Auch Sterbehilfe Thema bei Predigten

Bischöfe erinnern zum Jahreswechsel an Folgen der Corona-Pandemie

Veröffentlicht am 01.01.2021 um 11:04 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Corona-Krise war zum Jahreswechsel das dominierende Thema bei den Predigten der deutschen Bischöfe. Zugleich drückten sie ihre Hoffnung auf einen Wandel in der Gesellschaft aus. Manche Oberhirten äußerten sich auch zum Thema assistierter Suizid.

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Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben zum Jahreswechsel an die Corona-Pandemie und ihre Folgen erinnert. In ihren Neujahrs- und Silvesterpredigten brachten sie zugleich die Hoffnung auf einen Wandel in der Gesellschaft zum Ausdruck. In den Gottesdiensten galten bundesweit strenge Hygiene- und Abstandsregeln. Zumeist konnten nur deutlich weniger Christen kommen als üblich. Viele Feiern wurden online übertragen.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sagte am Neujahrstag, mit den Corona-Impfungen liege ein Hoffnungsschimmer auf dem Beginn von 2021. In seiner Silvesterpredigt hatte er dazu aufgerufen, die gegenwärtige Krise als Anstoß für Veränderung zu verstehen. Die Pandemie habe großes Leid über viele Menschen gebracht, sagte der Limburger Bischof. Aber sie könne auch zu einer Wende beitragen hin zu einem "besseren Leben, Entschleunigung, Solidarität und größerer Gerechtigkeit".

Der im fränkischen Coburg geplante Gottesdienst mit dem bayerischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm wurde wegen der hohen Corona-Fallzahlen dort abgesagt. In seiner Silverster-Botschaft rief der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu Solidarität und Barmherzigkeit auf.

Bild: ©Julia Steinbrecht/KNA (Archivbild)

Im zurückliegenden Jahr sei erfahrbar geworden, wie verletzlich das Leben und wie wichtig dessen Schutz sei, sagte der Münchner Kardinal Reinhard Marx.

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx mahnte, bei allen Statistiken zu Corona-Toten und -Infizierten die dahinter stehenden Einzelschicksale nicht aus den Augen zu verlieren. Im zurückliegenden Jahr sei erfahrbar geworden, wie verletzlich das Leben und wie wichtig dessen Schutz sei.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki sagte, nach christlicher Überzeugung schenke Gott den Menschen das Leben: "Die letzte und größte Lebensaufgabe, die ein Mensch deshalb zu bewältigen hat, ist sein Sterben." Deswegen sei medizinischer, pflegerischer, sozialer und seelsorgerlicher Beistand der "aktiven Sterbehilfe" vorzuziehen.

Genn: Assistierter Suizid dürfe nicht zu "Normalvariante des Sterbens" werden

Auch der Münsteraner Bischof Felix Genn äußerte sich zum Thema Sterbehilfe. Es gelte, zu verhindern, "dass der assistierte Suizid zu einer Normalvariante des Sterbens in unserem Land wird". Der Gesetzgeber müsse dies in der geplanten Neuregelung zur Beihilfe zum Suizid beachten.

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick wagte einen Ausblick auf die Zeit nach Corona. Die Chancen stünden gut, dass das Virus im kommenden Jahr besiegt werden könne. Die daraus erwachsende neue Freiheit müsse jedoch vernünftiger und verantwortungsbewusster gelebt werden als vor Corona.

Der Fuldaer Bischof Michael Gerber dankte allen, die sich in der aktuellen Krisensituation in vielfältiger Weise engagierten. Eine krisenbewehrte Demokratie lebe entscheidend davon, "dass Menschen sich an unterschiedlicher Stelle einsetzen für das Gemeinwohl über das hinaus, was ein Staat per Gesetz einfordern kann", betonte Gerber. "Diese Kultur zu erhalten und zu fördern, ist Auftrag der unterschiedlichen gesellschaftlichen Kräfte, auch der Kirche."

Bischof Bode am Ambo
Bild: ©Bischöfliche Pressestelle Münster/Ann-Christin Ladermann (Archivbild)

Um die anstehenden Herausforderungen inmitten eines zunehmend kirchenfernen Umfelds zu bestehen, müsse die Ökumene und damit der gemeinsame Auftritt von Katholiken und Protestanten gestärkt werden, sagte der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode.

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf rief dazu auf, weiter Rücksichtnahme zum Wohl anderer zu üben. Wichtig sei zudem, das kirchliche Engagement im Sozialbereich zu stärken. Innerkirchlich gelte es auch im neuen Jahr, "viele Baustellen" beherzt anzupacken. Dabei gehe es nicht nur um Strukturen, "sondern auch um die Frage des kirchlichen Auftrags in dieser Zeit".

Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode sieht die Kirchen am Übergang zu einer neuen Epoche. Um die anstehenden Herausforderungen inmitten eines zunehmend kirchenfernen Umfelds zu bestehen, müsse die Ökumene und damit der gemeinsame Auftritt von Katholiken und Protestanten gestärkt werden. "Wir haben nicht einzuteilen in Nächste und Ferne, sondern haben uns allen als Nächste zu erweisen."

