Kardinal verteidigt polnischen Autor und zieht Vergleich zur NS-Zeit

Debatte um Text zu Homosexuellen: Müller greift deutsche Justiz an

Veröffentlicht am 10.08.2021 um 11:51 Uhr – Lesedauer: 

Köln/Warschau ‐ In der Auseinandersetzung um einen Text des polnischen Priesters Dariusz Oko über Homosexuelle hat Kardinal Gerhard Ludwig Müller die deutsche Justiz scharf angegriffen. Diese hatte zuvor wegen Volksverhetzung einen Strafbefehl gegen Oko erlassen.

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In der Auseinandersetzung um einen Artikel des polnischen Priesters und Publizisten Dariusz Oko in der Zeitschrift "Theologisches" hat Kardinal Gerhard Ludwig Müller Partei für den Autor ergriffen und die deutsche Justiz scharf angegriffen. Er schäme sich, dass Oko in Deutschland wegen Aufstachelung zum Hass verurteilt worden sei, obwohl er Fakten genannt habe, sagte Müller jetzt in einem Interview der polnischen Zeitschrift "Do Rzeczy".

Zugleich zog der Kardinal eine Parallele zur Zeit des Nationalsozialismus. Dass Oko verurteilt worden sei, müsse bei historisch gebildeten Menschen alle Alarmglocken schrillen lassen, so Müller. Schließlich habe "ein gewisser Anwalt" als Generalgouverneur einst die gesamte Krakauer Professorenschaft in das Konzentrationslager geschickt. Müller bezog sich mit dieser Aussage offensichtlich auf den Juristen und NS-Politiker Hans Frank, der ab Ende Oktober 1939 als Generalgouverneur im von Deutschland besetzten Polen eine Schreckensherrschaft aufgebaut hatte und als "Schlächter von Polen" in die Geschichte eingegangen ist.

Strafbefehl gegen Oko wegen Volksverhetzung

Konkret geht es in der Auseinandersetzung um einen Artikel Okos von Anfang des Jahres. Unter der Überschrift "Über die Notwendigkeit, homosexuelle Cliquen in der Kirche zu begrenzen" hatte der Geistliche in der Ausgabe Januar/Februar 2021 eine angebliche Dominanz Homosexueller in der katholischen Kirche beklagt und homosexuelle Priester als Gefahr für die Kirche beschrieben. Unter anderem bezeichnete Oko homosexuelle Geistliche als "eine Kolonie von Parasiten", "Krebsgeschwür" und "homosexuelle Plage", die Rechte Homosexueller seien eine "Homo-Ideologie" und "Homo-Häresie". In der Ausgabe vom März/April hatte Oko dann einen zweiten Teil des Artikels veröffentlicht, in dem in ähnlicher Weise geurteilt wurde. In diesem Text schrieb Oko unter anderem, dass es notwendig sei, in der Kirche "ein ganzes System zum Schutz 'wehrloser Erwachsener' zu schaffen, die zum Opfer von homosexuellen Raubtieren in Soutane oder Kutten geworden sind oder werden könnten".

Nach der Veröffentlichung des ersten Artikels hatte der Münchner Priester Wolfgang F. Rothe, der sich für die Rechte Homosexueller in der Kirche engagiert, Oko und den verantwortlichen Redakteur von "Theologisches", Johannes Stöhr, nach eigenen Angaben bei der Staatsanwaltschaft Köln wegen Volksverhetzung angezeigt. Ende Juli war dann bekannt geworden, dass das Amtsgericht Köln am 6. Juli wegen Volksverhetzung Strafbefehle über je mehrere tausend Euro gegen Oko und Stöhr erlassen hatte. Eine Gerichtssprecherin wies damals auf Anfrage von katholisch.de allerdings darauf hin, dass die Strafbefehle noch nicht rechtskräftig seien und Oko und Stöhr über ihre Anwälte bereits Einspruch eingelegt hätten. Nun komme es wahrscheinlich zu einer Hauptverhandlung.

Bild: ©picture alliance / NurPhoto | Artur Widak

Der polnische Priester und Publizist Dariusz Oko.

Laut dem in Auszügen im Internet einsehbaren Strafbefehl gegen Oko war der polnische Geistliche in dem Verfahren beschuldigt worden, mit seinem Artikel "gegen einen Teil der Bevölkerung zum Hass aufgestachelt sowie die Menschenwürde anderer dadurch angegriffen zu haben, dass Sie Teile der Bevölkerung beschimpften und böswillig verächtlich machten". Erlassen wurden beide Strafbefehle auf Basis des Paragrafen 130 des Strafgesetzbuchs. Das Urteil des Kölner Amtsgerichts hatte in Polen eine erregte Debatte und scharfe Vorwürfe gegen die deutsche Justiz zur Folge.

Müller sieht in Oko-Text keine Aufstachelung zum Hass

Kardinal Müller betonte nun, die Verbrechen von homosexuellen Geistlichen in der Kirche müssten mit starken Worten verurteilt werden, so wie es Oko getan habe. Dies sei keine Aufstachelung zum Hass, sondern eine mutige Tat, die den Respekt aller anständigen Menschen verdiene. "Diese Verbrechen dürfen nicht verharmlost werden, nur weil die Täter aktive Homosexuelle waren, die beleidigt werden könnten, wenn ihnen jemand die Wahrheit ins Gesicht sagt", so Müller wörtlich, der zudem einen Vergleich zur Aufarbeitung des kirchlichen Missbrauchsskandals in Deutschland zog. Tausende unschuldige Priester würden dort täglich als Pädophile beleidigt – doch darauf reagiere kein Gericht und auch kein Presseorgan. Niemand scheine sich an der Kampagne gegen den katholischen Klerus und der Ermutigung zu Gewalt gegen diese Personengruppe zu stören. All dies solle sich angeblich im Rahmen der Meinungsfreiheit bewegen.

Wolfgang F. Rothe bezeichnete die Worte Müllers am Dienstag auf Anfrage von katholisch.de als "ungeheuerlich". Der Kardinal demaskiere sich mit diesem "unmöglichen Statement" weiter. Müller wende sich mit seinen Aussagen gegen die deutsche Justiz, das Grundgesetz und die Menschenrechte – "und das, obwohl das Kölner Amtsgericht eindeutig festgestellt hat, dass Okos Aussagen über Homosexuelle rechtswidrig sind", so Rothe. (stz)