Pater Philipp König über das Sonntagsevangelium

Anfänger im Glauben

Veröffentlicht am 05.10.2019 um 17:45 Uhr – Lesedauer: 
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Frankfurt am Main ‐ Dass ausgerechnet die Jünger ihre Glaubensschwäche so offen zugeben, findet Pater Philipp König sehr menschlich und sympathisch. Warum aber reagiert Jesus so ungehalten? Unser Autor geht der zunächst irritierenden Antwort Jesu nach – und entdeckt ein unerwartetes Geschenk Gottes.

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Impuls von Pater Philipp König

"Wenn ich bloß so glauben könnte wie... – Wenn ich nur so ein Gottvertrauen hätte wie...": Nicht wenige Menschen hadern mit sich selbst und meinen, ihr Glaube sei nicht ausreichend. Ihre Selbstzweifel werden umso größer, wenn sie dann noch anfangen, sich mit anderen zu vergleichen, die – vermeintlich – als Gläubige gefestigter und vorbildlicher sind. Oft geht es mir ähnlich: Wenn ich etwa auf große Gestalten der Geschichte schaue, die mit ihrer Glaubenskraft Gewaltiges bewirkten. Oder wenn ich Menschen sehe, die heute in ihrem Alltag den Glauben auf beeindruckende Weise leben und bezeugen. Ihnen gegenüber fühle ich mich häufig wie ein blutiger Anfänger im Glauben.

In diesem Zusammenhang finde ich den Blick auf die Apostel immer wieder beruhigend: "Stärke unseren Glauben", bitten sie Jesus einhellig. Sie, die ja bereits eine ganze Weile mit Jesus unterwegs waren, die sozusagen "an der Quelle" sitzen, haben offenbar eine Stärkung ihres Glaubens nötig, ganz so als hätten sie eben erst damit begonnen, an Jesus zu glauben. Eigentlich sehr menschlich und ziemlich sympathisch, das so unumwunden zuzugeben. Wenn es nun schon den Jüngern so ging, dass sie Schwierigkeiten mit ihrem zu schwachen Glauben hatten, warum sollte ich es dann heute leichter haben?

Die Reaktion Jesu auf die Bitte der Apostel fällt dann wiederum gar nicht so beruhigend aus. Im Gegenteil! Anstatt seinen Jüngern Mut zu machen, wird Jesus ungehalten und wäscht ihnen gehörig den Kopf: "Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn..." Die Bilder vom Senfkorn und vom Maulbeerbaum, der sich entwurzelt und ins Meer verpflanzt, irritieren und sollen provozieren.

Jesus will hier offenbar eines klarstellen: Es kommt nicht darauf an, wie groß oder klein, wie stark oder schwach mein Glaube ist. Es bringt auch nichts, in einen irgendwie gearteten "Wettbewerb" einzusteigen, wer denn nun den größten Glauben hat. Überhaupt: Wie wollte man den Glauben eines Menschen messen oder gar berechnen? Allein der Gedanke wäre absurd! Vielmehr kommt es für Jesus darauf an, ganz auf die Kraft meines Glauben zu vertrauen – so schwach und anfanghaft er mir auch erscheinen mag! Es geht darum, von dem kleinen Glauben Großes zu erwarten. Keine Stufenleiter im Glauben, sondern die Frage: "Glauben - ja oder nein?"

Im folgenden Bild vom unnützen Knecht macht Jesus deutlich, worin der Glaube vor allem besteht. Der Vergleich aus der Sklavenhaltung mag für uns kaum zu ertragen sein: "Wir sind unnütze Knechte; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan." Sklaven hatten keinerlei Rechte und waren vollkommen von ihrem Herrn abhängig. Man würde Jesus sicherlich grob missverstehen, wenn man diesen drastischen Vergleich etwa als Rechtfertigung ausbeuterischer oder menschenunwürdiger Verhältnisse interpretieren würde. Das gibt das Gleichnis nicht her. Wohl aber klingt hier an, worum es Jesus unmissverständlich geht, nämlich um die unbedingte Bindung an Gott, dem ich voll angehöre und dem ich ganz vertrauen kann. So wie ein Sklave an seinen Herrn gebunden ist, so können wir eine tiefe Verbindung mit Gott eingehen, der uns trägt und bewahrt. Genau das bedeutet im Übrigen auch der Begriff "Religion" vom ursprünglichen Wortsinn her: "re-ligare", lat. "rück-binden".

Das Bild vom unnützen Sklaven mag uns vor den Kopf stoßen. Gleichzeitig bewahrt es aber auch vor jeglicher Form von Hochmut aufgrund des Glaubens, denn wir bleiben immer Anfänger im Glauben. Zuallererst ist der Glaube nämlich Geschenk und Gnade! Schon deshalb kann sich niemand darauf etwas einbilden.

Es stimmt: "Wir sind nur unnütze Sklaven", die keinen Anspruch auf besondere Behandlung einfordern können. Umso schöner ist es, wenn man dazuliest, wie an einer anderen Stelle im Lukasevangelium das Verhältnis zwischen Sklaven und ihrem Herrn beschrieben wird, der nach Hause zurück kommt. Da heißt es: "Er (der Herr) wird sich gürten, sie (die Knechte) am Tisch Platz nehmen lassen und sie der Reihe nach bedienen" (Lk 12,37).

Von P. Philipp König OP

Aus dem Evangelium nach Lukas (Lk 17,5-10)

In jener Zeit baten die Apostel den Herrn: Stärke unseren Glauben! Der Herr erwiderte: Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Entwurzle dich und verpflanz dich ins Meer! und er würde euch gehorchen.

Wenn einer von euch einen Knecht hat, der pflügt oder das Vieh hütet, wird er etwa zu ihm, wenn er vom Feld kommt, sagen: Komm gleich her und begib dich zu Tisch?

Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Mach mir etwas zu essen, gürte dich und bediene mich, bis ich gegessen und getrunken habe; danach kannst auch du essen und trinken. Bedankt er sich etwa bei dem Knecht, weil er getan hat, was ihm befohlen wurde?

So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Knechte; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.

Der Autor

Pater Philipp König gehört dem Dominikanerorden an und arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Patristik und Antikes Christentum an der Hochschule St. Georgen in Frankfurt/Main. Außerdem ist er als Postulatsleiter in der Ordensausbildung tätig.

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