Ratzingers Reflexionen hätten Schlüssel zu "wahrer Erneuerung" geliefert

Graulich: Benedikt XVI. war Vorreiter bei Missbrauchs-Aufklärung

Veröffentlicht am 17.02.2021 um 14:34 Uhr – Lesedauer: 

Würzburg ‐ Zeitlebens sei Benedikt XVI. ein "Mitarbeiter der Wahrheit" gewesen, schreibt der Untersekretär im Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte, Markus Graulich. Benedikts Arbeit habe erst zu Meilensteinen in der Missbrauchsaufarbeitung der Kirche geführt.

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Nach Ansicht des Untersekretärs im Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte, Markus Graulich, hat Benedikt XVI. als Präfekt der Glaubenskongregation und Papst dafür gesorgt, dass in der Kirche der Missbrauch Minderjähriger aufgedeckt und bestraft wurde. "Ein Studium der einschlägigen Dokumente lässt klar erkennen: Joseph Ratzinger ist die Aufarbeitung und Bekämpfung des Missbrauchs Minderjähriger in der Kirche schon früh ein Anliegen – um der Heilung der Opfer, um des Glaubens und der Glaubwürdigkeit des kirchlichen Zeugnisses willen", schreibt Graulich in einem Beitrag für "Die Tagespost" (Donnerstag).  

Der im Februar 2019 unter Papst Franziskus im Vatikan abgehaltene "Anti-Missbrauchs-Gipfel" sei ein Meilenstein in der Prävention und der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche gewesen, so Graulich. Was dort besprochen und entschieden wurde, sei wesentlich der Vorarbeit, die Benedikt XVI. in vielen Jahren geleistet habe, zu verdanken.

Seit Mitte der 1980er Jahre habe Ratzinger sich mit dem Missbrauch in der Kirche beschäftigt und dabei zunächst das Ziel verfolgt, das kirchliche Strafrecht anzuwenden und weiterzuentwickeln. Das sei ihm trotz Widerständen gelungen. So habe die Glaubenskongregation seit 2002 etwa die Möglichkeit, von der Verjährungsfrist zu dispensieren und auch ältere Fälle zu behandeln – eine Möglichkeit, für die Ratzinger sich von Anfang an ausgesprochen habe.

Ratzinger habe "auf die tiefgreifenden Ursachen der Krise" hingewiesen

Neben der Entwicklung und Anwendung entsprechender Rechtsnormen sei Ratzinger die Prävention und Verhinderung neuer Missbrauchstaten ein besonderes Anliegen gewesen, betont Graulich. Benedikt XVI. habe daher Priesterseminare in Irland und den USA visitieren lassen und die Normen in Hinblick auf die Aufnahme von Seminaristen verschärft. "Er hat nicht nur die Verbesserung des Strafrechts maßgeblich angeregt und umgesetzt, er hat mit seinen Beiträgen über die Jahrzehnte hinweg auch auf die tiefgreifenden Ursachen der Krise hingewiesen: die Mängel in der Theologie, die Krise der Moraltheologie, Fehler in der Auswahl und Ausbildung der Priesteramtskandidaten und nicht zuletzt das Verdursten des Glaubens an die Gegenwart Gottes, des Vertrauens auf sein Wort und sein Gebot", schreibt der Kirchenrechtler.

Ratzingers Reflexionen haben laut Graulich einen Schlüssel zu "wahrer Erneuerung" in der Kirche geliefert. "Zugleich zeigt sich in der Art und Weise, wie er sich dem Thema 'Missbrauch in der Kirche' gestellt hat, dass Joseph Kardinal Ratzinger/Benedikt XVI. zeitlebens ein 'Mitarbeiter der Wahrheit' war, auch wenn viele ihn nicht hören und lieber eigene Wege gehen wollen." (cbr)