"Wir sind keine schüchternen Mäuse, die alles für den Pfarrer tun"

Warum gibt es immer weniger Pfarrhaushälterinnen? Wie sieht der Alltag als Pfarrhaushälterin eigentlich aus? Und mit welchen Vorurteilen hat der Berufsstand zu kämpfen? Petra Leigers ist Leiterin der Berufsgemeinschaft der Pfarrhaushälterinnen. Im katholisch.de-Interview gibt sie Antworten.
Frage: Frau Leigers, warum gibt es immer weniger Pfarrhaushälterinnen?
Leigers: Bei einer Umfrage in den Jahren 2016 und 2017 haben sich mehrere Gründe herauskristallisiert: Erstens gibt es immer weniger Pfarrer. Zweitens möchten die meisten Priester heutzutage niemanden mehr in Voll-, sondern höchstens in Teilzeit einstellen. Viele Pfarrer verzichten zudem ganz auf Haushälterinnen. Sie sind Männer unserer Zeit, die selbst in der Lage sind, sich zu versorgen. Im Zeitalter von Mikrowelle und Co ist das ohnehin kein Problem. Drittens ist es auch aus Sicht der Frauen nicht unbedingt der attraktivste Beruf...
Frage: Warum nicht?
Leigers: Pfarrhaushälterinnen, die mit im Pfarrhaus leben, haben ihre Hauptarbeitszeit am Samstag, Sonntag und an den Feiertagen. Aber auch sonst sind sie eigentlich immer ansprechbar – und wenn sie nur im Supermarkt einkaufen. Ein weiterer Punkt ist die Bezahlung. Die ist in 19 von 27 Bistümern Verhandlungssache zwischen Priester und Haushälterin, einen Tarifvertrag gibt es nur in Bayern. Oft existiert zwar eine diözesane Empfehlung zum Gehalt und auch der Mindestlohn bietet ja eine Untergrenze. Aber das Gehalt ist im Allgemeinen nicht sehr üppig, zwischen 800 und 1400 Euro netto für eine Vollzeitstelle.
Frage: Wie sieht Ihr Alltag als Pfarrhaushälterin aus?
Leigers: Ich stehe um 05.30 Uhr auf und gehe eine Runde mit den Hunden. Dann richte ich das Frühstück. Vormittags steht Schreibtischarbeit an, auch in meiner Eigenschaft als Bundes- und Diözesanvorsitzende des Pfarrhaushälterinnen-Verbands. Allerdings werde ich oft unterbrochen durch Anrufe oder jemandem an der Haustür. Die Leute wollen alles wissen: wann ist der Gottesdienst, welcher Geistliche hält den Gottesdienst usw. Das Pfarrbüro ist nur wenige Stunden in der Woche besetzt. Deswegen wenden sich die Leute auch an mich. Mittags koche ich dann und nachmittags kümmere ich mich um den Haushalt – Waschen, Bügeln, Putzen.
Frage: Sind Sie als Pfarrhaushälterin manchmal auch eine Art Seelsorgerin?
Leigers: So würde ich das nicht bezeichnen. Wir Haushälterinnen helfen vielleicht in der Seelsorge, aber der Seelsorger ist nun mal der Pfarrer. Trotzdem sind wir in der Gemeinde in unterschiedlichen Diensten unterwegs. Gerade bin ich bin zum Beispiel im Seniorenkreis-Team und engagiere mich als Lektorin und Kommunionhelferin. Ich kümmere mich um den Blumenschmuck in der Kirche, übernehme vertretungsweise Mesnerdienste. Wenn der Pfarrer im Urlaub ist, kümmere ich mich um die Organisation von Beerdigungen – die Leute sterben ja trotzdem. Aber ich springe nicht nur ein, wo es klemmt, sondern schaue auch, was mir gefällt. Zum Beispiel übernehme ich alle zwei Jahre die Ausrichtung der Krippenfeier.
Petra Leigers ist Leiterin der Berufsgemeinschaft der Pfarrhaushälterinnen.
Frage: Das klingt nach hohen Anforderungen trotz geringer Bezahlung. Warum machen Sie ihre Arbeit gern?
Leigers: Ich liebe meinen Job einfach (lacht). Er ist unheimlich breit gefächert, ich kann in ganz vielen Bereichen meine Talente einbringen. Das gibt es nicht allzu oft. Der Beruf hat auch eine spirituelle Komponente. Wir leben hier im Pfarrhaus die liturgischen Höhepunkte des Jahres sehr intensiv. Da kann es schon mal sein, dass der Pfarrer mir das Exsultet für die Osternacht vorsingt, oder mich fragt, ob er mir die Predigt einmal probehalber vorlesen kann. Aber natürlich gibt es auch in meinem Beruf Frustmomente ...
Frage: Fehlt Ihnen eine eigene Familie?
Leigers: Nein, es ist eher, dass ich mir hier in der Gemeinde keine ganz engen Freunde suchen kann, denen ich alles anvertraue. Das geht nicht, weil ich immer auch die Pfarrhaushälterin bin. Das ist manchmal schon schwer. Dann trägt mich die Berufsgemeinschaft als Ort des Austauschs.
Frage: Was stört Sie noch?
Leigers: Manchmal gibt es Probleme zwischen Pfarrer und Gemeinde, mit denen ich eigentlich gar nichts zu tun habe, die mir aber trotzdem über mich ergossen werden. Und es wird auch sehr viel beobachtet: Wann wurde das Gras im Pfarrgarten zum letzten Mal gemäht? Was machst du, wohin fährst du in den Urlaub, fährst Du mit dem Pfarrer zusammen?
