Blog: Aus der Aula der Amazonas-Synode – Teil 5

"Wir müssen jetzt handeln – für eine zukunftsfähige Kirche"

Veröffentlicht am 19.10.2019 um 12:01 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Wenn am Montag bei der Amazonas-Synode die erste Version des Schlussdokuments vorgestellt wird, will Pater Michael Heinz die Unruhe der Indigenen und der Jugendlichen in aller Welt mit in die Synodenaula nehmen. Für ihn ist klar: Die Kirche muss jetzt handeln – für eine ganzheitliche Ökologie und für eine zukunftsfähige Kirche.

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Freitag. Ich merke, dieser Tag hat inzwischen seine ganz eigene Bedeutung. Dafür haben die vielen Schülerinnen und Schüler gesorgt, die angesteckt von Greta Thunberg Freitag für Freitag auf die Straße gehen. Sie fordern von uns, endlich zu handeln. Wir sollen die Erkenntnisse der Klimawissenschaftler ernst nehmen und unser Verhalten ändern. Viel zu viel Zeit sei ungenutzt verstrichen, weil die Bequemlichkeit gesiegt hat. Sie stellen uns die Frage: Was bleibt von unserem Planeten, von der guten Schöpfung Gottes für uns noch übrig?

Während die Jugendlichen wieder demonstrieren, habe ich bei der Synode heute Zeit. Die Arbeit in den Kleingruppen und dem Plenum ruht. Wir können die vatikanischen Gärten erleben. Ich besuche meine Mitbrüder; José Boeing – einer der 40 Steyler aus dem brasilianischen Amzonasgebiet und Französisch Guyana – und ich berichten dem obersten Leitungsteam der Steyler. Eine Kirche, die in vielen Ländern und vielen Kulturen zuhause ist, das leben wir bereits, gerade wenn wir an einem Ort wie Rom zusammenkommen. Insgeheim kommt mir der Gedanke: Von den praktischen Erfahrungen könnte man in der vatikanischen Synodenaula einiges lernen. Tatsächlich kommt in mir nach fast zwei Wochen Synode Unruhe auf. Wie die "Fridays for Future"-Jugendlichen denke ich: Jetzt müssen wir endlich handeln!

Wir haben keine Zeit mehr. Das sagen uns auch unsere indigenen Adveniat-Projektpartner. Im brasilianischen Regenwald hat sich die Fläche der Abholzung im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Die rücksichtslose Ausbeutung von Rohstoffen, gigantische Infrastrukturprojekte sowie riesige Weideflächen, Soja-, Zuckerrohr- und Palmölplantagen zerstören die Lebenswelt Indigener. Am Amazonas bündeln sich die – für andere Kulturen und die kommenden Generationen tödlichen – Folgen unserer Art zu leben und zu wirtschaften. Deshalb muss ganz dringend eine neue soziale und solidarische Art des Wirtschaftens und eine Landwirtschaft im Einklang mit der Natur und den Menschen auf den Weg gebracht werden. Die Unternehmen sind auf verbindliche weltweit geltende Sozial- und Umweltstandards zu verpflichten, deren Basis die für alle geltenden Menschenrechte sind. Darüber hinaus müssen internationale Abkommen zum Schutz der indigenen Völker, ihrer Rechte und Lebenswelten von den Staaten nicht nur verabschiedet, sondern auch ratifiziert werden.

Wir vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat engagieren uns deshalb mit anderem dafür, dass der deutsche Bundestag die Konvention Nummer 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ratifiziert. Denn es handelt sich um das einzige internationale Instrument, das die Rechte, Territorien und Kulturen der indigenen Völker schützt, wenn auf ihrem Gebiet zum Beispiel Rohstoffe abgebaut werden sollen. Die Forderung der Ratifizierung der ILO 169 habe ich auch mehrfach in der Synodalaula gehört. Ein Sprichwort, das Dom Helder Camara zugeschrieben wird, sagt: Viele kleine Menschen, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern ... Zeit zu handeln!

Wer sich im Netz die Welt von oben anschaut, sieht sofort, dass die unberührten Gebiete am Amazonas häufig mit der Fläche der indigenen Schutzgebiete identisch sind. Daran zeigt sich, sie schützen mit ihrer Art zu leben Umwelt und Natur. Wir müssen auf sie hören, von ihnen lernen, genauso wie auf die Jugendlichen, die den Schutz des Planeten einfordern.

Wenn am Montag die erste Version des Schlussdokuments vorgestellt wird und in den darauffolgenden Tagen in den Kleingruppen und der Synodenaula diskutiert wird, nehme ich die Unruhe der Indigenen und der Jugendlichen mit. Wir müssen jetzt handeln: Für eine ganzheitliche und zukunftsfähige Ökologie und für eine zukunftsfähige Kirche, die mit der Wertschätzung von Frauen und sogenannten Laien ernstmacht, sie zu Dienstämtern in der Kirche zulässt. Der französische Theologe Yves Congar hat schon in den 1950er-Jahren festgestellt, dass Reformen von der Peripherie kommen und im Zentrum dann bestätigt werden – so wie es einer der Sprecher einfach ausdrückte: "Es ist einfacher um Verzeihung zu bitten, als um Erlaubnis". Die Vorschläge zur Amazonien-Synode sind von der Peripherie gekommen, höchste Zeit, sie im Zentrum zu bestätigen.

Von Pater Michael Heinz SVD

Der Autor

Pater Michael Heinz SVD ist Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat.