"Neuheidnische Show"
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Die katholische Welt ist auch eine Welt der ständigen Reflexe – einer ist dieser: "Darf man das?" Vom Heimatpfarrer, der von der liturgischen Ordnung abweicht, bis zum päpstlichen Treiben in Rom ist diese Frage dauerpräsent und findet verschiedene Verfechter von Wahrheit. Doch als vergangene Woche Tausende Menschen auf dem dunklen Petersplatz standen und sich von einer Lichtershow beeindrucken ließen, schienen sich alle einig. Überall wurden Smartphones gezückt, ein Orchester an "Oh!"- "Ah!"- und "Wow!"-Ausrufen flutete die sozialen Netzwerke. Nachrichtensendungen zeigten sich beeindruckt, vor allem von den Tier- und Naturaufnahmen, die auf die Fassade des Petersdoms projiziert wurden.
Dreimal für je eine Stunde erleuchtete das Schauspiel den römischen Nachthimmel. Katholiken und Nichtkatholiken staunten über diese Präsentation der Schöpfung. Doch gab es ihn auch hier, den Reflex: "Darf man das?" Konservative Blogs und Webseiten sprachen den Bildern der "Schöpfung" nicht ihre Schönheit ab, fanden für die Veranstaltung aber eindeutige Worte: "Beleidigung", "Sakrileg", "gnostisch" oder gar "neuheidnisch". Die wichtigste Kirche aller Katholiken, ein Ort des Martyriums, sei ihrer Bedeutung beraubt worden, indem ein übergroßer Löwe gerade dort wieder brülle, wo Christen in Neros Zirkus vor langer Zeit zerfleischt wurden. Der Triumph des Glaubens, für den diese Kirche stehe, sei geradezu überblendet worden, und das ausgerechnet an einem bedeutenden Hochfest: dem der unbefleckten Empfängnis Mariens.
Doch schlimmer noch als Clownfische und Schimpansen auf den heiligen Mauern wurden die Hintergründe der Veranstaltung eingestuft. Sie fand zeitgleich mit der UN-Klimakonferenz in Paris statt und sollte eine Verbindung zwischen der Umweltenzyklika "Laudato si" von Papst Franziskus und den Klimaschützern deutlich machen. Für Autoren von Web-Seiten wie Katholisches.info ein Affront, denn die Prämissen der Klimakonferenz seien in der Fachwelt höchst umstritten. Der Vatikan habe sie mit dieser Lichtershow aber geadelt, ja sich damit gemein gemacht. Der größte Skandal: Die UNO vertrete im Zeichen des "Klimawandels" eine Agenda der Bevölkerungsreduzierung durch Abtreibung und Verhütung. Johannes Paul II. und Benedikt XVI. hätten hier noch Widerstand geleistet. Dem aktuellen Pontifikat wird Nachgiebigkeit vorgeworfen.
Der Chefredakteur des englischen Online-Portals LifeSiteNews.com, John-Henry Westen, Vater von acht Kindern, empört sich, dass unter den Bildern der gefährdeten Tiere und Lebewesen das am meisten gefährdete ganz gefehlt hätte: das ungeborene Kind und der "Lebensraum der Gebärmutter".Diese Bilder möchte man sich doch lieber nicht in überdimensionaler Größe auf Sankt Peter vorstellen. Dennoch hat die Kritik einige Gläubige zum Nachdenken gebracht. Sie fordern in einer Petition eine Entschuldigung vom Vatikan: dafür, das Symbol der Universalität der Kirche – den Petersdom – für politische Ziele benutzt zu haben, die viele bedenklich finden. Adressiert ist das Schreiben an Rino Fisichella, den Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Neuevangelisierung. Bisher haben über 5000 Menschen unterzeichnet. Gemessen an der Zahl der staunenden Besucher auf dem Petersplatz und weltweit scheint das verschwindend gering. Der Reflex bleibt.
