Kirchenvertreter ermahnen zu Solidarität mit Flüchtlingen

Abriegeln ist keine Lösung

Veröffentlicht am 19.10.2015 um 12:35 Uhr – Lesedauer: 
Flüchtlinge

Bonn ‐ Eine Abriegelung der Grenzen Deutschlands oder Europas, die die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert, lehnen Kirchenvertreter ab. Statt dessen müsse sich die EU stärker für Entwicklung in den von Gewalt und Armut betroffenen Ländern engagieren.

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Die bisherigen Treffen der Staats- und Regierungschefs seien nicht ausreichend auf die Notsituationen der Migranten eingegangen, kritisiert der Zusammenschluss der europäischen Caritasverbände. Eine stärkere Abriegelung der EU-Außengrenzen, wie sie beim letzten Gipfeltreffen beschlossen worden sei, sei ein Weg in die falsche Richtung. Der Europäische Rat lädt am 11. und 12. November zu einer internationalen Konferenz nach Valletta auf Malta ein.

Arbeit von Schleusern unterbinden

Die Caritas fordert die EU und die Afrikanische Union auf, sich bei diesem Treffen für Frieden und Entwicklung in den von Gewalt und Armut betroffenen Ländern zu engagieren. Zudem müsse stärker gegen Menschenschmuggler vorgegangen und Opfern mehr Schutz geboten werden. Sichere und legale Wege in die EU, humanitäre Visa und die Förderung von Familienzusammenführungen könnten die Arbeit von Schleuserbanden unterbinden.

Auch das katholische Hilfswerk Misereor mahnte am Montag, die Situation in Afrika im Blick zu halten. Sieben der acht größten Flüchtlingslager der Welt lägen im Osten des Kontinents, erklärte Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon in Aachen. "Die Lage in Ostafrika bleibt dramatisch. Viele Tausend Flüchtlinge haben alles verloren und nur noch wenig Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre Heimat".

Derweil zeigte sich der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki empört über deutsche Diskussionen, die Flüchtlingshilfe zu begrenzen. Selbst bei Christen gebe es immer mehr Ängste über knappen Wohnraum, ein überlastetes Schul- und Bildungssystem oder ein Zusammenbrechen der Sozialsysteme, sagte der Erzbischof am Wochenende dem Kölner domradio. Rhetorisch stellte er die Frage, ob ausgebombte und vor Terror geflüchtete Menschen es wirklich erleben sollten, dass Mauern aufgebaut, die Grenzen mit Schießbefehl dicht gemacht und Flüchtlinge mit Bulldozern wieder ins Mittelmeer zurückgeschoben würden.

Kardinal Rainer Maria Woelki im Interview
Bild: ©KNA

Kardinal Rainer Maria Woelki im Interview am Rande der Vollversammlung der Bischofskonferenz

Woelki räumte "riesengroße Herausforderungen" durch die Flüchtlinge ein. "Auch ich nehme diese Ängste sehr ernst." Aber manchmal helfe ein Blick auf die Fakten. Die Angst vor Überfremdung durch muslimische Flüchtlinge etwa sei unbegründet. Selbst wenn Deutschland in diesem Jahr mehr als 800.000 Flüchtlinge aufnehme, seien das gerade mal ein Prozent der Bevölkerung.

Der Kardinal rief dazu auf, in den Bemühungen um Integration nicht nachzulassen. "Wenn da draußen vor unseren Grenzen unsere eigenen Kinder, Eltern oder Großeltern stehen würden, wer von uns würde nicht alles unternehmen, um ihnen, so schnell es geht, eine neue Heimat zu geben?", fragte er.

Polizeigewerkschaft fordert Zaun

Am Wochenende hatte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, mit seiner Forderungen nach einem Zaun entlang der deutschen Grenze Empörung ausgelöst. "Wenn wir auf diese Weise unsere Grenzen schließen, wird auch Österreich die Grenze zu Slowenien schließen. Genau diesen Effekt brauchen wir", begründete er. Ohne einen Zaun machten die geplanten sogenannten Transitzonen keinen Sinn. Wendt wurde für seinen Vorschlag über Parteigrenzen hinweg kritisiert. So entgegnete unter anderem die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt: "Menschen, die vor Fassbomben fliehen, lassen sich doch nicht von ein paar Zäunen aufhalten."

Der internationale Flüchtlingsgipfel des Europäischen Rats soll an die bereits bestehende Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika anknüpfen. Eingeladen sind unter anderem die EU-Mitgliedstaaten sowie Vertreter der Kommission der Afrikanischen Union und der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS), der Vereinten Nationen und des Amts für internationale Migration. (gho/KNA/dpa)

19.10., 16:40 Uhr: Ergänzt Statement des katholischen Hilfswerks Misereor

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