Frage: Wurden Ihnen schon mal unterstellt, die Geliebte Ihres Chefs zu sein?
Leigers: Schon mehrfach. Aber solche Klischees lasse ich nicht auf mir sitzen. Das ist gegen die Ehre des Pfarrers und auch gegen mich. Man könnte es auch als Mobbing bezeichnen. Ich unterstelle anderen Menschen ja auch nicht einfach eine Liebschaft. Wenn ich so antworte, dann sind die meisten Leute schon sehr still. Als Vorsitzende des Bundesverbands der Pfarrhaushälterinnen werde ich zu Podien eingeladen, oft wird mein Beruf dort belächelt. Ich vertrete dann konsequent meine Linie. Anschließend haben schon zu mir Menschen gesagt, jetzt habe ich eine ganz andere Sicht bekommen. Wir sind eben nicht kleine schüchterne Mäuse, die alles für den Pfarrer tun. "Nur der Herr Pfarrer zählt" – das gibt es nicht.
Frage: Wenn man jahrelang mit einem Priester zusammenwohnt, was für eine Beziehung baut man dann auf? Sind Sie doch manchmal Seelsorgerin – für den Seelsorger?
Leigers: Im allerweitesten Sinne schon. Wenn der Pfarrer zum Beispiel eine schwierige Sitzung vor sich hat, dann ist es gut, wenn ich einfach nur da bin und zuhöre. Manchmal kann ich ihm eine neue Perspektive aufzeigen, das "frauliche Element" oder das "notwendige Korrektiv", sagt mein Chef immer.
„Gerade heute, wo sich die Menschen mit der Kirche häufig schwertun, ist ein "offenes" Pfarrhaus hilfreich, in dem Menschen willkommen ist, in dem sie die Priester in ihrem privaten Umfeld kennenlernen können.“
Frage: Bekommen Sie Stimmungen in der Gemeinde mit, die Sie dem Pfarrer mitteilen können?
Leigers: Klar. Gerade wenn jemanden etwas stört, sagen die Leute: können Sie Ihrem Chef nicht mal sagen, dass ... Damit gehe ich unterschiedlich um. Manche Anliegen müssen sie schon direkt klären. Manchmal weise ich den Pfarrer aber auch darauf hin, dass etwas anliegt. Das weiß er sehr zu schätzen.
Frage: Warum gibt es noch nicht in allen Bistümern Tarifverträge für Pfarrhaushälterinnen?
Leigers: Das ist aus der Geschichte heraus so gewachsen. Früher waren Tanten, Mütter oder Schwestern des Priesters die Haushälterin. Da spielte das Geld nicht so eine Rolle. Inzwischen kommt das Thema zwar stärker auf die Agenda, aber es ist noch ganz viel Luft nach oben. Es gibt gravierende Unterschiede von Bistum zu Bistum – das kann bis zu 500 Euro brutto ausmachen. Die niedrigen Bezüge sind auch ein Problem in der Rente, manche haben Angst vor Altersarmut. Allerdings sind wir nicht der einzige Berufsstand, der mit niedrigen Gehältern zu kämpfen hat. Wir sehen uns auch als Vorkämpfer für andere Berufe.
Frage: Trotzdem finden sicher manche den Beruf aus der Zeit gefallen und fragen sich, warum es ihn überhaupt noch gibt…
Leigers: Ich finde, der Beruf hat durchaus seine Berechtigung. Die Frauen und Männer, die ihn ausüben, haben sich bewusst dafür entschieden. Aktive Gastfreundschaft ist ein wichtiger Pfeiler in unserem Berufsverständnis: gerade auch in schweren Zeiten da zu sein für die Menschen der Gemeinde, und dabei dem Priester Heimat und Wohlbefinden in einem Haus zu bieten, das ja in erster Linie ein Haus für die Gemeinde ist, scheint mir Berechtigung genug zu sein. Gerade heute, wo sich die Menschen mit der Kirche häufig schwertun, ist ein "offenes" Pfarrhaus hilfreich, in dem Menschen willkommen ist, in dem sie die Priester in ihrem privaten Umfeld kennenlernen können. Ich würde gern die Gegenfrage stellen: Warum sollte ein Beruf keine Daseinsberechtigung haben, nur weil er manchen antiquiert erscheint? Ich fände es interessant, mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen und sie zu fragen, was sie wirklich über den Beruf denken.
Frage: Wie wird sich das Berufsbild künftig entwickeln?
Leigers: Wie gesagt: Sowohl von Seiten der Haushälterinnen und Haushälter als auch von Seiten der Pfarrer geht der Trend zur Teilzeit. Der Pfarrer muss dann auch weniger bezahlen, viele wollen auch nicht mehr 24 Stunden jemanden um sich herumhaben. Vollzeit-Haushälterinnen werden vor allem in Großpfarreien eingestellt. Da sind die Priester einfach froh, wenn sie sich nach einem langen Tag zu Hause um nichts mehr kümmern müssen. Oder wenn sie an ihrer Predigt feilen können, ohne ständig durch Telefonanrufe unterbrochen zu werden. Inzwischen gibt es auch Frauen, die Vollzeit arbeiten und trotzdem eine eigene Familie haben. Einen Fall kenne ich, da kommen die Kinder mittags ins Pfarrhaus, dann essen alle gemeinsamen, die Kinder machen ihre Hausaufgaben und gehen dann abends mit der Mutter nach Hause oder der Vater holt sie zwischendurch. Das ist dann auch eine Art Familienleben für den Pfarrer.