Gleichzeitigkeit mit Gott

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Impuls von Schwester Charis Doepgen
Heute haben zwei Alte ihren großen Auftritt in dem Drama der Heilsgeschichte. Denn schon in diesem ersten Akt – die Exegeten nennen ihn die Kindheitsgeschichte nach Lukas – zeichnet sich ab, dass alles auf ein dramatisches Ende zuläuft.
Simeon und Hannah, zwei aus der – heute würden wir sagen – Risikogruppe der Hochbetagten, begegnen dem Messias. Was sie auszeichnet, ist das Gespür für den richtigen Augenblick oder, wie der Text es sagt, für den Heiligen Geist. Denn er ist es, der Simeon im richtigen Moment in den Tempel führt. Hannah musste nicht hingeführt werden, sie war schon da. Wer so wie sie im Haus Gottes lebt, das heißt, in ständigem Kontakt mit ihm, hat gute Chancen, den Kairos (d.h. den wichtigsten Augenblick) seines Lebens nicht zu verpassen.
Hannah ist Prophetin. Nicht erst die Begegnung mit dem Kind Jesus macht sie dazu, aber dieser "Titel" gibt ihrem Sprechen über das Kind Gewicht. In den wenigen Worten des Evangeliums über Hannah ist ihr wacher Geist spürbar – sie tritt hinzu zur selben Stunde. Sören Kierkegaard wird einmal sagen: "Im Verhältnis zu Gott gibt es nur die Gleichzeitigkeit."
Simeon ist einer, der wartet. Er wird geführt. Die Attribute gerecht und fromm zeigen seine Offenheit für den Geist Gottes. Mit seinem spontanen Lobpreis angesichts des Messiaskindes reiht er sich ein, nach Zacharias und Maria, in die Reihe der großen Vor-Beter der Kirche.
Wie bis heute ihr Benediktus und Magnifikat jeden Morgen und Abend erklingt, so beschließt sein "Nunc dimittis" – Nun lässt du, Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden – im Nachtgebet der Kirche jeden Tag. Simeon spricht darin eine eigene Heilserfahrung aus, wie schon Zacharias und Maria in ihren Gebeten; das macht diese Lobgesänge so authentisch. Wer glaubt, wird nicht müde sie zu wiederholen.
Die Eltern Jesu bleiben neben Simeon und Hannah seltsam blass. Sie kommen in den Tempel, um ein Gesetz zu erfüllen, eine Vorschrift einzuhalten. Dreimal ist davon die Rede, dass es um ein Tun geht "wie es das Gesetz vorschreibt". Das ist ehrenwert, aber doch ein Kontrast zu den beiden charismatischen Alten.
Natürlich könnte man hier einen Exkurs einfügen über die Wertschätzung und Bedeutung des Gesetzes im Hintergrund des Evangeliums. Aber bleiben wir lieber noch im Vordergrund der Perikope und ihrer prophetischen Dimension. Denn auch Simeon wird in dieser Begegnung im Tempel zum Propheten. Er spricht Vorahnungen über das Schicksal des Kindes und das Leid der Mutter aus, die zu diesem Zeitpunkt noch im Geheimnis Gottes verborgen sind. Die Eltern Jesu staunten.
Auch wir staunen heute noch. Wieviel Leben steckt doch in den Erzählungen, die wir Frohe Botschaft nennen!
Das Kind umarmen
Unerwartet klein
kommt
der erwartete Retter -
zieht ein
in den Tempel
als Kind.
Ist enthüllendes Licht
Herrlichkeit
und Gericht -
Wer sieht seinen Schein?
Zeichen des Widerspruchs
wird er sein
schon bald -
verwundete Knechtsgestalt.
Unerwartet klein
kommt
der erwartete Retter -
tritt ein
in mein Leben
als Kind.
Charis Doepgen OSB
Evangelium nach Lukas (Lk 2,22–40)
Als sich für sie die Tage der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung erfüllt hatten, brachten sie das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn darzustellen, wie im Gesetz des Herrn geschrieben ist: Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn heilig genannt werden. Auch wollten sie ihr Opfer darbringen, wie es das Gesetz des Herrn vorschreibt: ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben.
Und siehe, in Jerusalem lebte ein Mann namens Simeon. Dieser Mann war gerecht und fromm und wartete auf den Trost Israels und der Heilige Geist ruhte auf ihm. Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Christus des Herrn gesehen habe.
Er wurde vom Geist in den Tempel geführt; und als die Eltern das Kind Jesus hereinbrachten, um mit ihm zu tun, was nach dem Gesetz üblich war, nahm Simeon das Kind in seine Arme und pries Gott mit den Worten: Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel.
Sein Vater und seine Mutter staunten über die Worte, die über Jesus gesagt wurden. Und Simeon segnete sie und sagte zu Maria, der Mutter Jesu: Siehe, dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele zu Fall kommen und aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird, - und deine Seele wird ein Schwert durchdringen. So sollen die Gedanken vieler Herzen offenbar werden.
Damals lebte auch Hanna, eine Prophetin, eine Tochter Penuëls, aus dem Stamm Ascher. Sie war schon hochbetagt. Als junges Mädchen hatte sie geheiratet und sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt; nun war sie eine Witwe von vierundachtzig Jahren.
Sie hielt sich ständig im Tempel auf und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten. Zu derselben Stunde trat sie hinzu, pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.
Als seine Eltern alles getan hatten, was das Gesetz des Herrn vorschreibt, kehrten sie nach Galiläa in ihre Stadt Nazaret zurück. Das Kind wuchs heran und wurde stark, erfüllt mit Weisheit und Gottes Gnade ruhte auf ihm.