Was Kirchenversammlungen dürfen und wie sie funktionieren

Konzil, Synode, "synodaler Weg": Das sind die Unterschiede

Veröffentlicht am 02.10.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Durch die Amazonas-Synode und den "synodalen Weg" sind kirchliche Versammlungen in den Fokus geraten. Katholisch.de erklärt, welche Formen das Kirchenrecht vorsieht, wie diese funktionieren – und warum eine Synode nicht dasselbe wie ein Konzil ist.

  • Teilen:

Mit der Amazonas-Synode im Vatikan und dem "synodalen Weg" in Deutschland stehen zwei Ereignisse in der Kirche bevor, die bereits im Vorfeld für Kontroversen sorgen. Während Kritiker beim Bischofstreffen in Rom die Preisgabe des Zölibats befürchten, machen sich beim angedachten deutschen Reformprozess die Vorbehalte daran fest, dass er nicht in Form eines Nationalkonzils abgehalten wird. Wie eine Bischofssynode sieht das Kirchenrecht nämlich auch ein Nationalkonzil als Versammlungsart vor. Dabeben gibt es aber noch weitere Formen. Sie zeichnen sich alle durch eine unterschiedliche Verbindlichkeit aus.

Das "Gipfeltreffen" in der katholischen Kirche ist das Ökumenische Konzil. Zu ihm kommen die Bischöfe aus aller Welt zusammen, um gemeinsam mit dem Papst über Fragen zu beraten, die die ganze Kirche betreffen. Das Ökumenische Konzil hat zusammen mit dem Papst die höchste Lehrautorität und ist das höchste Entscheidungsorgan in der Kirche. Mit ihm übt das Kollegium der Bischöfe laut Kirchenrecht seine Funktion als "Träger höchster und voller Gewalt in Hinblick auf die Gesamtkirche" aus. Neben den Bischöfen nehmen meist auch Experten und Beobachter an Konzilen teil – diese verfügen allerdings über kein Stimmrecht.

Obwohl die Oberhirten auf Konzilien relativ frei und offen diskutieren dürfen, ist es keine parlamentarische Versammlung, bei der es um Mehrheiten geht. Stattdessen gilt der Grundsatz: Ohne Papst kein Konzil. Ihm allein obliegt das Recht auf Einberufung; am Ende muss auch er den Beschlüssen zustimmen. Selbst, wenn alle Bischöfe sich für Neuerungen aussprechen – wenn der Papst sein Ja verweigert, werden sie nicht umgesetzt.

Mit Kardinälen voll besetztes Kirchenschiff
Bild: ©KNA

Das Zweite Vatikanischen Konzil ist das bislang letzte Ökumenische Konzil der Kirche.

Das Vorbild für die Konzilien ist das "Apostelkonzil" im Neuen Testament (Apg 15). Damals berieten die Jünger Jesu über die Frage der Heidenmission. Umstritten war, ob Nicht-Juden sich erst beschneiden lassen müssen, um Christen werden zu können. Die Apostel beschlossen schließlich, dass dies nicht nötig sei. Doch trotz dieser entscheidenden Weichenstellung zählt das Apostelkonzil nicht zu den Ökumenischen Konzilien. Die katholische Kirche zählt bisher 21 davon. Das Letzte, das Zweite Vatikanische Konzil, fand von 1962 bis 1965 statt. Wegen des enormen Aufwands und der grundsätzlichen Bedeutung sind Ökumenische Konzilien selten. Im Schnitt finden sie nur etwa alle 100 Jahre statt.

Wesentlich öfter findet dagegen eine Bischofssynode statt – allerdings erst seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, auf das die Einrichtung dieses Organs zurückgeht. Sie ist ein Beratungsgremium des Papstes und soll ihn bei seinen Leitungsaufgaben unterstützen. Das Kirchenoberhaupt ruft es dann zusammen, wenn es in einer bestimmten Frage den Rat der Bischöfe sucht. In der Regel findet eine Bischofssynode alle drei Jahre statt. Daneben gibt es auch Sondersynoden zur Lage der Kirche in einzelnen Regionen. Beispiel dafür ist die kurz bevorstehende Amazonas-Synode, die über die Zukunft der Pastoral im südamerikanischen Regenwald beraten soll.

