Zwei Frauen über das Mentoring-Programm der katholischen Kirche

Ein Jahr auf dem Weg in die Führungspositionen

Veröffentlicht am 21.06.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Karriere

Bonn ‐ In der Kirche gibt es viele kompetente Frauen, sagt Andrea Gersch. Damit diese noch sichtbarer werden, ist sie selbst aktiv geworden und hat Eva-Maria Düring als Mentorin begleitet. Ein Doppelinterview.

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Die eine steht seit Jahrzehnten erfolgreich im Beruf, die andere baut gerade an ihrer Karriere - ein Jahr lang haben sie sich jetzt gegenseitig begleitet: Mentee Eva-Maria Düring (37) und Mentorin Andrea Gersch (53) waren ein Tandem, das an der ersten Runde des bundesweiten Programms "Kirche im Mentoring – Frauen steigen auf" teilgenommen hat. Im Gespräch mit katholisch.de verraten die beiden, welche Eigenschaften Frauen mitbringen sollten, die in der Kirche Karriere machen wollen.

Frage: Frau Düring, Frau Gersch, wie sah das vergangene Jahr für Sie aus – was war für Sie jeweils das Highlight?

Düring: Für mich war es toll, dass ich eine Mentorin hatte, die ihr Wissen mit mir geteilt hat, die ich anrufen und der ich Fragen stellen konnte, vor der ich Unsicherheiten formulieren durfte. Andrea Gersch war mir gegenüber sehr wohlwollend und respektvoll. Wir haben viel gelacht. Das Geschenk dieser Begleitung ist mein Highlight.

Gersch: Wir sind an unseren Gesprächen beide gewachsen. Eva-Maria Düring hat beispielsweise als Teil dieses Programms auch Persönlichkeitstests gemacht. Die Ergebnisse hat sie in unser monatliches Gespräch eingebracht, was ich sehr vertrauensvoll fand. So konnten wir sehr tiefgehend sprechen, ausloten, wo ihre Stärken im Hinblick auf eine Leitungsposition liegen und wo sie für sich selbst Entwicklungsbedarf sieht. Dieser ganze Prozess war für mich das Highlight. Aber das braucht eben Zeit und persönliche Begegnung, das geht nicht auf Knopfdruck.

Hintergrund: "Kirche im Mentoring – Frauen steigen auf"

Das Mentoring-Programm wurde 2016 erstmals aufgelegt und will helfen, den Anteil von Frauen in kirchlichen Führungspositionen zu erhöhen. Es wird vom Hildergardis-Verein, der sich seit über 100 Jahren für die akademische Aus- und Weiterbildung von jungen Katholikinnen einsetzt, in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bischofskonferenz organisiert. Bestandteile sind unter anderem mehrere Seminare und regelmäßige Gespräche zwischen den jeweiligen Tandempartnerinnenn. Die Mentees, die in der Regel bereits im Berufsleben sind, bringen außerdem ein konkretes Projekt ein, das sie innerhalb des Jahres umsetzen. An der ersten Runde, die jetzt mit einer zweitätigen Tagung zu Ende geht, nahmen 40 Frauen aus neun (Erz-)Bistümern teil.

Frage: Was haben Sie voneinander gelernt?

Gersch: Mir imponiert, wie Eva-Maria entschlossen ihr Schicksal in die Hände nimmt, in die Zukunft schaut und sagt, ich mache aus dem, was ich kann, etwas Neues. Das finde ich absolut eindrucksvoll.

Düring: Frau Gersch hat eine sehr ruhige, bewusste und klare Art. Das habe ich sehr genossen. Und ich bin der festen Überzeugung, dass diese Ruhe in einem tiefen Glauben wurzelt. Den habe ich auch, aber daraus auch bewusster Kraft für die Arbeit zu schöpfen, das habe ich neu mitgenommen.

Frage: Frau Gersch, wie ein Mentee von einem solchen Programm profitiert, ist leicht ersichtlich. Welchen Anreiz hatten Sie als Mentorin, mitzumachen?

