Historiker Stefan Weinfurter zur Päpsteausstellung in Mannheim

"Das Papsttum hielt Europa zusammen"

Veröffentlicht am 17.05.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Geschichte

Mannheim ‐ Erstmals gibt eine Mannheimer Päpsteausstellung einen Überblick über 1.500 Jahre Papsttum. Die Kirchenoberhäupter spielten eine große Rolle für die Entwicklung Europas, so der Historiker Stefan Weinfurter.

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Novum und Mammutaufgabe: Erstmals gibt die Päpsteausstellung der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen einen Überblick über 1.500 Jahre Papsttum - und erzählt damit europäische Kirchen- und Kulturgeschichte. Im Interview beschreibt der Heidelberger Mittelalterhistoriker Stefan Weinfurter, wie eng verbunden das Papsttum mit der Entwicklung Europas war. Anhand spektakulärer Exponate will die am 21. Mai beginnende Ausstellung neueste Forschungsergebnisse präsentieren - und im Reformationsjahr 2017 an die gemeinsamen Fundamente der Kirchen erinnern.

Frage: Herr Professor Weinfurter, Päpste statt Luther - suchen Sie mit der Mannheimer Ausstellung den bewussten Kontrapunkt im mit zahlreichen Events gefeierten Reformationsjahr 2017?

Weinfurter: Unsere Schau ist auf gar keinen Fall als Gegenprojekt zu den Ausstellungen zum Reformationsjubiläum zu verstehen! Es geht auch nicht darum, den Kirchen der Reformation ein Hochglanzporträt der katholischen Papstkirche entgegenzusetzen. Wir wollen vielmehr deutlich machen, dass katholische wie evangelische Konfessionen auf einem gemeinsamen Fundament stehen - und das bestand 1.500 Jahre lang. Wer unsere Ausstellung sieht, wird erkennen, dass die geschichtlichen Gemeinsamkeiten der christlichen Konfessionen viel größer sind als das Trennende.

Frage: Die Ausstellung verfolgt die Geschichte des Papsttums von den Anfängen bis zum 16. Jahrhundert. Was sind hier zentrale Entwicklungslinien? Wie veränderte sich die Rolle des Papstes - etwa vom mächtigen Herrscher bis zum von Luther als amoralisch beschimpftem Kirchenfürsten?

Weinfurter: Zunächst wollen wir zeigen, dass das Papsttum direkt aus den zentralen Ideen des Christentums entstand. Weil sich die Päpste als Treuhänder der Botschaft Christi verstehen, sind Grundelemente des Christentums auch Grundelemente des Papsttums: Es geht um Aspekte des Friedens, der Einheit, der Nächstenliebe und der Wahrheit. Diese Ziele und Aufgaben nehmen die Päpste dann in den verschiedenen Epochen aber mit sehr unterschiedlicher Schwerpunktsetzung wahr - und zwar immer im Spannungsfeld der äußeren politischen Entwicklungen der Zeit.

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Frage: Die Ausstellung auf mehr als 2.500 Quadratmetern startet mit den Anfängen...

Weinfurter: Ja, und dabei ist bemerkenswert, dass es sehr lange - bis ins achte Jahrhundert - dauert, bis das Papsttum überhaupt als Autorität der westlichen Welt anerkannt wird. Erst indem sich das Papsttum im Jahr 800 mit der Krönung Karls des Großen einen eigenen weströmischen Kaiser schafft, ist die Unabhängigkeit vom byzantinisch-oströmischen Reich erreicht. Bis dahin ist der Papst ein abhängiger Beamter des oströmischen Kaisers! Erst danach steigt das Papsttum bis zum 11. Jahrhundert zu einer Institution auf, die die umfassende und alleinige Deutungsmacht über Moral und Recht beansprucht und auch einzulösen sucht.

Frage: Erlangen die Päpste in dieser Zeit nicht auch ungeheure politische Macht?

