Von schlimmen Worten zur blutigen Tat?
Der anfängliche Eindruck, dass die Kölner Jagdmesser-Attacke auf das Konto eines Gestörten geht, scheint sich am Sonntag immer weniger zu bestätigen. Der 44-Jährige ist wohl schuldfähig. Er bekennt sich zu früheren Aktivitäten in der rechten Szene. Reker, für die Unterbringung von Flüchtlingen in Köln zuständig, hat immer wieder für Integration plädiert. Müssen sich Politiker fürchten, wenn sie für Offenheit und Liberalität eintreten? Oder schlicht die Unterbringung der ins Land kommenden Flüchtlinge planen?
Immer mehr Stimmen werden laut, die die Bluttat von Köln als gewalttätige Eskalation rechter Stimmungsmache und Hetze in der Flüchtlingsdebatte einordnen. Viele schlimmen Worte könnten hier zu einer furchtbaren Tat beigetragen haben.
Kardinal Woelki bestürzt über Anschlag auf OB-Kandidatin
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat die Messerattacke auf die Kölner Oberbürgermeister-Kandidatin Henriette Reker als "sinnlose Gewalttat" verurteilt. Er bete für eine schnelle Genesung, erklärte der Erzbischof."Ich bin schon seit langem besorgt über die hasserfüllte Sprache und gewalttätigen Aktionen, die die Flüchtlingsdebatte in Deutschland begleitet", sagt Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Den Anschlag sieht er als Beleg für die Radikalisierung der Flüchtlingsdebatte. SPD-Chef Sigmar Gabriel meint: "Wenn solch eine Stimmung so wächst, dann gibt es Fanatiker, die sich selbst quasi als Vollstrecker des Volkswillens empfinden."
"Pegida hat in Köln mitgestochen"
Wo sind Ursachen und Einflüsse? "Pegida hat in Köln mitgestochen", schreibt etwa der "Tagesspiegel" über einen Kommentar. Was genau im Kopf des Attentäters vorging, weiß niemand. Doch bereits in den vergangenen Wochen wurden Warnungen immer lauter: Menschen könnten sich durch die fremdenfeindliche Dresdner Bewegung um Lutz Bachmann mit seinen islam- und ausländerfeindlichen Parolen zu Gewalt angestachelt fühlen. "Wo am Anfang Worte stehen, kommt es am Ende schnell zu Entmenschlichung und Gewalt gegen Andersdenkende", meinte etwa Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) kürzlich.
Für die Jahrestag-Kundgebung der Pegida an diesem Montag hat das fremdenfeindliche Bündnis überregional mobilisiert. Gegendemonstranten wollen Pegida die Straßen nicht überlassen. Was passiert in Dresden am Montag - und lösen die rechten Parolen in Köpfen von dafür empfänglichen Menschen auch andernorts etwas aus?
Die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker ist einen Tag vor der Wahl bei einer Messerattacke in Köln verletzt worden. Der Angriff auf die parteilose Kandidatin ereignete sich bei einem Wahlkampftermin im Stadtteil Braunsfeld. Am Tatort ist ein Wahlplakat zu sehen und umgefallene Kübel mit Rosen, die sie an Bürger verteilte.
Vor einer Woche jagte ein Demonstrant auf der Kundgebung der fremdenfeindlichen Pegida in Dresden Beobachtern mit einem Galgen einen Schauer über den Rücken - laut mitgeführten Pappschildern für Kanzlerin Merkel und Vizekanzler Gabriel gedacht. Ein Staatsanwalt nahm Ermittlungen auf - und erhielt Morddrohungen per Mail. Unbeirrt outet sich nun ein Werkzeugmacher als Urheber.
Bedrohungen in Tröglitz, Magdeburg und Kassel
Brandstiftungen, Körperverletzungen, Pöbeleien - rund 500 Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte gab es in diesem Jahr, längst nicht nur in Ostdeutschland. Bekanntgewordene Bedrohungen von Kommunalpolitikern ergeben eine unheilvolle Liste.
Im März trat der ehrenamtliche Ortsbürgermeister von Tröglitz in Sachsen-Anhalt zurück - Markus Nierth sah sich nicht vor NPD-Protesten vor seiner Haustür geschützt. Er hatte sich für eine Unterbringung von Flüchtlingen eingesetzt. Der inzwischen aus der SPD ausgetretene Magdeburger Oberbürgermeister Lutz Trümper erhielt rechtsextreme Morddrohungen. In jüngster Zeit werden immer wieder Fälle bekannt - nun etwa in Kassel. Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) wurde per Mail bedroht und beleidigt. Er hatte auf einer Info-Veranstaltung über eine geplante Flüchtlingsunterkunft wütende Zwischenrufe zurückgewiesen.
