"Armutszeugnis statt Alternative"

Als Herausforderung für Gesellschaft und Politik haben die Kirchen den Ausgang der Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern gewertet. In einer gemeinsamen Stellungnahme erklärten der Berliner Erzbischof Heiner Koch und Hamburgs Erzbischof Stefan Heße am Sonntagabend zugleich, das Wahlergebnis müsse respektiert werden. Es sei Abbild "der Stimmung in der Gesellschaft und somit Alarmsignal für die Politik". Zunächst zeige die Wahl, dass die Demokratie funktioniere.
Kirchen fordern Zusammenhalt statt Polarisierung
Laut amtlichem Endergebnis wurde die AfD mit 20,8 Prozent auf Anhieb zweitstärkste Kraft hinter der SPD, die 30,6 Prozent holte. Die CDU landete mit 19 Prozent der Stimmen auf dem dritten Platz.
Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße (r.) Anfang des Jahres beim Besuch eines Flüchtlingsheims in Mecklenburg-Vorpommern.
Auch der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten, erklärte, es sei eine Herausforderung für alle Parteien, die Ängste der Bürger stärker in den Blick zu nehmen. Reflexartige Antworten und eine Stigmatisierung im Umgang mit der AfD reichten nicht aus. Obwohl es unter den AfD auch Katholiken gebe, sei sie insgesamt aber keine Partei, "in der Katholiken sich zu Hause fühlen", betonte Jüsten.
Es gelte, die erkennbar gewordenen Ängste und Sorgen der Bürger ernst zu nehmen, so die beiden Erzbischöfe. Es müssten Lösungen gefunden werden. "Dabei brauchen wir aber weniger Polarisierungen und mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt." Basis dafür müssten die in der unantastbaren Würde aller Menschen verankerten Grundrechte sein. Der Landesteil Mecklenburg gehört zum Erzbistum Hamburg, Vorpommern zum Erzbistum Berlin. Der Hamburger Erzbischof Heße ist auch Flüchtlingsbeauftragter der katholischen Kirche in Deutschland.
Deutschland im Notstand?
Der evangelische Landesbischof der Nordkirche, Gerhard Ulrich, äußerte seine Besorgnis darüber, "dass populistische und fremdenfeindliche Parolen in so hohem Maße verfangen haben". Manche Plakatierung habe "den Eindruck erweckt, unser Land befinde sich im Notstand". Ulrich zeigte sich aber überzeugt, dass die Gesellschaft in der Lage sei, die Herausforderungen zu bewältigen.
Nordkirchen-Bischof Hans-Jürgen Abromeit aus dem Sprengel Greifswald versicherte mit Blick auf das starke Abschneiden der AfD, die Kirchen würden nach ihren Kräften weiterhin für Menschen in Not eintreten - "seien es Einheimische oder Geflüchtete", fügte er hinzu. Kirche orientiere sich am christlichen Menschenbild, wonach niemand diskriminiert werden dürfe. Er appellierte an Politiker und Bürger, nach den Auseinandersetzungen des Wahlkampfes zu einem angemessenen Stil zurückzufinden.
Andreas von Maltzahn, evangelischer Bischof im Sprengel Schwerin, sagte: "Wer in einem demokratischen Verfahren gewählt wurde, ist damit nicht automatisch schon ein Demokrat." Alle seien aufgerufen, sich als Demokraten zu erweisen.
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Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, erklärte, vielen Wählern sei nicht klar oder sie nähmen es billigend in Kauf, dass sich die AfD weder in Mecklenburg-Vorpommern noch bundesweit klar vom rechtsextremen Spektrum abgrenze. "Die AfD ist keine Alternative für Deutschland, sondern ein Armutszeugnis für Deutschland."
Warnung an die anderen Parteien
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, twitterte eine "Warnung" an die anderen Parteien: "Die Strategie 'kopieren oder ignorieren' geht nicht auf. Am Ende wählt 'man' das populistische Original." (dpa/KNA)
05.09.2016, 14.40 Uhr: ergänzt um das Statement von Prälat Jüsten