Ein satirischer Wochenrückblick von Joachim Heinz

Über Anstand und Sitte

Veröffentlicht am 08.07.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
War's das?

Bonn ‐ Ein satirischer Wochenrückblick von Joachim Heinz

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Frage: Wenn Kai Diekmann der Ziehsohn von Helmut Kohl ist – warum hat seine Ziehmutter Maike Kohl-Richter dem Jungen dann nicht das Smartphone weggenommen? Der Bub war bei der Trauerfeier  für den ewigen Kanzler ja kaum zu bremsen. Ein Bild nach dem anderen knipste Diekmann. Wahrscheinlich ein Reflex aus alten "Bild"-Tagen. Wann liegt einem ein journalistischer "Scoop" schon so vor den Füßen wie Kohls Sarg am vergangenen Wochenende in Straßburg und Speyer?

Wir aber notieren in unserem Tagebuch: Der Grundwasserspiegel von Sitte und Anstand verdunstet – ebenso wie jener des Glaubens. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner? Tot. Der Leiter der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller? Nicht mehr im Amt. Wer gibt Kai Diekmann und uns anderen Normalsterblichen nunmehr die Richtschnur für unser tägliches Handeln?

Schließlich lauern im Zwischenmenschlichen jede Menge Fallen – auch und gerade zwischen Mann und Frau. Wie sagte doch der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke über die Ehe aus kirchlicher Sicht? Diese sei die "von Gott gesegnete Polarität von Mann und Frau". Dazu passt die Parole des unvergessenen Loriot: "Frauen und Männer passen eigentlich nicht zusammen."

Für uns ergibt sich aus alledem die tröstliche Botschaft: Wenn sich beim nächsten Ehekrach Polarität entlädt, dann wird der liebe Gott schon seinen Segen dazu geben. Allen Verfechtern der "Ehe für alle" dagegen sei dies Mahnung und Warnung zugleich. Wollen sie wirklich das unbeschwerte Single-Leben oder die verpartnerte Daseinsform außerhalb der Ehe gegen eine - womöglich lebenslange! - bipolare Störung eintauschen?

Noch gar nicht gesprochen haben wir über Peter Tauber. Der stets aufgeweckte CDU-Generalsekretär sorgte in dieser Woche mit einem Tweet für erregtes Geschnatter. "Wenn Sie was Ordentliches gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs." Spatzenhirn-Slogans zwitschern: Das scheint der "heiße Scheiß" in der Politik zu sein - den Shit-Storm gibt es gratis dazu.

Zu höchster Perfektion in dieser Disziplin hat es  - natürlich – Donald Trump gebracht. Er twittert nicht nur wie ein Wilder, sondern übernimmt das mit dem Shit-Storm gleich selbst. Zusammen mit anderen Rabauken wie seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan schlug der US-Präsident am Freitag in Hamburg beim G20-Gipfel auf.

Der Spuk ist am heutigen Samstag auch schon wieder vorbei. Die Polizei hatte sich im Vorfeld gründlich auf Randalierer vorbereitet – die sorgten bereits für verstörenden Bilder aus der Hansestadt. Und wir hoffen, dass "Mutti" Angela Merkel die ungestümen Racker auf Ebene der Staats- und Regierungschefs im Zaum halten konnte.

Von Joachim Heinz