Neufassung des kirchlichen Gesetzbuches

Bier kritisiert Sicht auf nicht-katholische Taufe als Straftat

Veröffentlicht am 01.06.2021 um 15:29 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ Nach zwölf Jahren Arbeit ist die Strafrechtsreform des kirchlichen Gesetzbuchs durch – doch ein Manko bleibt: Wenn Kinder aus einer konfessionsverbindenden Ehe nicht katholisch getauft werden, gilt das weiter als Straftat. Dafür gibt es Kritik.

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Der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier kritisiert, dass auch nach der Neufassung des kirchlichen Gesetzbuches die nicht-katholische Taufe und Erziehung von Kindern aus konfessionsverschiedenen Ehen im kirchenrechtlichen Sinne eine Straftat bleibt. Dies werde der Wirklichkeit solcher Ehen "nicht unbedingt gerecht", sagte Bier am Dienstag in Freiburg. Der Vatikan hatte die Neuregelung der kirchlichen Strafnormen am Dienstag in Rom vorgestellt.

Ansonsten hält Bier die überarbeitete Fassung des kirchlichen Strafrechts "im Großen und Ganzen für sinnvoll und hilfreich". Ob sie ausreiche, sei eine andere Frage. Manche Spezialisten hätten sich eine grundlegendere Umgestaltung des kirchlichen Strafrechts gewünscht, was der Gesetzgeber nicht getan habe. Das Strafrecht sei in den Grundzügen erhalten geblieben; Neuakzentuierungen und Anpassungen gebe es im Detail.

Das bisherige Strafrecht konnte aus seiner Sicht "bisweilen den Eindruck erwecken, als solle es möglichst zurückhaltend angewendet werden – gewissermaßen nur, wenn es gar nicht anders geht". Jetzt zeige sich der Gesetzgeber bemüht, das Strafrecht deutlicher als "Instrument der Hirtensorge zu profilieren", so Bier. Bischöfe und andere Verantwortungsträger würden an ihre Aufgabe erinnert, das Wohl der Gemeinschaft und der einzelnen auch durch die Verhängung von Strafen zu schützen, wenn dies erforderlich sei. Deutlicher werde betont, dass Strafe manchmal sein müsse.

Strafandrohung wurde präzisiert

Bier wörtlich: "Der bisher eher unbestimmte Begriff der gerechten Strafe wird durch die Nennung von Einzelstrafen mit Inhalt gefüllt. Die Strafandrohung ist gewissermaßen präzisiert worden." Neu sei, dass "die Unschuldsvermutung nun auch in der katholischen Kirche ausdrücklich geregelt ist". Eine entsprechende Norm habe es bisher nicht gegeben.

Dass Kirche und Staat mit sexualisierter Gewalt strafrechtlich anders umgehen, hat für Bier vor allem mit den unterschiedlichen Möglichkeiten zu tun, die das jeweilige Strafrecht bietet. Das Problem der Vergangenheit sieht der Kirchenjurist nicht darin, dass die Kirche keine Gefängnisstrafen verhänge, die es in der Kirche nicht gebe; vielmehr habe die Kirche gegenüber Sexualstraftätern nicht jene strafrechtlichen Möglichkeiten genutzt und ausgeschöpft, die ihr "immer schon zu Gebote gestanden hätten".

Linktipp: Neues Strafrecht: Kirche will strenger gegen Missbrauch durchgreifen

Mehr als ein Jahrzehnt hat der Vatikan an seinem neuen Strafrecht gearbeitet – nun hat es Papst Franziskus beschlossen. Künftig sollen Straftaten strenger verfolgt werden. Neben einer besseren Beschreibung von Sexualdelikten geht es auch um Wirtschaftskriminalität – und die Unschuldsvermutung. Kirchenrechtler Heribert Hallermann analysiert die Neuerungen.

Bis in die jüngste Vergangenheit habe der Eindruck entstehen können, Täterschutz gehe vor Opferschutz, so Bier. Das liege nicht am Strafrecht, sondern "an einer innerkirchlichen Mentalität und einer Einstellung, die es für den größtmöglichen Schaden hält, wenn das Ansehen der Kirche befleckt wird".

Strafrecht verschärft

Mit einer am Dienstag veröffentlichten Reform verschärfte die Kirche ihr Strafrecht. Delikte wie Missbrauch, Verletzung der Aufsichtspflicht und finanzielle Vergehen werden genauer bestimmt und stärker geahndet. Bisher habe ein falsches Verständnis von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit auch "ein Klima übermäßiger Laxheit genährt", sagte Erzbischof Filippo Iannone, Leiter des Rates für die Gesetzestexte, bei der Vorstellung des Textes im Vatikan.

Das Unverständnis für den Zusammenhang zwischen Liebe und Strafdisziplin in der Kirche habe "in der Vergangenheit viel Schaden verursacht", räumt auch Papst Franziskus in der Apostolischen Konstitution ein, mit der er die Reform in Kraft setzt. Angemessene Strafdisziplin sei eine der vorrangigen Aufgaben von Bischöfen und Kirchenoberen, heißt es in der Konstitution "Pascite Gregem Dei" (Weidet Gottes Herde). In der Hinsicht habe das Strafrecht im Gesetzbuch von 1983 Erwartungen nicht erfüllt, so Kurienbischof Juan Arrieta.

Laut Iannone tritt die Reform des VI. Buchs des Codex Iuris Canonici (CIC) am 8. Dezember in Kraft. Damit soll Diözesen und Bischofskonferenzen Zeit gegeben werden, regionale Bestimmungen anzupassen. Die Reform nimmt bereits früher erlassene Einzelgesetze und Regelungen in das allgemeine Gesetzbuch auf.

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hat die Reform des kirchlichen Strafrechts begrüßt. Es sei richtig, dass Kirche endlich das Unrecht des sexuellen Missbrauchs konkret benenne und sich damit diesem schweren Unrecht stellen. Dagegen meinte der Sprecher der Opfer-Initiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, dass die Reform nur halb gelungen sei. Der erhoffte Perspektivwechsel sei nicht vollzogen worden, weil Betroffene nach wie vor nur als Zeugen gehört würden.

Die katholische Reforminitiative Maria 2.0 hat die Reform des kirchlichen Strafrechts verurteilt. Das neue Kirchenrecht ordnet die Weihe von Frauen den schwersten Verbrechen zu - ebenso wie sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch Geistliche. Dass Frauenweihe und Kindesmissbrauch auf eine Stufe gestellt würden, sei nicht hinnehmbar und "verwässert das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen und untergräbt die Würde der Frauen". (cph/KNA)

1.6., 18:59 Uhr: Ergänzt um Stellungnahmen von Rörig, Katsch und Maria 2.0