Pater Klaus Mertes über "Political correctness"

Sprache unterliegt der Nächstenliebe

Veröffentlicht am 08.05.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Pater Klaus Mertes über "Political correctness"

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Der Bischof von Augsburg sagt, er sei weit davon entfernt, Positionen der AfD zu vertreten. Ich glaube ihm das. Doch gleich danach zitiert er aus der skurrilen Kölner Parteitagsrede der AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel den Satz, die "Political correctness" gehöre "auf den Müllhaufen der Geschichte." Hmmm. Frau Weigel fühlt sich wegen ihres Müllhaufen-Satzes inzwischen zu Recht politisch inkorrekt von Extra-3-Satiriker Christian Ehring als "Nazi-Schlampe" diffamiert und klagt deswegen gegen den NDR. Hmmm. Irgendwie holt sie sich da gerade etwas zurück von dem, was sie ein paar Tage zuvor auf den Müllhaufen geworfen hat.

Gewiss. Mir gehen manche Exzesse von Sprachpolizistinnen und -polizisten aller Art auch auf den Geist. Nicht jede nicht-explizite Erwähnung einer Gruppe von Menschen ist schon eine explizite Ausgrenzung derselben. Es ist Quatsch und auch dumm, Nazi-, Rassisten- und andere Keulen zu ziehen, weil jemand "Vaterland" sagt  oder seinen Kindern "Jim Knopf" in der alten Version vorliest. Ich finde es in Ordnung, "Flüchtlinge" statt "Geflüchtete" zu sagen. Polit-Satiren schaue ich mir im Übrigen sehr dosiert an – oft stößt mich trotz manch eines gelungenen Scherzes ihre verletzende Polit-Porno-Sprache ebenso ab wie ihre Besserwisserei.

Doch ich freue mich, dass bei den Lesungen im Gottesdienst heutzutage die "Brüder und Schwestern" angesprochen werden. Ich bin dafür, dass die Sprache gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit auf Widerstand stößt. Ich lausche der entfesselten Sprache einer Marine Le Pen und mache mir Sorgen darum, dass fast die Hälfte der Katholiken in Frankreich sie wählt. Hass auf "Political correctness" legitimiert die Entfesselung der Sprache und damit auch die Entfesselung des Ressentiments. Das Problem haben wir auch in Deutschland, auch in Teilen des deutschen Katholizismus.

Mit Wörtern kann man Dinge "machen": Schlagen und streicheln, angreifen und verteidigen, enthüllen und verhüllen, versprechen und verraten, bekennen oder lügen. Also unterliegt auch das Sprechen dem Gebot der Nächstenliebe. Ich hänge nicht am Wort "Political correctness". Das Anliegen teile ich. Dem Furor gegen das Wort halte ich das richtige Anliegen entgegen. Es gehört keineswegs auf den Müllhaufen der Geschichte, und für Christen schon einmal gar nicht.

Von Pater Klaus Mertes

Der Autor

Der Jesuit Klaus Mertes ist Direktor des katholischen Kolleg St. Blasien im Schwarzwald.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.