So sind die Regeln in katholischer und evangelischer Kirche

Ist ein Segen für homosexuelle Paare möglich?

Veröffentlicht am 29.08.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Wer als Paar den Segen der Kirchen will, darf nicht wählerisch sein – das gilt jedenfalls für Homosexuelle. Denn die Rahmenbedingungen sind sehr unterschiedlich: Sie reichen von vollständiger Gleichstellung zu heterosexuellen Paaren bis hin zur in Einzelfällen ausgenutzten "Grauzone". Ein Überblick.

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Nicht umsonst gilt er vielen als der "schönste Tag im Leben": Zwei Menschen bekennen sich öffentlich zueinander, versprechen sich Liebe und Treue, sind ab jetzt offiziell an einander ge- und miteinander verbunden. Wer religiös ist, schließt dieses Versprechen auch vor Gott. Doch je nach Paar wird es hier schwierig. Seit 2017 können gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland staatlich heiraten und sind damit heterosexuellen Partnerschaften gleichgestellt. Ob die Eheleute ihren Bund aber auch in die Kirche bringen können, hängt sehr von Ort und Konfession ab.

Innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) regelt jede Landeskirche für sich, wie sie mit homosexuellen Paaren umgeht. Wer einen Blick auf die Karte wirft, sieht schnell: Von den 20 selbstständigen Landeskirchen gibt es in elf die Trauung für alle, in sieben gibt es öffentliche Segnungsgottesdienste für Homosexuelle, die in einer davon der Trauung gleichgestellt sind. Lediglich in zwei Kirchen gibt es nur nicht-öffentliche Segnungen.

Zur erstgenannten Gruppe zählt unter anderem die Landeskirche in Baden. Dort beschäftigte sich die Landessynode 2016 mit dem Thema – und warf zuallererst einen Blick in die Bibel. Deren Aussagen zu Homosexualität sind recht rar und oft mit anderen Aspekten wie Gewalt oder der Abgrenzung gegen fremde Religionen verbunden. Wo es wirklich nur um gleichgeschlechtlichen Sex geht, bleiben die Kommentare kurz. Ein Klassiker ist Levitikus: "Du darfst nicht mit einem Mann schlafen, wie man mit einer Frau schläft; das wäre ein Gräuel." (Lev 18,22) Eine Begründung liefert die Bibel dabei jedoch nicht.

"Was da verurteilt wird, hat mit der heutigen Lebenssituation nichts zu tun", fasst Oberkirchenrat Matthias Kreplin das Ergebnis der Synodendiskussion zusammen. Denn zur Zeit des Alten und Neuen Testaments gab es keine homosexuellen Partnerschaften auf Augenhöhe und in gegenseitiger Verantwortlichkeit. Sie waren in der Regel eher Ausdruck der Abhängigkeit, Unterwerfung und Ausnutzung – wenn sich etwa ältere Männer im antiken Griechenland mit deutlich jüngeren Heranwachsenden einließen. Zudem war gleichgeschlechtliche Sexualität Teil von heidnischen Kulten, von denen sich das Judentum absetzen wollte. Auf diese Formen von Homosexualität zielt der biblische Kommentar ab – so der theologisch heute verbreitete Befund.

Die Bibel ernst nehmen

Kreplin gibt auch zu bedenken: "Wir wollten die Bibel ernst nehmen – und deshalb vom Geist der ganzen Bibel her argumentieren." Dabei stellten die Synodalen zwei Leitlinien heraus, die sich durch die gesamte Bibel ziehen: Auf der einen Seite werden Menschen generell in der Bibel eher integriert als ausgegrenzt, andererseits prägt die gesamt Heilige Schrift die Prämisse: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" – die übrigens ebenfalls aus Levitikus stammt (Lev 19,18). Außerdem gebe es auch andere Anweisungen aus der Bibel, die heute nicht mehr vertreten würden, so Kreplin. "Man denke alleine an Sklaverei, die in der Bibel nie hinterfragt wird. Trotzdem finden wir heute, dass das dem Glauben widerspricht." Die Badische Kirche setzte dann direkt auf die Trauung für alle und verzichtete auf eine Unterscheidung. "Liturgisch hat uns nicht eingeleuchtet, was da der Unterschied sein soll."

Bild: ©KNA / P.Razzo/CIRIC

In der evangelischen Kirche sind Segnungen homosexueller Paare oft Alltag – wie hier in der evangelisch-lutherischen Kirche Bon Secours in Paris.

Etwas anders entschieden hat sich eine Kirche ganz in der Nähe: Die Landeskirche in Bayern. Auch dort kamen die möglichen Segensfeiern für homosexuelle Paare auf die Tagesordnung der Synode, es wurden Bibelstellen gewälzt und ein Blick auf die Handhabe in anderen Kirchen geworfen. Am Ende stand die Entscheidung: Es soll Segensfeiern geben. "Theologisch ist die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare genau das gleiche wie eine Trauung heterosexueller Paare, es ist nur ein anderer Begriff", stellt Oberkirchenrat Michael Martin fest. Die begriffliche Unterscheidung soll ein Zugeständnis an konservative Mitglieder sein, die sich mit dem Gedanken der Trauung für alle nicht so recht anfreunden konnten.