Gersch: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu leiten ist eine tolle Aufgabe: Es geht sehr vielseitig zu, es gibt sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten, die Zusammenarbeit mit so vielen Menschen ist bereichernd und natürlich auch herausfordernd. Das habe ich als Schulleiterin erfahren und so ist es jetzt auch hier in der Schulabteilung. Es ist es wert, diese Erfahrung zu teilen und andere auf dem Weg dahin zu ermutigen. Natürlich entscheidet Eva-Maria Düring letztlich selbst, welchen Weg sie gehen möchte. Aber sie zu begleiten, finde ich trotzdem sehr reizvoll.

Frage: Wenn Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert sind, müssen dann zuerst die Frauen an sich arbeiten oder muss nicht viel mehr das kirchliche Umfeld an sich arbeiten?

Gersch: Ich sehe nicht, dass Frauen besonders an sich arbeiten müssen. Es gibt sehr viele kompetente und starke Frauen. Sie müssen in der Kirche Offenheit, Akzeptanz und Wertschätzung erfahren. Man muss ihnen auf Augenhöhe begegnen. Das ist das A und O.

Zwei Frauen schauen in einen Aktenordner hinein.
Bild: ©contrastwerkstatt/Fotolia.com

Der Anteil von Frauen in Führungspositionen in der katholischen Kirche soll erhöht werden.

Frage: Sind Geschlechterungerechtigkeiten in der Kirche nicht stärker ausgeprägt als im Rest der Gesellschaft?

Düring: Es ist insofern anders, als die Kirche lange Zeit Führungspositionen am Weiheamt und damit an Männern festgemacht hat. Das verändert sich jetzt. Es wird deutlich, welche Bereicherung nicht geweihte Männer und Frauen bringen. Wir müssen zu einer guten Mischung kommen zwischen Priestern, Frauen und nichtgeweihten Männern in Führungspositionen.

Gersch: Egal, in welchem Arbeitskontext: Frauen bringen andere Sichtweisen und Wahrnehmungen ein und leisten damit einen ganz wesentlichen Beitrag dazu, dass etwas gelingen kann. Um Erfolg zu haben, sollten bei den Mitarbeitenden immer beide Geschlechter vertreten sein. Die Kirche muss also die Frauen für die Übernahme verantwortlicher Positionen stärken. Im Erzbistum Köln ist das schon an der einen oder anderen Stelle passiert, zum Beispiel auch mit dem aktuellen Mentoringprogramm, das sollte noch konsequent fortgesetzt werden.

Düring: Die Bischofskonferenz hat ja 2013 bei der Frühjahrsvollversammlung ein sehr klares Bekenntnis abgelegt, dass der Anteil der Frauen in Führungspositionen erhöht wird. Ich finde, das ist eine tolle Aussage und ein großartiges Zeichen nach außen. Es schafft ein Bewusstsein dafür, dass Frauen noch viel zu wenig in Leitungspositionen haben. Und die Kirche will das verändern. Das macht mich hoffnungsfroh.

Frage: Welche Eigenschaften muss man als weibliche Führungskraft mitbringen?

Gersch: Die gleichen wie Männer auch: Es ist wichtig, Verantwortung übernehmen zu wollen, das eigene Ziel immer im Blick zu halten, visionär zu denken und mit den Mitarbeitenden klar, aber auch sehr fördernd umzugehen. Das Christsein sollte den Führungsstil prägen.

Frage: Was heißt das konkret?

Gersch: Als Führungsperson kann ich zum Beispiel auch eine gewisse Spiritualität einbringen. Konferenzen können mit einem geistlichen Impuls beginnen. Es geht auch um die Art des Miteinanders: Wie gestalte ich den Start neuer Mitarbeiter, wie wird jemand verabschiedet, wie reagieren wir, wenn jemand heiratet oder einen Angehörigen verloren hat?

Frage: Frau Düring, wie sehen Sie das?