Weinfurter: Unbedingt - bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts befindet der Papst darüber, wer König und Kaiser des Heiligen Römischen Reichs wird. Das päpstliche Gericht arbeitete als eine Art europäischer Gerichtshof. Es gab keine andere Institution, die so stark übernational Europa repräsentiert hat wie das Papsttum. Große Teile Europas wurden von der päpstlichen Autorität zusammengehalten. Ganze Reiche konnten nur entstehen, weil sie unter dem Schutz des Papstes standen, die Königreiche Polen oder Ungarn beispielsweise. Ja selbst England drohte um das Jahr 1200 der Untergang, bis der Papst den englischen König Johann ohne Land unter seinen Schutz stellte.

Frage: Wieso verliert das Papsttum aber ab dem Jahr 1300 rapide an Bedeutung?

Weinfurter: Weil es nun mit einer neuen Gestaltungsmacht in Europa konfrontiert ist, mit der es nicht mehr konkurrieren kann. Es beginnt der Siegeszug der nationalen Monarchien. Und dennoch schaffen es die Renaissancepäpste, Rom im 15. Jahrhundert noch einmal zum Mittelpunkt der lateinischen Welt zu machen. Auch diese Blütezeit von Kunst, Architektur und Wissenschaft zeigt unsere Schau. Eine letzte Blüte, die 1527 allerdings mit dem Sacco di Roma, der Plünderung und Zerstörung Roms durch spanische und deutsche Söldnerheere, jäh und traumatisch endete. Von diesem Schlag hat sich das Papsttum im Grunde nie wieder erholt.

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Frage: Während der jahrelangen Vorbereitungen für die Ausstellung arbeiteten Sie mit internationalen Wissenschaftlern und zahlreichen europäischen Museen zusammen. Wie eng ist die Schau mit der Wissenschaft verzahnt?

Weinfurter: Sehr eng. Unser Anspruch ist es, eine Bestandsaufnahme vorzulegen zum Stand der Forschung zum Papsttum anno 2017. Seit einigen Jahren befassen sich außerordentlich viele junge Forscher in ganz Europa mit der Geschichte der Päpste. Gerade weil das Papsttum eine Institution ist, bei der man mit den modernen transnationalen, globalen Wissenschaftsmethoden arbeiten kann. Das Papsttum war universal, niemals national. Und das übt auf die junge Forschergeneration einen großen Reiz aus. Davon profitieren Archäologie und Geschichtswissenschaft - und damit direkt auch die Besucher unserer Ausstellung.

Frage: Was sind herausragende Exponate?

Weinfurter: Mein Highlight ist die früheste Darstellung des Petrusgrabes: ein filigran gearbeitetes Elfenbeinkästchen aus dem fünften Jahrhundert, das erstmals nördlich der Alpen ausgestellt wird. Spektakulär sind die gezeigten päpstlichen Gewänder, etwa der vollständige Ornat von Papst Nikolaus V. aus dem 15. Jahrhundert. Zu entdecken gibt es auch reich illustrierte mittelalterliche Schriften und faszinierende Papstbildnisse - von Tizian bis Francis Bacon.

Frage: Die Ausstellung schließt mit dem 16. Jahrhundert. Wer aber bringt heute das Papsttum besser in die Gegenwart: Benedikt XVI. oder Franziskus?

Weinfurter: Für mich ist das, was Franziskus macht, heute die angemessene Art, das Papsttum zu vertreten und auszufüllen. Das Selbstverständnis von Benedikt XVI. war sehr viel traditioneller, etwa weil er versuchte, den päpstlichen Primat neu zu begründen. Dagegen steht bei Franziskus eindeutig die Nächstenliebe, die soziale Seite im Fokus. Und genau dies sind die stärksten Elemente des Christentums. Im Prinzip erleben wir derzeit eine Rückbesinnung auf seine ursprünglichen Werte. Und das ist aus meiner Sicht der einzige gangbare Weg für das Papsttum von heute. Zugleich liegt hier eine große Hoffnung für ein noch engeres ökumenisches Zusammengehen.

Von Volker Hasenauer (KNA)

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