Liturgisch genießen evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer große Freiheit. Eine Formpflicht bei der Gottesdienstfeier von Kasualien wie in der katholischen Welt gibt es dort nicht. In Bayern lehnen sich die Vorschläge für liturgische Bausteine bei den Segensfeiern an jene an, die für Trauungen und Gottesdienste anlässlich von Eheschließungen für religionsverschiedene Ehepaare eingeführt sind. Wichtig ist hier noch zu bemerken: In der evangelischen Kirche gibt es keine Trauung im engeren Sinn. Nach Luthers Wort "Die Ehe ist ein weltlich Ding" sind alle evangelischen "Trauungen" Segensfeiern, die nach der Eheschließung auf dem Standesamt stattfinden. Einen sakramentalen Charakter haben sie nicht.

(Fast) die gleichen Voraussetzungen für alle

Bei allen Paaren gelten jedoch gewisse Voraussetzungen für den Trauungsgottesdienst: Sie müssen standesamtlich verheiratet sein, das gilt als Beleg für die angestrebte Dauerhaftigkeit der Beziehung. Außerdem muss ein Ehepartner Kirchenmitglied sein. Für gleichgeschlechtliche Paare gilt noch ein Zusatzpassus: Pfarrerinnen und Pfarrer können die Feier aus Gewissensgründen ablehnen. In diesem Fall muss an einen anderen Pfarrer oder eine andere Pfarrerin verwiesen werden, der oder die die Segnung durchführt.

Die Situation in der katholischen Kirche ist dagegen eine vollkommen andere. Der Katechismus hält zwar fest, dass Homosexuellen "mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen" ist (KKK 2358). Mit Blick auf die Auslebung der Sexualität – die nach katholischem Verständnis der Ehe vorbehalten ist – wandelt sich jedoch der Ton: In der 1975 veröffentlichten Erklärung "persona humana" bezeichnete die vatikanische Glaubenskongregation homosexuelle Handlungen als "in sich nicht in Ordnung". Sie könnten "keinesfalls in irgendeiner Weise gutgeheißen werden". Eine ähnliche Formulierung steht bis heute im Katechismus. Der Ursprung dieser Haltung kommt aus der Schöpfungsgeschichte der Genesis: In den Personen Adam und Eva zeigt sich die ursprüngliche Ordnung in der Zweigeschlechtlichkeit des Menschen. Demzufolge lebt die Verbindung von zwei Menschen durch die Ergänzung der beiden unterschiedlichen Geschlechter, das schließt die Fortpflanzung ganz fundamental mit ein. Die katholische Kirche argumentiert also mit einem Rückgriff auf eine Art Naturgesetz. Für Homosexuelle scheint da kein Platz zu bleiben.

Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Als erster Bischof in Deutschland sprach sich Franz-Josef Bode (Osnabrück) dafür aus, über eine Segnung Homosexueller nachdenken zu wollen.

Dennoch gibt es auch in der katholischen Kirche teilweise ein Umdenken. Immer mehr katholische Theologen in Deutschland argumentieren wie Oberkirchenrat Kreplin. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) spricht sich seit Längerem für Segensfeiern aus. Und auch auf Bistumsebene gibt es Bewegung. Als erster Bischof in Deutschland sprach sich Franz-Josef Bode (Osnabrück) dafür aus, über eine Segnung Homosexueller nachdenken zu wollen. "Schweigen und Tabuisieren führt nicht weiter und verunsichert", sagte er Anfang vergangenen Jahres. Gleichzeitig ist ihm wichtig, den Unterschied zum Ehesakrament deutlich herauszustellen.

Der Münchner Erzbischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hält Segnungsfeiern ebenfalls für möglich. Priester müssten die Situation der einzelnen Menschen ernstnehmen und sie seelsorglich begleiten. "Da muss man auch ermutigen dazu, dass die Priester und Seelsorger den Menschen in den konkreten Situationen auch einen Zuspruch geben." Er sehe "da eigentlich keine Probleme", so Marx im Februar 2018. Doch es gibt auch die andere Seite: Dem Jesuiten Ansgar Wucherpfennig brachten seine positiven Aussagen zu Segensfeiern für homosexuelle Paare Ärger mit dem Vatikan ein. Zuletzt meldete sich Mitte August der emeritierte Münsteraner Weihbischof Dieter Geerlings zu Wort und befand, "dass die Kirche gleichgeschlechtliche Partnerschaften segnen kann". Dagegen sagte der Limburger Bischof Georg Bätzing eine Woche später, solche Segensfeiern seien im Moment nicht möglich, da sie der Haltung der Kirche widersprächen und er eine Spaltung der Kirche befürchte. Erst am Dienstag sprachen sich die Bischöfe Bode und Stefan Heße (Hamburg) für einen offeneren Umgang der Kirche mit Homosexuellen aus.

