Mediziner schlägt Geistliche als Suizidhelfer vor

Der Mediziner Eckhard Nagel hat Geistliche als Helfer beim assistierten Suizid vorgeschlagen. Diese seien "geschichtlich gesehen schon immer zuständig für das Geleit über die irdische Lebensschwelle hinweg" gewesen, sagte Nagel in einem Interview mit dem ökumenischen Verein "Andere Zeiten". Abgedruckt ist das Gespräch in einem Heft der Organisation zu den Themen Tod, Trauer und Trost, das am vergangenen Wochenende erschienen ist. Als weitere Berufsgruppe brachte Nagel Juristen ins Spiel, weil sie "auch ansonsten in strittigen Fragen über Weiterbehandlung oder Behandlungsstopp mitentscheiden sollen". Nagel ist Professor für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bayreuth. Von 2008 bis 2016 war er Mitglied des Deutschen Ethikrates.
Es sei ein Fortschritt, dass inzwischen die Verantwortung für den eigenen Körper in der Verantwortung jedes Einzelnen läge, so der Mediziner weiter. "Dazu gehört auch die Möglichkeit, sich das Leben zu nehmen." Eine Mitwirkung von Ärzten bei einem Suizid lehnt er dabei strikt ab, da diese dem Lebenserhalt verpflichtet seien. "Dass Tötungsdelikte Teil des ärztlichen Behandlungsauftrags werden sollen, halte ich für völlig irre und eine grauenhafte Vorstellung", sagte Nagel.
"Historisch und in der Sache abenteuerlich"
Laut Franz-Josef Bormann, Professor für Moraltheologie an der Universität Tübingen und Mitglied des Deutschen Ethikrates, ist eine Suizidassistenz von Geistlichen "völlig abwegig". "Das Geleit über die Lebensschwelle so auszudeuten, dass das auch eine Beihilfe zum Suizid umfassen könnte, halte ich historisch und in der Sache für abenteuerlich", sagte Bormann auf katholisch.de-Anfrage. Alle drei großen Weltreligionen, darunter das Christentum, lehnten die Suizidassistenz ab. Eine umfassende Sterbebegleitung sei zwar "christliche und menschliche Pflicht"; dazu gehöre auch, dass sich Seelsorger mit dem Sterbewunsch von Schwerkranken auseinandersetzten. "Das darf aber nicht die Grenze zur Suizidassistenz überschreiten", betont der Moraltheologe. Gleichzeitig sieht er auch bei Juristen keine Kompetenz als Suizidbeihelfer gegeben. "Sie könnten höchstens versuchen, die Rechtsfolgen einer solchen Handlung für die Betroffenen abzumildern oder Freiheitsspielräume auszuloten", so Bormann.
Bei einem assistierten Suizid nimmt der Sterbewillige selbstständig eine Substanz zur Selbsttötung ein, die ihm von einer anderen Person zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt wurde. In Deutschland ist die Beihilfe zur Selbsttötung grundsätzlich nicht strafbar, außer im Falle einer geschäftsmäßigen Förderung. Seit Dezember 2015 ahndet Strafrechtsparagraf 217 die auf Wiederholung angelegte Hilfe bei der Selbsttötung mit bis zu drei Jahren Gefängnis. Sterbehilfe-Vereine, Einzelpersonen und Ärzte haben beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde dagegen eingelegt, weil sie im Grundgesetz zugesicherte Rechte wie beispielsweise die Berufsfreiheit und das Persönlichkeitsrecht verletzt sehen. Die Karlsruher Richter arbeiten aktuell an einem Urteil. (mal)