Düring: Eine Leitungspersönlichkeit sollte authentisch, greifbar und verlässlich auftreten. Es sollte klar sein, dass sie bestimmte Haltungen hat, diese durchzieht und ihr Verhalten nicht von Tag zu Tag ändert. Die Grundfrage ist: Aus welcher Haltung heraus begegne ich den Menschen? Als christliche Führungspersönlichkeit sollte ich den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zugewandt sein. Sie sind für eine Führungskraft die wichtigste Ressource.

Gersch: Ja, es muss in der Kirche eine Deckung geben zwischen innen und außen: Wenn ein Arbeitgeber sich nach außen als kirchliche Institution präsentiert und nach innen diese grundlegenden Werte nicht lebt, wäre das fatal.

Weitere Informationen

Mehr zum Mentoring-Programm "Kirche im Mentoring – Frauen steigen auf", das der Hildegardis-Verein organisiert, findet sich auf der eigenen Homepage. Dort wird unter anderem das Projekt und dessen Ablauf ausführlich erklärt und es finden sich die Kontaktdaten zu Ansprechpartnern.

Frage: Die Kirche ist ein vielseitiger Arbeitgeber: In Ordinariaten, Krankenhäusern, Schulen.  Wo sehen Sie am ehesten Aufstiegschancen für Frauen?

Gersch: Überall! Sogar in der Priesterausbildung gibt es Anteile, die eine Frau gut leisten kann, wie etwa die Schulausbildung oder Stimmschulung. Das kommt einfach auf die Person und die Aufgabe an und die Passung zwischen beidem.

Düring: Das denke ich auch. Ein Vorbild sind vielleicht die Verbände, die an vielen Orten gleichberechtigtes Leiten verwirklichen. Sie haben paritätisch besetzte Vorstände und leiten oft im Team.

Sind Sie mit dem Programm, so wie es der Hildegardis-Verein aufgesetzt hat, zufrieden?

Düring: Ja, sehr. Ich wünsche mir, dass das Mentoring-Programm verstetigt wird. Im Moment ist es ja erstmal als Projekt angelegt, es ist also noch nicht klar, wie es in Zukunft weitergeht. Ich halte es für ein sehr gutes Instrument, um Personalentwicklung in der katholischen Kirche in Bezug auf Frauen voranzutreiben.

Gersch: Ich bin sicher, dass die jungen Frauen, die jetzt an dem Programm teilgenommen haben, ihre persönlichen und fachlichen Fähigkeiten künftig und langfristig in der Kirche einsetzen werden. Das Programm ist also eine Investition, die sich lohnt.

Werden Sie auch noch weiter in Kontakt bleiben?

Düring: Wir Mentees haben untereinander ein loses Netzwerke geschaffen und wollen uns auch künftig treffen. Außerdem bin ich guter Dinge, dass ich auch Andrea Gersch nochmal anrufen kann, wenn ich eine Frage habe. Und ich werde mich sehr freuen, sie auch in Zukunft wiederzusehen.

Gersch: Ein sehr wichtiger Teil dieses Programms ist ja, ein Netzwerk zu knüpfen. Das wird sicher auch in Zukunft Bestand haben.

Von Gabriele Höfling

Zu Person: Eva-Maria Düring

Eva-Maria Düring ist seit März Bereichsleiterin "Frauen & Familie" des Sozialdienstes katholischer Frauen und Männer (SKFM) in Mettmann. Dieser betreibt dort unter anderem ein Frauen- und Kinderschutzhaus. Von 2010 bis 2016 war sie als erste Frau geistliche Bundesleiterin der "Katholischen jungen Gemeinde" (KjG). Sie ist 37 Jahre alt.

Zur Person: Andrea Gersch

Andrea Gersch (53) ist stellvertretende Abteilungsleiterin der Abteilung "Schulische Religionspädagogik und Katholische Bekenntnisschulen" im Generalvikariat des Erzbistums Köln. Vor ihrem Wechsel dorthin war sie bis zum Oktober 2007 Schulleiterin in Bonn.