Der kleinste Staat der Welt

Veröffentlicht am 12.05.2015 um 01:00 Uhr – Von Saskia Gamradt – Lesedauer: 
Vatikan

Bonn ‐ Der Papst ist nicht nur das Oberhaupt der katholischen Kirche, sondern auch "Souverän des Staates der Vatikanstadt" (Stato della Citta del Vaticano, kurz SCV). Trotz seiner geringen Größe ist im Zentrum der Kirche viel los.

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In dem 0,44 Quadratkilometer großen, im Nordwesten Roms gelegenen Staat leben knapp 800 Personen. Aber nur 572 Personen besitzen die Vatikanische Staatsangehörigkeit. Dazu zählen alle in der Stadt Rom lebenden Kardinäle sowie die über 300 diplomatischen Mitarbeiter des Heiligen Stuhls im Ausland. Tagtäglich fahren zahlreiche Mitarbeiter und Besucher mit dem Auto in den Vatikan zur Arbeit. Laut Vatikan passierten im Jahr 2011 2,1 Millionen Autos die Staatsgrenzen – das sind durchschnittlich 5.750 Fahrzeuge pro Tag.

Gegründet wurde der heutige Vatikanstaat 1929 mit den Lateran-Verträgen zwischen dem italienischen Staat und dem Heiligen Stuhl. Er dient dem weltweit als Völkerrechtssubjekt anerkannten Leitungsorgan der katholischen Kirche, dem "Heiligen Stuhl", als territoriale Basis und garantiert dessen Unabhängigkeit.

Blick in den Petersdom
Bild: ©andrea-goeppel.de

Vom Hauptportal des Petersdoms schaut man direkt auf den Hochaltar.

Zum Vatikan gehören außer dem Staatsgelände am Petersdom zahlreiche exterritoriale Besitzungen in und außerhalb Roms, darunter die großen Basiliken wie der Lateran oder Santa Maria Maggiore, die Kuriengebäude, der Papst-Palast in Castel Gandolfo, die Sternwarte, der Sitz von Radio Vatikan sowie dessen Sendeanlagen in Santa Maria di Galeria. Die eigentliche Vatikanstadt ist auf drei Seiten von alten Festungsmauern umgeben; nur am Petersplatz ist sie offen, die Staatsgrenze wird dort von einer weißen Linie markiert.

Den Mittelpunkt des Territoriums bildet der Petersdom, der nach der Überlieferung über dem Grab des Apostels Petrus errichtet wurde. Nördlich des vorgelagerten Petersplatzes befindet sich der Apostolische Palast mit Audienzräumen, Kurienbüros und der Privatwohnung des Papstes.

Auf dem vatikanischen Staatsgelände befinden sich weitere Verwaltungsgebäude, die Vatikanischen Museen, die Vatikanische Bibliothek, das Geheimarchiv, die Redaktion und Druckerei des "Osservatore Romano", der Vatikanverlag „Libreria Editrice Vaticana“, eine Apotheke, das Postamt, ein Bahnhof, der Circolo S. Pietro (Bund des Hl. Petrus), ein Frauenkloster und das Gästehaus "Santa Marta", in dem die Kardinäle während des Konklaves wohnen.

Schließlich gibt es im kleinsten Staat der Welt einen Supermarkt, eine Tankstelle sowie die Vatikanbank. In den Gärten liegen das alte Sendezentrum von Radio Vatikan, das Regierungsgebäude ("Governatorato"), der Sitz der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und das Äthiopische Kolleg.

Die Kurie agiert im Namen des Papstes

Die Kurie ist die zentrale Verwaltungsbehörde der katholischen Kirche und agiert im Namen des Papstes und mit seiner Vollmacht. Die Mitarbeiter verwalten eine Weltkirche mit 1,1 Milliarden Katholiken. Man muss dabei unterscheiden zwischen der Kurie als Verwaltung der Katholischen Kirche und den Institutionen, die der Verwaltung des Vatikanischen Staates dienen. Papst Johannes Paul II. hat in der Konstitution "Pastor Bonus" vom 28. Juni 1988 die Aufgaben der einzelnen Behörden und Institutionen neu festgelegt.

Zur Kurie gehören das Vatikanische Staatssekretariat, die neun Kongregationen, die 11 Päpstlichen Räte sowie die drei Gerichtshöfe. Daneben gibt es eine Reihe von Kommissionen, Päpstlichen Akademien und weiteren Einrichtungen.

Staatssekretariat

Innerhalb aller übrigen Behörden der Kurie nimmt das Staatssekretariat eine Vorrangstellung ein. Es wird seit September 2006 von Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone geleitet. Der Kardinalstaatssekretär ist der engste Mitarbeiter des Papstes und der höchste Repräsentant der diplomatischen und politischen Aktivitäten des Heiligen Stuhls. Das Staatssekretariat besteht aus zwei Abteilungen, vergleichbar einem Innen –und Außenministerium: die Sektion für die Allgemeinen Angelegenheiten und die Sektion für die Beziehungen mit dem Staaten.

Aufbau und Struktur des Vatikanstaats.
Bild: ©KNA

Aufbau und Struktur des Vatikanstaats.

