Die Ursache des Problems ist die Angst

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Impuls von Schwester M. Salome Zeman
Die ewige Angst, zu kurz zu kommen. Kaum jemand bleibt von ihr verschont, ganz egal, ob die Angst nun jeweils gerechtfertigt ist oder nicht.
Im heutigen Sonntagsevangelium will ein Bruder dem anderen sein Erbe abgaunern – eine Situation, die auch heute immer wieder entsteht. Beide Brüder haben Angst, zu kurz zu kommen; der Eine war lediglich etwas schneller als der Andere und hat sich sicherheitshalber schon mal den doppelten Anteil genommen, damit er, wenn er dann vielleicht doch noch etwas davon abgeben muss, auf jeden Fall genug übrig hat. Nebenbei bemerkt sichert er sich damit auch noch das vordergründig befriedigende Gefühl, moralisch ganz besonders gut, großzügig und selbstlos zu sein, wenn er seinem Bruder später einen Teil abgibt (der dem zwar von Anfang an zugestanden hätte, aber diese Kleinigkeit vergisst er natürlich lieber sofort). Der andere Bruder gerät nun verständlicherweise in Panik und sieht schon alle seine Felle davonschwimmen.
Das Streitschema der beiden Brüder ist uns auch heute wohlbekannt: Es beginnt bei Sandkastenstreitigkeiten und endet in der großen Weltpolitik.
Wenn ich Zeuge eines solchen Streits werde, bin ich versucht, zu schlichten und eine Kompromisslösung zu suchen. Bei Jesus ist das anders. Jesus interessiert weder, wer Recht oder Unrecht hat, noch versucht er zu schlichten. Er geht überhaupt nicht auf die Sachebene ein. Stattdessen geht er an die Ursache des Problems, die Angst.
Wenn ich die Bibelstelle lese, muss ich mich selbst fragen: Will ich wirklich, dass meine Angst mich so bestimmt, dass ich mich von meinen engsten Beziehungen entfremde? Welchen Stellenwert gebe ich meiner Angst? Und ist mir überhaupt bewusst, dass sie mich so sehr regiert und bestimmt, dass ich dabei sogar meine innere Freiheit verliere? Was ist es denn, was ich eigentlich will? "Du Narr! Noch heute könntest du sterben. Was nützt es dir, alles zu haben, wenn du niemanden hast, den du liebst, für den du lebst, nach dem du dich sehnst?" Jeden Tag so zu leben, als wäre er mein letzter, heißt für mich nicht, irgendeine "Bucket-List" abzuarbeiten und mir alle meine Wünsche zu erfüllen. Jeden Tag so zu leben, als wäre er mein letzter, heißt für mich, bereit sein zu verzeihen und selbst um Verzeihung zu bitten. Es heißt für mich, Menschen zu sagen, dass ich sie liebe. Und es heißt für mich, innerlich bereit zu sein zu sterben, keine Rechnungen mehr offen zu haben, und mich danach zu sehnen, Gott ganz und gar zu begegnen, der die Liebe ist – die einzige Sache, für die es sich wirklich lohnt zu leben und zu kämpfen.
Evangelium nach Lukas (Lk 12, 13-21)
In jener Zeit bat einer aus der Volksmenge Jesus: Meister, sag meinem Bruder, er soll das Erbe mit mir teilen. Er erwiderte ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Schlichter bei euch gemacht?
Dann sagte er zu den Leuten: Gebt acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier. Denn der Sinn des Lebens besteht nicht darin, dass ein Mensch aufgrund seines großen Vermögens im Überfluss lebt.
Und er erzählte ihnen folgendes Beispiel: Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte. Da überlegte er hin und her: Was soll ich tun? Ich weiß nicht, wo ich meine Ernte unterbringen soll.
Schließlich sagte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen.
Dann kann ich zu mir selber sagen: Nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink, und freu dich des Lebens!
Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann all das gehören, was du angehäuft hast? So geht es jedem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber vor Gott nicht reich ist.