In der Wegspur des lebendigen Gottes

Daran werden wir nicht gern erinnert. Denn wo Asche ist, da war vorher ein Feuer. Die Frage ist nun: Was ist da verbrannt, zu Asche geworden? Vielleicht das Feuer der Begeisterung, Gefühle und Erwartungen, die da zunichte wurden?
Einkehr zur Umkehr
Solche Erfahrungen zwingen uns früher oder später dazu, innezuhalten und nachdenklich zu werden. Übrigens kommt unser Wort "fasten" aus dem altgotischen "fastan", das auch so viel wie "innehalten" bedeutet. Peter Heintel, Gründer des "Vereins zur Verzögerung der Zeit" hat schon 1999 ein Buch mit dem Titel: "Innehalten" veröffentlicht, das offensichtlich immer aktueller wird in unserer hektischen Gegenwart. Er schreibt: "Ein Innehalten soll nicht bloß Halt machen, es soll uns Halt geben." Das ist auch der Sinn der Fastenzeit. Sie will uns zum Innehalten, zur Einkehr und damit zur Umkehr bewegen.
Linktipp: 40 Tage Vorbereitung
Am Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit. 40 Tage lang bereiten sich Christen dann auf Ostern vor. Die Fastenzeit als Bußzeit ist verbunden mit vielen Ritualen. Katholisch.de erklärt wichtige Begriffe rund um diese Zeit.Eine Formel beim Empfang des Aschenkreuzes lautet: "Kehrt um und glaubt an das Evangelium!"(Mk 1,15) Dieser Satz - es ist der erste, den Jesus im Markusevangelium spricht - weist uns einen Weg, wie wir mit unserer Vergänglichkeit das Unvergängliche gewinnen können. Umkehr hat schon bei den Propheten des Alten Testaments eine lange Tradition. Im Hebräischen ist Umkehr nicht zuerst Gesinnungsänderung wie im Griechischen, sondern ist ein ganzheitliches Geschehen: Ich muss meine Wegrichtung ändern und gleichzeitig mein Herz verwandeln lassen.
Der jüdische Philosoph Martin Buber schreibt zu diesem Vorgang: "Wer umkehrt, gerät in die Wegspur des lebendigen Gottes." Dieser Satz hat es in sich! Er ist unheimlich und riskant, aber auch tröstlich. Was geschieht mit mir, wenn ich innehalte, wenn ich still werde und mich einlasse auf das, was Gott mir mit seiner "Stimme verschwebenden Schweigens" (M. Buber) zusagen und zumuten will? Was passiert, wenn ich in die "Wegspur des lebendigen Gottes" gerate? Das Volk Israel hat diesen lebendigen Gott als den erfahren, der in die Freiheit führt, der immer wieder überraschend anders ist, als Menschen das für möglich halten. Erst da, wo menschliche Sicherheiten haltlos werden, da gibt er Halt - unter einer Voraussetzung: wir müssen uns ihm vorbehaltlos anvertrauen.
Dann entdecken wir, dass wir in unseren Lebenswüsten, die wir durchwandern, einem verlockenden Abenteuer auf der Spur sind, wie es der Prophet Hosea beschreibt: "Ich will sie in die Wüste führen und ihnen zu Herzen reden" (Hos 2,16). Die innere Einkehr macht uns offen für das Wesentliche und wir durchschauen die vielen Ablenkungsmanöver und Fluchtwege unseres Alltags. Dazu braucht es allerdings Mut und Ausdauer, denn selbstverständliche Gewohnheiten und eingebildete "Notwendigkeiten" und alle möglichen Zerstreuungen müssen auf den Prüfstand und lassen sich nicht so einfach beiseite schieben: Nullpunkterfahrung! Aber nur durch solche Krisen kann sich etwas ändern.
Vor Aschermittwoch werden die im Jahr zuvor verteilten Palmzweige verbrannte, um die Asche für die Aschenkreuze herzustellen.
Und plötzlich fängt ganz unerwartet unsere Lebenswüste an zu blühen und wird zum Herzensort des Glaubens, wo uns das barmherzige Antlitz Gottes aufleuchtet. In dieser Wüste blüht die Freude an Gott als neue und stets erneuernde Lebensdynamik, die uns immer wieder zeigt, wo und wie wir selbst diese Barmherzigkeit Gottes feiern, erleben und an andere weiterschenken können. So werden wir die befreiende Kraft des Evangeliums in unserem Alltag erfahren.
Das Abenteuer der Barmherzigkeit
Vielleicht müssen wir uns mehr Zeit für das Wesentliche nehmen, um in die Wegspur des lebendigen Gottes zu geraten, der in seiner erbarmenden Liebe schon längst mit offenen Armen auf uns wartet. Mit Sicherheit werden wir dann auch in die Wegspuren der Menschen neben uns geraten, die auf der Suche nach Sinn und einem Halt in ihrem Leben sind und nach gelebter Barmherzigkeit. Denn Glauben heißt im Hebräischen: sich festmachen, Halt finden in Gott. Wer diesen Halt in Gott findet, für den eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten, gerade dann, wenn nach menschlichem Ermessen "alles vorbei" zu sein scheint. Am Aschermittwoch ist nicht alles vorbei, da fängt erst alles richtig an - das Abenteuer der Barmherzigkeit.