Seit ihrer Gründung reibt sich die CSU an den Kirchen

Das umkämpfte "C"

Veröffentlicht am 04.01.2016 um 14:30 Uhr – Von Bernd Buchner (KNA) – Lesedauer: 
Politik

München ‐ Nicht "katholisch", nicht "evangelisch", sondern "christlich" nannte sich die neue Partei in Bayern: 70 Jahre ist es her, dass sich die Christlich-Soziale Union gründete. Seither bemüht sich die CSU, christliche Politik zu machen. Dennoch reibt sie sich mit den Kirchen.

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Vielen schien Söders Fauxpas ein Zeichen, dass die selbst ernannte bayerische Staatspartei das "C" in ihrem Namen mehr vor sich herträgt als es verinnerlicht zu haben.

Dabei hatte der Protestant jüngst betont, der Glaube habe ihn über die Jahre ein Stück weit "gelassener und ruhiger gemacht". Die CSU, die sich im Herbst 1945 formierte und vor 70 Jahren, am 8. Januar 1946, offiziell ins Leben gerufen wurde, pflegte von Beginn an ein eigentümliches Verhältnis zu den Kirchen.

Interkonfessionelle Partei

Nach der NS-Erfahrung wollten die Gründerväter mehrheitlich keine Wiederbelebung der katholischen Vorläuferin BVP, sondern eine interkonfessionelle Partei. Der erste CSU-Vorsitzende Josef Müller hatte darüber schon während des Weltkriegs mit dem später von den Nazis ermordeten evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer verhandelt.

Bild: ©KNA

Dietrich Bonhoeffer an der Märtyrer-Wand der Westminster Abtei in London.

Dagegen gab es aber starke Widerstände, vor allem in der Person von Alois Hundhammer, der die Lutheraner schlicht als "Abtrünnige" sah, wie der Historiker Thomas Schlemmer vom renommierten Münchner Institut für Zeitgeschichte schildert. CSU-Urgestein Hundhammer und Georg Meixner, Bamberger Domkapitular und 1951 bis 1958 Chef der Landtagsfraktion, sorgten dafür, dass die Protestanten in den Reihen der Christsozialen nicht zu mächtig wurden. Zudem gaben sie inhaltliche Leitlinien vor, etwa durch die vorläufige Beibehaltung der Bekenntnisschulen im Freistaat.

Nähe und Distanz

Die konfessionell getrennte Volksschulbildung wurde schließlich 1968 per Volksentscheid abgeschafft - auf Initiative der CSU, die durch ein breites gesellschaftliches Bündnis getrieben wurde. Doch auch die Kirche gab in diesen Jahren manch rigide Position auf, zumal mit neuen Persönlichkeiten und im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). So saß auf dem Stuhl des Münchner Erzbischofs nicht mehr der wortgewaltig-streitbare Kardinal Michael Faulhaber, sondern ein ausgleichender Mann wie Julius Döpfner, eines der prägenden Gesichter der Kirchenversammlung.

Nähe und Distanz prägten auch in den folgenden Jahrzehnten das Verhältnis der CSU zu den beiden großen Kirchen. Das katholische Übergewicht in den Reihen der Christsozialen ließ zwar merklich nach, blieb aber immer spürbar - etwa im Kruzifixstreit der 1990er Jahre, als Partei und Amtskirche Seit' an Seit' gegen ein umstrittenes Urteil des Verfassungsgerichts agierten. Und die Anerkennung homosexueller Partnerschaften, für die meisten Protestanten wohl kein Problem, dürfte in einem CSU-Grundsatzprogramm noch lange fehlen.

Vordenker aus beiden Konfessionen

Gleichwohl hat die Partei stets Vordenker aus beiden Konfessionen vereint, etwa Alois Glück, langjähriger Präsident der deutschen Laienkatholiken, und Günther Beckstein, Vizechef der evangelischen Kirchensynode. Horst Seehofer wiederum ist eng mit der katholischen Soziallehre verbunden - deshalb wundern sich Beobachter wie Historiker Schlemmer, wie "seltsam unkommentiert" es in der CSU bleibt, wenn etwa der Münchner Kardinal Reinhard Marx kapitalismuskritische Töne anschlägt oder die soziale Schieflage der Gesellschaft beklagt.

Bild: ©dpa

CSU-Politiker und langjähriger Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK): Alois Glück

Mit seinem Facebook-Post löste Söder übrigens nicht nur mit seinem weihnachtlich-österlichen Wechselspiel Häme aus, sondern auch mit dem Satz: "Keine Tür bleibt verschlossen." Der fränkische Protestant hatte sich im Gegensatz dazu beim Thema Asyl wiederholt als CSU-Scharfmacher geäußert. Wie überhaupt der Umgang mit Flüchtlingen zuletzt für heftige Diskussionen zwischen der bayerischen Regierungspartei und den Kirchen sorgte.

"Was ist denn daran christlich, wenn ein Land wie Deutschland ganz alleine die Flüchtlingsprobleme der Welt lösen soll?", fragte erst am Sonntag Ministerpräsident Seehofer. Doch ungeachtet der CSU-Rhetorik: In der Praxis engagiere sich der Freistaat stark in der Flüchtlingshilfe, sagt Historiker Schlemmer. Nicht von ungefähr heißt es schon im Neuen Testament: "An ihren Taten sollt ihr sie erkennen."

Von Bernd Buchner (KNA)