Schlechter Stil

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Es war eine ungewöhnliche Form des Protests gegen den Papst: Mit finsterem Gesicht wurde Franziskus in Rom auf rund 200 Plakaten gezeigt und gefragt, wo seine Barmherzigkeit bliebe. Die Aktion gegen das Kirchenoberhaupt stammt allem Anschein nach weder von kämpferischen Atheisten noch von Satirikern. Bemerkenswert sind die Anrede im römischen Dialekt und die angesprochenen Themen auf den Wut-Plakaten: Franziskus habe Kongregationen unter kommissarische Leitung gestellt, Priester entlassen, den Malteserorden und die Franziskaner der Immakulata (nicht zu verwechseln mit dem großen Franziskanerorden) „enthauptet“ und Kardinäle ignoriert.
Offenbar waren hier innerkirchliche, streng traditionsorientierte Kritiker am Werk, möglicherweise sogar aus der Kurie. Guten Stil haben sie mit ihrer illegalen, provokanten und anonymen Aktion allerdings nicht gezeigt, im Gegenteil. Und offenbar pochen sie auf die Einhaltung von Regeln oder auf Barmherzigkeit so, wie es ihnen persönlich am besten passt.
Zugleich belegt die Aktion, wie schwer sich erzkonservative Katholiken mit dem Reformpapst tun, gerade auch im Zentrum der Weltkirche und der Kurie. Dass er in seiner Weihnachtsbotschaft 2014 die Verwaltungsspitze des Heiligen Stuhls in Zusammenhang mit Krankheiten brachte, dürfte den Unmut verstärkt haben. Für viele Menschen weltweit ist Franziskus dagegen ein Sympathieträger, weil er sich menschlich verhält und die Barmherzigkeit zu einem Schlüsselbegriff seiner Amtszeit gemacht hat.
In den fast vier Jahren seit seiner Wahl hat der bescheiden, entschlossen und durchsetzungsstark agierende Papst vieles verändert. Er tritt ein für soziale Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung, hat die Ortskirchen gestärkt und in der Kurie aufgeräumt. Der katholischen Kirche hat das gut getan. Daher ist dem 80-Jährigen zu wünschen, dass ihm viel Zeit bleibt, um das Evangelium voranzubringen, auch gegen Widerstände in den eigenen Reihen. Franziskus selbst soll übrigens gelassen auf die Aktion reagiert haben.