Der neue Weltklimabericht stellt die Konsequenzen der Erderwärmung vor

Alle Kontinente sind betroffen

Veröffentlicht am 31.03.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Die Erde.
Bild: © dpa
Klimawandel

Bonn ‐ Die Quintessenz des neuen Weltklimaberichts: Wenn die Erderwärmung nicht stärker gebremst wird als bisher, wird sie drastische Auswirkungen für Mensch und Natur haben.

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Dass Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel ansteigt, und viele Pflanzen und Tiere ihren Lebensraum verlagern oder bedroht sind, ist bekannt. Doch der Klimawandel beeinflusst auch die Versorgung mit Trinkwasser und Nahrung. Nach dem Bericht birgt die Erderwärmung das Risiko für Armut, Hunger und Bürgerkrieg. Und die Fakten, die der Weltklimarat präsentiert, sind belastbar.

Herausforderung auch im Kampf gegen den Hunger

So stark wie der Bericht des IPCC dürfte wohl keine andere wissenschaftliche Studie in die Mangel genommen worden sein: Für den Bericht hatten 310 Hauptautoren aus 73 Ländern ehrenamtlich Tausende Studien durchforstet. Ein erster Entwurf wurde in zwei Runden von anderen Experten kommentiert und überprüft. Nun steht der Stand der Forschung zu den Folgen des Klimawandels und zu Anpassungsstrategien auf rund 2.000 Manuskriptseiten. Auf die 50-seitige Zusammenfassung hatten sich die Wissenschaftler mit Regierungsvertretern nach tage- und nächtelangem Ringen geeinigt.

"Der Bericht ist da und die Botschaft klar: Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Nahrungsversorgung sind schlimmer als zuvor geschätzt", sagte Tim Gore von der Hilfsorganisation Oxfam. Schon jetzt gibt es dem Report zufolge Beeinträchtigungen bei den Ernteerträgen von Weizen und Mais. Erstmals habe der Weltklimarat anerkannt, dass eine Zunahme der Extremwetterlagen auch extreme Nahrungspreise bedeute, so Oxfam. "Ohne schnelle Taten bei der Anpassung und der Emissionsreduzierung könnte das Ziel, dass jeder genug zu essen hat, für immer verfehlt werden", warnte Gore. Laut Report erhöht der Klimawandel indirekt auch das Risiko gewaltsamer Konflikte und verschärft die Flüchtlingsproblematik.

Misereor: Politik ebenso wichtig wie Hilfsprojekte

Ein Büschel Gras in vertrockneter Erde im Death Valley (USA).
Bild: ©picture alliance/Robert Harding World Imagery

Ein Büschel Gras in vertrockneter Erde im Death Valley (USA).

Zu tun gibt es viel. Zwar gibt es dem Report zufolge für den Menschen noch Möglichkeiten, sich auf die Risiken infolge des globalen Klimawandels einzustellen. Eine Anpassung funktioniere aber nur, wenn die Erderwärmung deutlich gebremst werde, ansonsten kämen auch intensive Investitionen in die Anpassung an ihre Grenzen. Hilfswerke wie Misereor haben auf der ganzen Welt Projekte, die Betroffenen helfen sollen, sich zu wappnen oder sich an die Veränderungen anzupassen. So bekommen etwa Bauern in Bangladesch an Standorten mit versalzenen Böden salzresistente Pflanzen zum Anbauen und im ehemals grünen und heute wüstenartigen Burkina Faso werden Brunnen und Regenauffangbecken gebaut.

Doch ebenso wichtig wie Projekte vor Ort sei, dass die Politik handele, sagt Misereor-Sprecher Ralph Allgaier. Das Hilfswerk fordere in Deutschland eine Senkung der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent bis 2020 und eine nahezu kohlenstofffreie Wirtschaft bis 2050. Aber die deutsche Entwicklungszusammenarbeit solle auch Partnerländer zu diesem Zweck unterstützen. "Es müssen Strategien erarbeitet und umgesetzt werden, die eine globale Energiewende hin zu dezentralen Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz vorantreiben", so Allgaier.

Regierung: Klimawandel ist gesellschaftliche Herausforderung

Der Bericht sei ein nicht zu überhörender Weckruf für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), erklärte Oxfam Deutschland. Sie sollten die eindringlichen Warnungen der Wissenschaftler zum Anlass nehmen, den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht weiter abzuwürgen und die Energiewende zu behindern. "Wir brauchen konsequenten Klimaschutz, der den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids in den kommenden Jahrzehnten auf Null reduziert", so Oxfam.

„Der Klimawandel erregt nun in der gesamten Welt viel mehr Aufmerksamkeit, als die Menschen ihm vor fünf oder zehn Jahren gaben.“

—  Zitat: Weltklimarats-Chef Rajendra Pachauri

Die Non-Profit-Organisationen Germanwatch und Brot für die Welt betonen, der Bericht zeige, je später die Staaten gegen die noch vermeidbare Verschärfung des Klimawandels vorgingen, desto schwieriger und teurer werde es. In keinem Teil der Welt sei man auf die schon jetzt nicht mehr abwendbaren Folgen des Klimawandels ausreichend vorbereitet. Auch die Bundesregierung nahm Stellung. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und Forschungsministerin Johanna Wanka (CDU) erklärten, es müsse zum einen der Klimawandel bekämpft werden. Zum anderen müsse sich die Gesellschaft auf die Folgen der Veränderungen einstellen. Hendricks kündigte ein Sofortprogramm an, um den Kohlendioxid-Ausstoß weiter zu senken.

Akzeptanz der Klimaforschung steigt

Wanka betonte, es bestehe weiter Bedarf an der Erforschung des Klimawandels. Wissenslücken müssten geschlossen werden, damit verstanden werde, wie der Klimawandel funktioniere. Immerhin steige die Akzeptanz der Klimaforschung, zum Beispiel in den USA, betont der Chef des Weltklimarats, Rajendra Pachauri. "Der Klimawandel erregt nun in der gesamten Welt viel mehr Aufmerksamkeit, als die Menschen ihm vor fünf oder zehn Jahren gaben", sagte er der dpa. Durch Hinterfragen und wissenschaftliche Debatten habe sich die Forschung weiter entwickelt.

Für seinen Einsatz gegen den Klimawandel bekam der IPCC 2007 den Friedensnobelpreis. Der am Montag in Japan veröffentlichte Bericht ist dabei nur der zweite von drei Teilen des Weltklimareports. Der erste Teil über die wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels kam im September 2013 heraus. Was der Mensch konkret tun kann, um den schlimmsten Schaden von der Erde abzuwenden, will der Weltklimarat in zwei Wochen vorstellen: Mitte April will er den 3. Teil herausbringen, der Möglichkeiten zum Bremsen der Erderwärmung zeigt. (Mit Material von dpa und KNA)

Von Agathe Lukassek