bewusst gewählt. Wir wollten keinen Begriff nehmen, der in einer anderen Diözese schon mit einem bestimmten Konzept des Zusammenschlusses von Gemeinden belegt ist. Die Raumschaften werden nach ihrer Gründung unsere "neuen" Kirchengemeinden und die bisherigen Kirchengemeinden zu Kirchorten, an denen auch weiter das gemeindliche Leben stattfinden wird. Es ist mir wichtig, dass wir als Kirche auch weiterhin nahe bei den Menschen sind.
„Auch wenn das jüngste römische Dokument hier zurückhaltend ist, nehme ich doch insgesamt wahr, dass die Offenheit in der Weltkirche für eine mögliche Weihe von Frauen zu Diakoninnen eher zunimmt.“
Frage: Wie ist der Zeitplan in Rottenburg-Stuttgart?
Krämer: Wir haben im Diözesanrat nur die Eckpunkte beschlossen. 2026 soll in den Kirchengemeinden der konkrete Zuschnitt der Raumschaften diskutiert und beschlossen werden, sodass ab 2027 die Umsetzung erfolgen kann. Unser Ziel ist es, dass 2030 alle geplanten 50 bis 80 Raumschaften gebildet worden sind und wir die Kirchengemeinderatswahlen in den neuen Strukturen abhalten können.
Frage: Ziel ist es, bei der Leitung der neuen Einheiten neben Pfarrern auch geeignete Laien als Pfarrbeauftragte zu beteiligen. Das soll noch "rechtssicher ausgearbeitet" werden. Befürchten Sie Gegenwind aus Rom?
Krämer: Nein, aber es geht um die konkrete Ausgestaltung dieser Funktion mit ihren Zuständigkeiten. Auch die Rolle des moderierenden Priesters in größeren Einheiten, die kirchenrechtlich ja möglich ist, muss genau definiert werden. Denn nach dem Kirchenrecht ist Leitung, die gänzlich ohne die Rolle des Priesters auskommt, nicht denkbar. Wir wollen die Beteiligung von Laien an der Gemeindeleitung als gut eingespielte Praxis etablieren, und sie nicht irgendwann als Notstandsmaßnahme ergreifen müssen.
Frage: Mit welchem Rückgang beim pastoralen Personal rechnen Sie in den nächsten zehn Jahren in der Diözese?
Krämer: Wir rechnen damit, dass wir in zehn Jahren ein Drittel weniger haben werden und in 15 Jahren die Hälfte weniger. Das betrifft Priester, aber auch alle anderen pastoralen Berufsgruppen.
"Wir haben im Diözesanrat nur die Eckpunkte beschlossen", so Krämer. "2026 soll in den Kirchengemeinden der konkrete Zuschnitt der Raumschaften diskutiert und beschlossen werden, sodass ab 2027 die Umsetzung erfolgen kann."
Frage: Die katholische Kirche verliert sehr viele gute, potenzielle Priester wegen des Pflichtzölibats, also wegen der verpflichtenden Ehelosigkeit, sagt der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann. Er hat vorgeschlagen, dass es ein Zölibatsgelübde auf Zeit für Priester geben könnte. Man könne von den Orden lernen, in denen erst nach einer "gewissen Reifezeit im Leben" die ewigen Gelübde abgelegt werden.
Krämer: Es ist die Frage, ob ein solches Modell wirklich für Diözesanpriester passt. Aus meiner Sicht müsste man stärker auf das viel diskutierte Modell der "viri probati" schauen, also verheirateten Männern, die sich in Familie und Beruf bewährt haben und das menschliche, geistliche und theologische Profil zum Priesteramt haben. Dass solche verheirateten Männer zu Priestern geweiht werden könnten, erscheint mir als durchaus gangbarer Weg.
Frage: Der Abschlussbericht der Missbrauchs-Aufarbeitungskommission in der Diözese wird Anfang 2027 erwartet. Im Jahresbericht 2024 hieß es, zu untersuchen sei noch, ob im Bistum Täter-Netzwerke existiert hätten. Unter den bisher festgestellten Tätern gebe es einige Intensivtäter, die sich gekannt hätten oder befreundet gewesen seien.
Krämer: Es ist gut, dem nachzugehen. Wir haben allerdings bisher keinen Hinweis darauf, dass es tatsächlich Täter-Netzwerke in der Diözese gegeben hat.
Frage: Was erwarten Sie im Abschlussbericht der Aufarbeitungskommission zum Umgang von Kardinal Walter Kasper mit Missbrauchsfällen? Er war von 1989 bis 1999 Bischof der Diözese und Sie sein Bischofssekretär von 1994 bis 1999.
Krämer: Ich bin in dieser Funktion nicht mit dem Thema Missbrauch befasst gewesen, habe aber unserer Aufarbeitungskommission über meine Zeit als Sekretär von Bischof Kasper ein Zeitzeugen-Interview gegeben. Bischof Kasper habe ich als jemanden wahrgenommen, der dieses Thema sehr ernst genommen hat und sehr gewissenhaft damit umgegangen ist.
Frage: Rechnen Sie generell mit neuen Erkenntnissen zu Missbrauch in der Diözese von 1946 bis 2024, die wirklich aufhorchen lassen?
Krämer: Wir werden sicher Zusammenhänge genauer erkennen können. Ich habe aber keine Anzeichen dafür, dass es spektakuläre neue Enthüllungen geben wird. Aber natürlich kenne ich nicht das gesamte Material, das die Aufarbeitungskommission untersucht.