Schwester Christine Klimann über das Sonntagsevangelium

Lasst euch erschrecken!

Veröffentlicht am 21.11.2020 um 17:45 Uhr – Lesedauer: 
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Rom ‐ Jüngstes Gericht und ewige Strafe – müssen wir diese Bilder des Sonntagsevangeliums etwa ernst nehmen? Das würde uns guttun, ist Schwester Christine Klimann überzeugt: Denn dieser Schrecken kann Augen öffnen.

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Impuls von Schwester Christine Klimann

Mögen Sie Überraschungen? Die meisten Leute würden wahrscheinlich antworten, dass es darauf ankommt. Ein Blumenstrauß ist etwas anderes als eine Pandemie. Im heutigen Evangelium geht es zweifellos um eine Überraschung, um die große Überraschung, die uns allen bevorsteht.

Ja wenn der Herr einst wieder kommt … welcher Art wird die Überraschung dann sein? Für die einen ist die Überraschung angenehm. Sie haben sich angestrengt in diesem Leben. Es gab viel zu tun, weil so viele bedürftig waren. Und dann erfahren sie, dass ihre Anstrengungen noch mehr Bedeutung hatten, als sie ahnten: Das Gute, das sie in ihrem Leben getan haben, haben sie IHM getan.

Für die anderen hingegen ist die Überraschung mehr als unangenehm. Sie haben sich angestrengt in diesem Leben. Die Gebote waren zu achten, Werte zu verteidigen, der Glaube war zu verkünden und der Herr anzubeten … viel zu tun. Und dann erfahren sie, dass ihre Anstrengungen ins Leere gegangen waren, denn das, worauf es ankam, war etwas ganz anderes.

Ich glaube, dass wir gut daran tun, uns von diesem Evangelium erschrecken zu lassen. Immer wieder neu. Als ganze Kirche und als einzelne Personen. Wir strengen uns an. Oder auch nicht. Aber in jedem Fall, das, worauf es ankommt – ist vielleicht etwas ganz anderes. Überrascht sind in diesem Evangelium alle. Die einen wie die anderen. Es ist unwahrscheinlich zu glauben, dass wir nicht überrascht sein werden.

Ich weiß nicht, ob es möglich ist, sich ins Überrascht-Werden einzuüben. Überraschung heißt per se, dass es einen unvorbereitet trifft. Trotzdem glaube ich, dass der Hauptfehler der Leute im Gleichnis war, dass sie sich zu sicher waren. Sie hatten sich ihre Welt zurechtgezimmert, sie wussten, was richtig und was falsch war und sie wussten vor allem, dass sie auf der richtigen Seite standen.

Vielleicht hat Glaube aber weniger mit Sicherheit zu tun, als vielmehr damit, die richtigen Fragen zu stellen: Worauf kommt es wirklich an? Und zwar nicht theoretisch und allgemein, sondern persönlich und konkret. Worauf kommt es an – für mich, heute?

Das Evangelium will aber sicher nicht nur erschrecken. Apokalypse, der Blick auf das Ende, will immer auch ein Trost sein. Denn wenn der Herr als König kommt, wird es sicher anders, als wir denken, aber es wird gut werden. Deshalb dürfen wir uns in den adventlichen Ruf einstimmen: Herr, komm bald! Komm, und zieh die ganze Welt in dein Licht! Und wir werden überrascht sein …

Von Schwester Christine Klimann

Evangelium nach Matthäus (Mt 25,31–46)

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen. Und alle Völker werden vor ihm versammelt werden und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. Er wird die Schafe zu seiner Rechten stellen, die Böcke aber zur Linken.

Dann wird der König denen zu seiner Rechten sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, empfangt das Reich als Erbe, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist! Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.

Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben oder durstig und dir zu trinken gegeben? Und wann haben wir dich fremd gesehen und aufgenommen oder nackt und dir Kleidung gegeben? Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?

Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.

Dann wird er zu denen auf der Linken sagen: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist! Denn ich war hungrig und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir keine Kleidung gegeben; ich war krank und im Gefängnis und ihr habt mich nicht besucht.

Dann werden auch sie antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig oder fremd oder nackt oder krank oder im Gefängnis gesehen und haben dir nicht geholfen? Darauf wird er ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.

Und diese werden weggehen zur ewigen Strafe, die Gerechten aber zum ewigen Leben.

Die Autorin

Schwester Christine Klimann gehört zur Kongregation der Helferinnen, ist Pastoralreferentin und studiert in Rom Psychologie.

Ausgelegt!

Katholisch.de nimmt den Sonntag stärker in den Blick: Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de nun "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreibt ein Pool aus Ordensleuten und Priestern für uns.