Bis zu 400 Teilnehmer

Je nach Thema werden Bischöfe aus aller Welt nach einem bestimmten Schlüssel oder nur Bischöfe aus einer bestimmten Region der Weltkirche zusammengerufen. Der Papst nimmt selbst an den Beratungen teil. Außerdem kann er weitere Mitglieder ernennen; diese müssen keine Bischöfe sein. Zudem werden Experten, auch Laien, sowie Beobachter unterschiedlicher Organisationen, Konfessionen und Glaubensgemeinschaften eingeladen. Diese haben allerdings nur eingeschränktes Rederecht. Insgesamt zählt eine Synode 250 bis 400 Teilnehmer.

Das Ergebnis der Beratungen liegt wiederum ganz in der Hand des Papstes. Er kann die Vorschläge umsetzten – er kann aber auch gegen den Rat einer Mehrheit agieren. "Der Ratschlag hat zwar sicher Gewicht, aber keine Verbindlichkeit", sagt Georg Bier, Professor für Kirchenrecht an der Universität Freiburg. Im Anschluss an die Bischofssynode verfasst der Papst ein Schlussdokument, das sogenannte "Nachsynodale Apostolische Schreiben", in dem er das Ergebnis der Beratungen aufgreift. In der Regel dauert es allerdings eine gewisse Zeit, bis dies veröffentlicht wird.

Franziskus während der Jugendsynode im Vatikan.
Bild: ©picture alliance/AP Photo/Fabio Frustaci

Franziskus während der Jugendsynode im Oktober 2018 im Vatikan.

Die Begriffe "Konzil" und "Synode" werden gerne als Synonyme verwendet. Sprachlich ist das nicht falsch, bedeuten beide Wörter doch so viel wie "Versammlung". Im kirchenrechtlichen Sinn bezeichnen "Konzil" und "Synode" allerdings zwei unterschiedliche Arten der Versammlung: Während ersteres ein Beschlussgremium ist, handelt es sich bei letzterem um ein Beratungsorgan.

Kirchliche Versammlungen gibt es allerdings nicht nur auf weltkirchlicher Ebene. Das Kirchenrecht räumt auch die Möglichkeit ein, auf teilkirchlicher Ebene Konzilien abzuhalten, sogenannte Partikularkonzilien. Findet es auf dem Gebiet einer Bischofskonferenz statt, spricht man von einem Plenarkonzil – umgangssprachlich heißt es auch Nationalkonzil. Auf der Ebene einer Kirchenprovinz nennt man es Provinzialkonzil.

Vatikan muss grünes Licht geben

Ein Partikularkonzil ist grundsätzlich – wie das Ökumenischen Konzil auch – eine Bischofsversammlung. Das bedeutet, dass es sich dabei um ein Beschlussgremium handelt. Weitere "ordentliche Mitglieder" sind beispielsweise die Generalvikare, Rektoren der Priesterseminare oder Ordensobere. Zusätzlich können Berater, Experten und Beobachter hinzugezogen werden; diese verfügen allerdings, genau wie die nicht-bischöflichen "ordentlichen Mitglieder", nur über "beratendes Stimmrecht". Um ein Plenarkonzil einzuberufen, müssen sich die Bischöfe einer Bischofskonferenz beziehungsweise einer Kirchenprovinz darauf verständigen. Dann fragen sie beim Apostolischen Stuhl an, der dem Vorhaben zustimmen muss.