Stephan Loos und Georg Trettin denken schon länger über dieses Thema nach. Der Direktor der Katholischen Akademie Hamburg und der Diplomtheologe und Korrektor haben mit der Akademie des Bistums Osnabrück und anderen eine Tagung über den Umgang der Kirche gleichgeschlechtlichen Paaren organisiert und jetzt einen daraus entstandenen Sammelband über die Möglichkeiten von Segnungsfeiern für diese Paare herausgebracht. Sie setzen dabei auf die pastorale Entschiedenheit zum Wandel: Denn durch wissenschaftliche Erkenntnisse müsse man das Naturrechtsbild der Kirche durchaus hinterfragen. "Hier ist die katholische Sexuallehre in ihrer Plausibilität in hohem Maße fragwürdig", sagt Loos. Sie wollen durch den Dialog zwischen Kirchenvertretern, Lesben und Schwulen Perspektiven erarbeiten. Das alles ist noch sehr unkonkret. Doch ein paar Hinweise kamen in Tagung und Buch bereits ans Licht.

Der Schlüssel: Ein Absatz im Benediktionale

Wer etwas über Segensfeiern wissen möchte, schlägt das Benediktionale auf, das allerhand Segensfeiern in ihrem liturgischen Aufbau erläutert: Vom Segen für Johanniswein und Urlauber über Berghütten bis hin zu Wasserreinigungsanlangen ist hier viel zu finden. Auch für Segensfeiern in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen stehen dort Anweisungen. Alles kann jedoch nicht abgedeckt werden. Deshalb steht in der Einführung unter Punkt 36: "Wird eine Segnung erbeten, die nicht im Benediktionale enthalten ist, kann man eine ähnliche auswählen und an die Situation anpassen oder entsprechend den dargelegten Grundsätzen eine Segnungsfeier zusammenstellen."

Bild: ©KNA

Loos und Trettin sehen in den Bestimmungen des Benediktionale eine "Grauzone", in der in Einzelfällen ein konkreter Seelsorger für ein konkretes Paar, das bei ihm um Segen bittet, eine Feier abhält.

Hier sehen die beiden Theologen eine "Grauzone", in der in Einzelfällen ein konkreter Seelsorger für ein konkretes Paar, das bei ihm um Segen bittet, eine Feier abhält. Die kann ganz unterschiedlich aussehen: Vom privaten Rahmen bis zum öffentlich in der Kirche gefeierten Gottesdienst war in den vergangenen Jahrzehnten schon alles dabei. Das Problem: Es hängt vom einzelnen Seelsorger ab. "Man kann Glück haben, man kann aber auch Pech haben. Das ist eine Willkürsituation", beklagt Trettin. Er betont aber auch, wie zentral die Stellung des Segens ist – als Geschenk Gottes an die Menschen. "Wie kann ein Pfarrer sich das Recht herausnehmen, einem Paar den Segen zu verweigern? Ist das nicht eine Sünde wider den heiligen Geist?"

Um aus dieser Willkürsituation herauszukommen, gibt es laut Loos durchaus Möglichkeiten innerhalb des derzeitigen Kirchenrechts. "Ein Ortsbischof kann unter bestimmten Bedingungen Normen für den Bereich der Liturgie erlassen, zu denen auch Segensfeiern zählen können." In einem solchen Fall wäre es nicht notwendig, das Kirchenrecht zu ändern. Der betreffende Priester könnte dann sicher sein, dass die Feier für ihn keine dienstrechtlichen Konsequenzen hat – wegen dieser Sorge vieler Priester oder Drohungen von Bistümern sind schon viele Segensfeiern geplatzt. Denn wie Bischöfe mit Priestern umgehen, die gleichgeschlechtliche Paare segnen wollen, liegt vollkommen in deren Ermessen – von der Versetzung oder Suspendierung bis zum stillen Einverständnis ist alles möglich.

Loos und Trettin hoffen auf den von der Deutschen Bischofskonferenz auf den Weg gebrachten "synodalen Weg". "Papst Franziskus hat bestimmte Fragestellungen und Konflikte schon wieder in die Regionen zurückgespielt, aus denen sie kommen – ganz im Sinne seiner pastoralen Grundeinstellung", sagt Trettin. Er kann sich deshalb vorstellen, dass in diesem pastoralen Rahmen Lösungen gefunden werden können. Er wehrt sich jedoch dagegen, gleich zu dogmatisch zu denken und in erster Linie neue weltweite Regeln aufzustellen: "Es geht erstmal um die Menschen und nicht um die Lehre", findet er.

Von Christoph Paul Hartmann

Buchtipp

"Mit dem Segen der Kirche? Gleichgeschlechtliche Partnerschaft im Fokus der Pastoral" Herder 2019, 208 Seiten.