Kurienkongregationen

Nach der letzten Kurienreform von 1988 gibt es neun Kongregationen mit folgenden Sachgebieten: Glaubenslehre, Orientalische Kirchen, Gottesdienst und Sakramente, Selig- und Heiligsprechungsprozesse, Bischöfe, Evangelisierung der Völker, Klerus, Institute des gottgeweihten Lebens sowie Seminare und Studieneinrichtungen.

Auch wenn alle Kongregationen rechtlich gleichgestellt sind, ist die Glaubenskongregation eine der bedeutendsten. Sie ist die älteste unter ihnen und geht zurück auf die Inquisitionsbehörde, die durch Papst Paul III. (1542) eingesetzt wurde. Die Glaubenskongregation überprüft neue Lehrmeinungen und verurteilt Lehren, die ihrer Meinung nach den Prinzipien des Glaubens widersprechen. Sie prüft theologische Bücher auf ihre Rechtgläubigkeit, ist zuständig bei Vergehen gegen den Glauben und für die Verteidigung der Würde des Bußsakramentes.

Papst Franziskus hat 2013 eine Kurienreform angestoßen. Damit reagierte er auf Kritik an den bisherigen Strukturen, die einerseits von den Ortskirchen, die sich von Rom bevormundet fühlten, und andererseits von den Kardinälen selbst vorgetragen wurden, die sich während des Konklaves 2013 einen kollegialeren Regierungsstil wünschten.

Gerichtshöfe

Die drei Gerichtshöfe - Apostolische Signatur (Oberster Gerichtshof und höchstes Verwaltungsgericht, unter anderem zuständig für die richtige Anwendung des kirchlichen Rechts), Rota Romana (unter anderem letzte Instanz für die meisten Fälle von Eheanullierung) und Apostolische Pönitentiarie (für Bußfragen) - sind Einrichtungen, durch die der Papst sein Amt als oberster Richter der Kirche ausübt.

Die Schweizergarde sorgt für Sicherheit

Zum Vatikanstaat gehört aber auch ein eigenes Militär. Die Schweizergarde ist die offizielle Armee des Vatikans und wurde von Papst Julius II. im Jahr 1506 ins Leben gerufen. Besondere Opferbereitschaft zeigten die Gardisten im berühmten "Sacco di Roma" am 6. Mai 1527, als die Stadt Rom von den Söldnern Kaiser Karls V. geplündert wurde. Fast alle Schweizer Soldaten wurden getötet, aber der Papst konnte durch den Einsatz der Gardisten in die Engelsburg flüchten.

Soldaten der Schweizergarde stehen in einer Reihe.
Bild: ©KNA

Die Soldaten der Schweizergarde im Vatikan beschützen den Papst.

Daher findet die Vereidigung der Rekruten alljährlich am 6. Mai statt. Die Sollstärke der Schweizergarde beträgt 110 Mann, die die Zugänge zum Vatikan sowie dem Apostolischen Palast bewachen und für die persönliche Sicherheit des Papstes sorgen. Sie begleiten den Papst auf seinen Reisen und beschützen das Kardinalskollegium während der Sedisvakanz. Dazu kommen Ehrendienste, wie Audienzen, Messen oder Besuche. Die Schweizergarde ist aber nicht allein für die Sicherheit im Vatikan zuständig, sondern wird durch 130 Kräfte der "Gendarmerie des Staates" der Vatikanstadt ergänzt.

Mitglied können nur katholische, ledige Männer mit einwandfreiem Ruf werden, die in ihrer Schweizer Heimat Militärdienst geleistet haben. Sie sollen mindestens 1,74 Meter groß sein und dürfen beim Eintritt nicht älter als 30 Jahre sein. Gardisten, die länger als drei Jahre gedient haben und mindestens den Dienstgrad eines Korporals haben, können heiraten.

Die Uniform der Schweizergarde ist markant. Die Farben der Galauniform sind rot-gelb-blau, da sie auf die Farben im Wappen der Familie Medici zurückgehen. Im Alltag hingegen tragen die Gardisten eine dunkelblaue Uniform mit Baskenmütze.

Radio Vatikan

Seit 1931 funkt Radio Vatikan seine Signale um die ganze Welt. Der Sender, der seinen Sitz im Palazzo Pio in Rom hat, sieht sich selbst als "Stimme des Papstes und der Weltkirche". Er hat den Auftrag, die Lehre der katholischen Kirche zu verbreiten, über die Tätigkeiten des Vatikans zu berichten und das Leben der Katholiken in aller Welt widerzuspiegeln. Verantwortlich für die Deutsche Abteilung ist Pater Bernd Hagenkord SJ. E-Mail-Adresse: deutsch@vatiradio.va

"L'Osservatore Romano"

Seit 1861 ist der "L'Osservatore Romano" die Zeitung der Päpste und des Kirchenstaates und erfreut sich deshalb weltweit großer Beachtung. Der "L'Osservatore" gilt seit seiner Gründung als wortgewaltiger Anwalt des Kirchenstaates. Ebenso bedeutsam war er von Beginn an aber auch als Verkündigungsorgan für pastorale und innerkirchliche Informationen.
Von Saskia Gamradt