Sophia Kuby über die charismatische Erneuerung und andere Gläubige

Gegen die Vorurteile der Katholiken untereinander

Veröffentlicht am 08.06.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Sophia Kuby über die charismatische Erneuerung und andere Gläubige

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Am Pfingstwochenende hatten sich Zehntausende charismatische Katholiken zum 50-jährigen Jubiläum der charismatischen Erneuerung in Rom versammelt. Was damals im Januar 1967 an dem sogenannten "Duquesne Weekend" geschah, war nichts anderes als eine neue Erfahrung des Heiligen Geistes einer Handvoll Katholiken, die mit protestantischen Christen für Erneuerung im Glauben gebetet hatten. Seit diesem Wochenende wurde und wird dieselbe Erfahrung von unzähligen Christen gemacht. Heute zählen sich geschätzt 120 Millionen Katholiken zu charismatischen Bewegungen.

Was aber ist diese Bewegung und was genau wurde nun in Rom gefeiert? Papst Franziskus beschrieb sie bei der großen Pfingstvigil auf dem Circus Maximus als "Gnadenstrom für die gesamte Kirche", ein Leben mit dem Heiligen Geist, der uns tiefer unsere Taufgnaden erschließt und für die ganze Kirche unerlässlich wichtig ist. Wohl auch im Bewusstsein von Verletzungen und gegenseitiger Missbilligung von Katholiken unterschiedlicher Spiritualitäten betonte Papst Franziskus in der Pfingstmesse auf dem Petersplatz, dass der Weg in die Zukunft der Kirche "Vielfalt in Einheit" sein muss. Weder dürfe Vielfalt ohne Einheit zu Beliebigkeit und Spaltung führen, noch Einheit ohne Vielfalt zu Uniformität verkommen, die dem Heiligen Geist ganz und gar entgegensteht. Vergebung unter Katholiken sei nötig, um fähig zu werden, diese Vielfalt in Einheit zu leben und nach vorne zu sehen.

Unter Katholiken herrschen immer noch Vorurteile gegeneinander, die meistens auf Karikaturen und Unkenntnis der jeweils anderen Spiritualität fußen. Diejenigen, die eine traditionelle Liturgie schätzen, meinen oft, charismatische Katholiken seien exaltiert, überemotional und respektlos der Liturgie gegenüber. Dass es seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil viele liturgische Missbräuche gegeben hat und immer noch gibt, will niemand bestreiten. Überemotionaler Glaube oder Respektlosigkeit der Liturgie gegenüber haben jedoch nicht das Geringste mit dem Wesen der charismatischen Spiritualität zu tun. Vielmehr führt sie ein in eine lebendige Beziehung mit Jesus Christus und in Gebetsformen wie das Sprachengebet, die zutiefst biblisch sind. Umgekehrt ist es falsch zu denken, dass man nur als Charismatiker eine lebendige Christusbeziehung haben könnte.

Traditionelle Glaubensformen und gar die Messe im außerordentlichen Ritus sind per se in keiner Weise rückwärtsgewandte Ausdrucksformen des Glaubens, sondern zeitlose Vergegenwärtigung des Heiligen in dieser Welt. Die katholische Kirche kann all das in sich fassen, ohne an dieser Vielfalt zu zerbrechen – vorausgesetzt es ist derselbe Heilige Geist, der in den verschiedenen Spiritualitäten lebendig ist. Er gibt seine Gaben ohne zu Fragen, welcher Bewegung jemand angehört. Je mehr Christen dem Heiligen Geist das Ruder überlassen, desto mehr kann Gott durch sie wirken – in welcher Form auch immer.  

Von Sophia Kuby

Die Autorin

Sophia Kuby ist Direktorin des EU-Büros der internationalen Menschenrechtsorganisation ADF International.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.