Hoffnung auf "heilsame Verunsicherung" durch Pandemie

Voderholzer: Corona-Sicherheitsmaßnahmen nicht antikirchlich motiviert

Veröffentlicht am 29.05.2020 um 10:03 Uhr – Lesedauer: 

Regensburg ‐ Kein vorauseilender Gehorsam: Im Gegenteil – die Kirche habe wie die ganze Gesellschaft nicht früh genug auf die Corona-Pandemie reagiert, sagt der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer. Eine "Stunde der Synode" sieht er aber nicht gekommen.

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Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer sieht die staatlich verordneten Beschränkungen für das kirchliche Leben während der Corona-Krise nicht als "kirchenfeindlich". In einem am Mittwoch von der Priesterbruderschaft St. Petrus veröffentlichten Interview nannte er die Sicherheitsmaßnahmen "schlicht notwendig" und ein "von Vernunft und christlicher Nächstenliebe auferlegtes Gebot der Stunde".

Dabei wandte er sich auch dagegen, dass die Bischöfe "vorauseilend" das sakramentale Leben eingeschränkt hätten. Vom heutigen Kenntnisstand aus bewerte er die kirchlichen Reaktionen sogar als "zu wenig vorauseilend": Nach der Ausrufung des internationalen Gesundheitsnotstands durch die Weltgesundheitsorganisation WHO Ende Januar seien noch "sechs Wochen aus heutiger Sicht leichtsinniger Sorglosigkeit" vergangen. Das "gute Verhältnis" zwischen Staat und Kirche sieht Voderholzer durch die Vorgänge nicht in Frage gestellt. Sowohl in der Phase der staatlichen Beschränkungen wie bei ihrer schrittweisen Lockerung habe es einen ständigen Austausch zwischen der bayerischen Staatsregierung und dem Katholischen Büro gegeben, das die Kontakte der Kirche zur Politik bündelt.

Mangelnde Systemrelevanz als heilsame Erfahrung für die Kirche

Dass die Kirche von der Politik im Krisenmanagement nicht notwendig als "systemrelevant" betrachtet werde, stört den Bischof nicht: Im Gegenteil könne diese Erfahrung auch "heilsam" sein: "Denn es zeigt sich, dass die Kirche ihre Sendung und ihr Daseinsrecht nicht aus ihrer Funktion bezieht, für ein Staatswesen mehr oder weniger 'systemrelevant' zu sein." Besorgt zeigt Voderholzer sich vielmehr über die Bildung von politischen Mehrheiten "jenseits von grundgesetzlich verankerten Grundüberzeugungen" etwa im Bereich des Ehe-Verständnisses und in Fragen des Lebensschutzes. Hier hofft der Regensburger Bischof auf eine "heilsame Verunsicherung" durch die Krise: Die Rechtsphilosophie der "grenzenlosen Autonomie des Menschen", die sich etwa am Suizidbeihilfe-Urteil des Bundesverfassungsgericht zeige, sei durch die Pandemie an ihre Grenzen gebracht worden.

Eine aufgeschlagene Bibel
Bild: ©katholisch.de/Kilian Martin (Archivbild)

Die "Regensburger Sonntagsbibel" wird von Bischof Rudolf Voderholzer herausgegeben und gehört zum Engagement des Bistums für die Stärkung der Hauskirche.

Voderholzer würdigte das Engagement und den Einfallsreichtum, mit dem Priester und andere Seelsorger auf die Krise reagiert haben. Internet- und Fernsehgottesdienste blieben für ihn aber "nur ein Notbehelf" in "Ausnahmesituationen und Ausnahmezeiten". Ausgezahlt habe sich der langjährige Schwerpunkt seines Bistums, die Hauskirche zu stärken: Hausgottesdienste, die Förderung des Umgangs mit Bibel, Gebet- und Gesangbuch und ein "reiches und tief im Volk verwurzeltes Brauchtum" habe zusammen mit neuen technischen Möglichkeiten "das religiöse und geistliche Leben aufrecht erhalten".

Krise weder Stunde der Parlamente noch Stunde des Synodalen Wegs

Als eine der Folgen der Krise konstatiert der Bischof "eine gewisse Verwesentlichung". Plötzlich trete deutlich zu Tage, worauf es wirklich ankomme: "So ist es auch um den 'Synodalen Weg' ziemlich ruhig geworden." Daher habe die Krise auch nicht "die Stunde der Synode" herbeigeführt, wie in der Politik auch "die Stunde der Regierenden und nicht die der Parlamente" herrsche. Die kirchenpolitischen Fragen seien zurückgetreten, stattdessen bemühten sich alle, "auf ihre Weise das Evangelium zu verkünden und den Gläubigen zu helfen, 'Hauskirche' zu leben". Voderholzer wendet sich dagegen, dass "die Territorialseelsorge abgedankt, das sakramentale Priestertum sich als überflüssig erwiesen und der gesellschaftliche Einfluss der Kirche sich weiter minimiert habe". Dies seien "ganz offenkundig projektionsgesteuerte Urteile". (fxn)