Die Durchführung eines Plenarkonzils ist Sache der Bischofskonferenz. Sie allein entscheidet über Beginn und Abschluss des Konzils. Ferner erlässt sie die Konzilsordnung, die die Geschäftsordnung, das außerordentliche Teilnahmerecht und das Gastrecht regelt. Aus den Reihen der Bischofskonferenz wird ein Konzilspräsident gewählt – dieser muss von Rom bestätigt werden. Wenn das Partikularkonzil zu Ende ist, gehen die Akten an den Apostolischen Stuhl, der sie seinerseits approbieren muss.

Ein Mann nimmt den Codex des kanonischen Rechts aus einem Regal.
Bild: ©katholisch.de

Das Kirchenrecht sieht verschiedene kirchliche Versammlungen vor. Sie haben entweder beschließenden oder beratenden Charakter.

Grundsätzlich ist ein Partikularkonzil relativ uneingeschränkt für alle pastoralen Erfordernisse zuständig, um die es in der jeweiligen Region geht. Einziger Vorbehalt: Das Ganze muss kompatibel mit der kirchlichen Lehre sein. Seine Bestimmungskompetenzen reichen aber relativ weit. Bier hält es beispielsweise nicht für undenkbar, dass ein Partikularkonzil einen Vorstoß in Sachen "viri probati" wagt. "Der Zölibat ist ja keine unumstößliche Vorgabe, sondern disziplinärer Natur", betont der Kirchenrechtler. Katholische Priester, die verheiratet sind, gibt es bereits – etwa in den unierten Ostkirchen oder solche, die früher evangelische Pastoren waren und konvertiert sind. Wenn es diesbezüglich ein eindeutiges Votum unter den Bischöfen gibt, könnte der Apostolische Stuhl diese Möglichkeit einräumen – zunächst für eine gewisse Probezeit. Doch es gilt: Jeder Diözesanbischof muss dann selbst entscheiden, ob er das umsetzt.

Auch in den einzelnen Diözese sieht das Kirchenrecht eine Versammlung vor: die sogenannte Diözesansynode. Hier beruft der Ortsbischof Priester und Laien ein, um sich in pastoralen Fragen ihren Rat einzuholen – beinahe wie der Papst bei einer Bischofsynode. Jeder Bischof kann jederzeit eine solche Versammlung auf Bistumsebene einberufen. Faktisch spielen Diözesansynoden in der ortskirchlichen Realität jedoch kaum eine Rolle. In Deutschland gab es in der Vergangenheit zwar ähnliche Versammlungen, diese hatten allerdings andere Titel und andere Strukturen. "Die Bischöfe tun dies deshalb, weil sie die kirchenrechtlichen Vorgaben für eine Diözesansynode nicht unbedingt einhalten wollen", glaubt Georg Bier. Stattdessen greifen sie eher auf unverbindlichere Beratungsgremien zurück.

Mit dem "synodalen Weg", der voraussichtlich am ersten Advent beginnt, will die Kirche in Deutschland einen neuen Pfad in Sachen kirchlicher Versammlung beschreiten. Dieser soll außerhalb der bislang bekannten Strukturen eingerichtet werden, damit die Teilnehmer unabhängig in der Diskussion der Themen sind. Doch ohnehin werden dessen Beschlüsse eher als Empfehlungen aufzufassen sein, vermutet Bier. Je mehr Leute hinter diesen Voten stehen, umso höhere moralische Verbindlichkeit haben sie, ist er zwar überzeugt. "Aber auch eine noch so hohe Zustimmungsquote genügt nicht, um einen Bischof rechtlich verbindlich dazu zu bringen, sie umzusetzen. Rechtswirkung erlangen die Voten nur durch die Inkraftsetzung der einzelnen Bischöfe. Das widerstrebe zwar dem demokratisch geprägten Verständnis der Gesellschaft – aber so funktioniere die Kirche. "Einen Bischof als hierarchischen Vorsteher in der Kirche zu etwas zu bringen, was er aus seinem Amt heraus für nicht vertretbar hält, ist im katholischen Kontext eher befremdlich."

Von Matthias Altmann