Ganz neue Töne von Franziskus

Den Grundstein für die päpstlichen Pop-Produktionen legte jedoch ein anderer. Papst Leo XIII. (1878 bis 1903) ließ in seinem fünfundzwanzigjährigen Pontifikat neue Zeiten in der katholischen Kirche anbrechen: Im Jahr 1887 erklärte er den Kulturkampf der Kirche mit Preußen für beendet, 1991 veröffentlichte er mit "Rerum novarum" die erste Sozialenzyklika der Geschichte – und im Jahr 1903 sorgte er für die erste Tonbandaufnahme eines Papstes. Der damals 92-jährige Leo XIII. stimmte für diese Phonographen-Aufnahme das Ave Maria an - mehr als Sprechgesang zwar, aber doch mit Melodie.
Tonaufzeichnungen und die Verbreitung derselben sollten später zum Standardrepertoire der pontifikalen Kommunikation gehören. Im Jahr 1931 begründete Papst Pius XI. eigens zu diesem Zweck "Radio Vatikan". Sein Nachfolger, Pius XII., nutzte den Sender intensiv als Werkzeug seiner Verkündigung. Berühmt geworden ist etwa seine Weihnachtsansprache von 1942, in der er scharfe Kritik an den Gräueltaten der Nationalsozialisten äußerte; wohl wissend, dass seine Worte - trotz Verbots - auch in Deutschland viele Zuhörer erreichen würden.
Ebenfalls politisch war das Wirken von Papst Johannes Paul II. vier Jahrzehnte später. Allerdings zog der reiselustige Pole es vor, seine Botschaften vor Ort abzusetzen. Schon seine zweite von insgesamt 104 Auslandsreisen führte ihn im Jahr 1979 in seine Heimat, wo er vor Hunderttausenden gegen die Unterdrückung durch das kommunistische Regime ansprach. Auf dieser Reise widmete er sich jedoch auch der Musik: In Krakau nahm er am "Sacrosong Festival" teil, welches er selbst 12 Jahre zuvor als damaliger Erzbischof der Stadt gegründet hatte. Doch der Papst blieb nicht bloß stummer Zuhörer, sondern griff dort selbst zum Mikrofon. Aufnahmen der von ihm zum Besten gegebenen polnischen Volkslieder wurden als Schallplatte mit dem Titel "Lieder des Papstes – Johannes Paul II. in Polen" veröffentlicht.
Weniger Folklore, dafür aber ganz viel Spiritualität enthielt dann die nächste Veröffentlichung Johannes Pauls II.: Die CD "Abba Pater" (etwa "Guter Vater") von 1999 ist eine Sammlung neu komponierter Sakralmusik mit halb gesungenen, halb gesprochenen Texten des Papstes. Das Album konnte sich seinerzeit immerhin drei Wochen in den deutschen Charts halten, erreichte auf seiner Spitzenposition jedoch nur den 61. Platz.
Passend zum "guten Vater" legte der Nachfolger des heiligen Papstes, Benedikt XVI., im Jahr 2009 mit einer "weisen Mutter" nach: Wie schon die zuvor genannte Platte enthält "Alma Mater" gesprochene Texte und Gebete des Pontifex, die mit Musik und Gesang anderer Künstler unterlegt sind. Die marianische Antiphon "Regina coeli" singt Benedikt sogar selbst.
Ganz im Stil seiner Vorgänger hat nun auch Papst Franziskus ein Album auf den Markt gebracht. Seit Freitag ist "Wake up!" ("Wacht auf!") in Deutschland im Handel erhältlich. Die CD vereint einen bunten Mix musikalischer Genres und alter, liturgische Texte, wie etwa die Antiphon "Salve Regina" oder die Pfingstsequenz "Veni Sancte Spiritus". Der Produzent der Platte, der italienische Priester Giulio Neroni, erklärte m Interview mit dem britischen Musikmagazin "NME", das Album nutze aktuelle Musik um die Originalmelodien der gregorianischen Gesänge neu zu arrangieren. "Sie hören also auf dem Album von Pop bis Rock und das konnte nur mit diesem Papst, Papst Franziskus, verwirklicht werden." Unter Johannes Paul II. oder Benedikt XVI. hätte man diese moderne Musik nicht verwenden können.
Neroni: Ich habe 50 Jahre auf diesen Papst gewartet
Das Album orientiere sich laut Neroni nah am Charakter des Pontifex. "Er ist ein Papst, der die Menschen berührt, der eine einfache Sprache nutzt um wirklich effektiv die Botschaft Gottes in einer einfachen Weise zu vermitteln". Seine Vorgänger hätten sich stärker der Theologie gewidmet als Franziskus und auf andere Weise mit den Menschen kommuniziert. "Seit 50 Jahren, seit ich Priester bin, habe ich auf einen Papst wie diesen gewartet", bekundete Neroni. Dieser Pontifex setze täglich sein Ansehen aufs Spiel um die Botschaft von Liebe und Mitgefühl zu verkünden. "Auf gewisse Weise kann man ihn mit Jesus vergleichen", sagte Neroni in Bezug auf die Kommunikationsfähigkeiten des Papstes.
Die Aufnahmen von Franziskus stammen unter anderem vom 28. Weltjugendtag in Rio de Janeiro 2013, einer Rede vor der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) in Rom und der Abschlussmesse des 6. Asiatischen Jugendtages in Südkorea im August 2014. Das Album enthält auch ein Booklet mit den Texten, die, wo nötig, ins Englische und Spanische übersetzt werden. Die Erlöse von "Wake up!" sollen laut dem Label "Multimedia San Paolo" zum Teil in einen Fonds für Flüchtlingshilfe fließen. (mit Material von dpa)
27.11., 14:00 Uhr: Dieser leicht veränderte Artikel erschien ursprünglich zur Vorstellung des Albums.