Der Würzburger Bischof Franz Jung sieht die Kirche gleichzeitig in der Krise und im Aufbruch. Kirchliches Leben gehe zurück und Kirchenaustritte nähmen zu. "Aber das gehört zu Wachstumsphasen im Leben: Eine bestimmte Gestalt wird abgebaut, damit Neues wächst." Krisensymptome machten offenbar, dass sich Neues entwickeln wolle.

Overbeck: Corona-Leugner auf einem "gefährlichen Irrweg"

Sozialbischof Franz-Josef Overbeck ging mit Corona-Leugnern hart ins Gericht. "Wer in dieser Lage unsere Demokratie als 'Corona-Diktatur' diffamiert, die Gefahr des Virus leugnet oder sogar Vergleiche mit der Zeit des Nationalsozialismus formuliert, befindet sich auf einem gefährlichen Irrweg und handelt verantwortungslos", so der Bischof von Essen am Neujahrstag.

Auch der Augsburger Bischof Bertram Meier warnte vor selbst ernannten Querdenkern und populistischen Parolen. "Dumpfe Töne gegenüber Menschen anderer Kulturen, Religionen und Nationalitäten werden lauter – und salonfähiger." Er fügte hinzu: "Wehret den Anfängen! Hören und schauen wir genau hin, was sich da entwickelt! Lassen wir uns nicht manipulieren! Vor allem prüfen wir selbstkritisch, mit wem wir uns gemeinsam zeigen - politisch und kirchlich, im wirklichen Leben oder digital!"

Es falle nicht leicht, dankbar auf 2020 zurückzuschauen, sagte der Freiburger Erzbischof Stephan Burger. Das Coronavirus habe den Menschen die "Planbarkeit und Kontrolle für uns und unsere Lebensentwürfe an vielen Stellen entzogen". Dagegen stehe die Botschaft Gottes, der "Beständigkeit und Zukunft in unser Leben" bringen wolle.

Bild: ©KNA/Lars Berg (Archivbild)

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße rief die Gläubigen mit Blick auf das neue Jahr zu Optimismus auf.

In Hannover lud der evangelische Landesbischof Ralf Meister zu einer Online-Andacht auf einem Friedhof ein. "2020 ist ein Jahr des Abschieds gewesen", begründete Meister die Ortswahl. "Am schmerzlichsten für all jene, die einen Menschen zu Grabe getragen haben."

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße ermutigte, trotz der Pandemie und ihrer bedrückenden Folgen mit Optimismus in das Jahr 2021 zu gehen. "Weder Trauer noch Furcht sind die richtigen Wegbegleiter für den Übergang ins neue Jahr, sondern Mut, Vertrauen, Zuversicht und Hoffnung."

Hanke: Personsein steht im Zentrum

Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke sieht in den Corona-Erfahrungen einen möglichen Zukunftspfad für das kirchliche Leben. "Wenn herkömmliche Ressourcen und Mittel der Pastoral nicht mehr wie gewohnt zur Verfügung stehen, kommt es erst recht auf unser Personsein an." So erhalte die erlösende Botschaft des Herrn aufs Neue ein menschliches Gesicht.

Laut dem Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer muss nach dem Ende der coronabedingten Rückzugsphase ein "Ruck" durch die Christen gehen. Es sei eine Neuevangelisierung erforderlich, zudem müssten elementare Fragen des Glaubens und des Lebens müssten beantwortet werden. Nach den Erfahrungen in der Pandemie seien eine Neuausrichtung auf Gott und eine Neuentscheidung für das Christentum notwendig.

Der Aachener Bischof Helmut Dieser hat Versäumnisse der Kirche im Umgang mit den Opfern von sexuellem Missbrauch in seiner Silvesterpredigt in den Blick genommen. "Als Kirche im Ganzen haben wir die Schwachen und Gefährdeten nicht ausreichend vor sexueller Gewalt geschützt und uns ihnen nicht so zugewandt, wie sie es gebraucht hätten". Im November hatte das Bistum Aachen ein unabhängiges Gutachten über die Verantwortlichkeiten im Umgang mit dem sexuellen Missbrauch durch Kleriker in den Jahren 1965 bis 2019 veröffentlicht. In dem Papier werden Hinweise auf mindestens 175 Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch Kleriker benannt und den Verantwortlichen im Bistum Aachen schwere Versäumnisse vorgeworfen.

Der Passauer Bischof Stefan Oster hat die Menschen zur Unterscheidung zwischen Dringlichem und Wesentlichem aufgerufen. "Das Dringliche ist das, was sich in unserem alltäglichen Betrieb aufdrängt als das, was gleich erledigt werden will". Den Gläubigen sage Jesus, dass es im Grunde das Allerwesentlichste sei, die Beziehung mit ihm zu leben und zu pflegen. "Immer wieder zu ihm zu gehen, in den Gottesdienst, in die Umkehr zu ihm, zur Beichte", erklärte der Bischof. "Und am besten jeden Tag mit ihm einige Zeit ruhig in unserem Zimmer zu bleiben, sein Wort zu meditieren, das eigene Leben vor ihn zu bringen, danken, Vergebung erbitten." (mal/KNA/epd)

1.1., 11.30 Uhr: aktualisiert und ergänzt um die Neujahrspredigt von Bischof Bätzing; 11.35 Uhr: ergänzt um Bischof Dieser; 18 Uhr: ergänzt um Bischof Overbeck; 18.15 Uhr: ergänzt um Bischof Voderholzer.