Kölner Erzbischof blickt in ungewisse Zukunft

Ein Geburtstag in spannungsgeladenen Zeiten: Kardinal Woelki wird 65

Veröffentlicht am 18.08.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Nach Monaten des Streits über die Missbrauchsaufarbeitung im Erzbistum Köln hat Papst Franziskus noch nicht über die Zukunft von Kardinal Rainer Maria Woelki entschieden. Derweil begeht der Erzbischof heute seinen 65. Geburtstag.

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Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki wird am Mittwoch 65 Jahre alt. Der "halbrunde" Geburtstag fällt in eine für ihn spannungsvolle Zeit, und er soll dem Vernehmen nach im kleinen Rahmen gefeiert werden. Auch die Überreichung einer Festschrift ist geplant, in der mehrheitlich konservative Theologen als Autoren versammelt sind.

Nach wie vor steht die Entscheidung von Papst Franziskus aus, wie es mit dem Erzbischof der mitgliederstärksten Diözese Deutschlands weitergeht. Bleibt er nach den Querelen über die Missbrauchsaufarbeitung und um die geplante Reform der Pfarreienstruktur im Amt? Muss er gehen? Oder gibt es etwas dazwischen? Diese Fragen wabern über Woelki wie über das ganze Erzbistum.

Während Marx Rücktritt anbot, lehnte Woelki diesen Schritt ab

Im Juni hatten zwei ausländische Bischöfe im Auftrag des Papstes das Erzbistum unter die Lupe genommen, um sich ein Bild von der komplizierten Lage zu machen. Der Bericht liegt in Rom vor, jetzt ist Franziskus am Zug. Nachdem Woelki im vergangenen Jahr die Veröffentlichung eines Missbrauchsgutachtens verschob und dann ganz stornierte, nahm die Kritik immer stärker zu. Ihm wurde unterstellt, er wolle etwas vertuschen.

Das zweite Gutachten, das amtierenden und früheren Führungskräften – aber nicht Woelki selbst – 75 Pflichtverletzungen im Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt nachweist, trug mitnichten zur Befriedung bei. Denn trotz juristischer Entlastung blieben Fragen offen. Kritiker forderten Woelki auf, als Zögling von Kardinal Joachim Meisner solle er moralische Verantwortung für das System übernehmen. Während der Münchner Kardinal Reinhard Marx seinen Rücktritt – vergeblich – anbot, lehnte Woelki diesen Schritt ab.

Bild: ©picture alliance/Associated Press/Ina Fassbender (Archivbild)

Die Missbrauchsaufarbeitung im Erzbistum Köln hat Kardinal Rainer Maria Woelki immer wieder Kritik eingebracht. Er selbst bezeichnete die Aufarbeitung kürzlich als "sehr konsequent und sehr intensiv".

Vor allem die Beförderung von Pfarrer D. hat zu einem "toten Punkt" zwischen dem Kardinal und der Kirchenbasis geführt, wie es der oberste Laienvertreter im Erzbistum Köln, Tim Kurzbach, formulierte. Obwohl D. vor 20 Jahren sexuellen Kontakt zu einem 17-jährigen Prostituierten hatte, machte Woelki ihn 2017 zum stellvertretenden Düsseldorfer Stadtdechanten.

Woelki verteidigt sich. Die Missbrauchsaufarbeitung in seinem Erzbistum bezeichnete er kürzlich in einem Interview der WDR-Lokalzeit als "sehr konsequent und sehr intensiv". Er sei der erste und einzige Bischof, der auch Verantwortliche benannt habe. Missbrauchsbetroffene hätten ihm immer wieder den Rücken gestärkt und ihn gebeten, nicht zurückzutreten. Andernfalls beginne für sie die Leidenszeit ganz von vorn, denn dann müsse man auf einen neuen Erzbischof warten, der die ganze Frage neu angehen müsse. Bei seiner letzten Begegnung mit dem Papst im Februar habe ihm Franziskus "sehr klar und sehr deutlich sein völliges Vertrauen ausgesprochen". Wie das Kirchenoberhaupt letztlich über seinen Verbleib im Amt entscheiden werde, wisse er aber auch nicht, so Woelki.

Ein Kirchenmann für neue Impulse?

Öffentliche Auftritte sind für den in seiner Autorität angeschlagenen Kardinal schwierig geworden. Gegen Widerstände leitete er eine Firmfeier in Düsseldorf; dabei wählte er den Hintereingang, um den Medienleuten zu entgehen. Hochwasseropfer besuchte er nur in Begleitung von Journalisten seiner eigenen Bistumsmedien.

Als Woelki – Sohn ostpreußischer Flüchtlinge – 2014 nach drei Bischofs-Jahren in Berlin in seine Heimat Köln zurückkehrte, verbanden sich große Hoffnungen mit ihm. Es schien ein Kirchenmann zu kommen, der nach einem Vierteljahrhundert mit Meisner neue Impulse setzen könnte. In Berlin war er mit eigenen Akzenten aufgefallen, zog dort in den Arbeiter- und Migrantenbezirk Wedding, traf sich offiziell mit Vertretern von Lesben und Schwulen oder berief Frauen in Leitungspositionen. Seine Erhebung zum Kardinal 2012 feierte er in einer Suppenküche.

Bild: ©Erzbistum Köln/Jelen (Archivbild)

In seiner Anfangszeit erregt Woelki mit originellen Aktionen Aufmerksamkeit. So feierte er eine Messe an einem umgebauten Flüchtlingsboot – als Zeichen des Protests.

Auch in Köln erregte der Kardinal mit originellen Aktionen Aufmerksamkeit. 2015 wählte er den Turm des Doms, um vor dem "dicken Pitter" die 23.000-Glockenschläge-Aktion vorzustellen – für jeden im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtling läutete die Totenglocke. An Fronleichnam feierte Woelki die Messe an einem zum Altar umgebauten Flüchtlingsboot – ein deutliches Protestzeichen. Eine örtliche Boulevard-Zeitung titelte: "Der kölsche Franziskus". Und charakterisierte ihn plakativ mit drei Sätzen: "Ihm hören nicht nur Katholiken zu. – Er liebt und lebt die Bescheidenheit. – Woelki redet klare Worte."

Doch längst ist dieses Positiv-Image zerplatzt. Denn kirchenpolitisch folgt Woelki in vielem der Linie seines Vorgängers. Forderungen nach der Priesterweihe für Frauen kritisiert er ebenso wie den Dialogprozess Synodaler Weg, bei dem auch über die katholische Sexualmoral oder den Zölibat diskutiert wird. Eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare lehnte er im Gespräch mit der WDR-Lokalzeit weiterhin ab. Er forderte allerdings, gegen Diskriminierung von homosexuellen und queeren Menschen vorzugehen, auch im Ausland.

Die Basis rebelliert gegen Umstrukturierung

Mit Blick auf die Ökumene tritt der Kardinal ebenfalls auf die Bremse. Während sich die Mehrheit der deutschen Bischöfe etwa dazu bereit findet, dem evangelischen Partner in einer konfessionsverschiedenen Ehe unter bestimmten Voraussetzungen die Kommunion zu reichen, beharrt Woelki auf einer weltkirchlichen Klärung.

Ein anderes Aufreger-Thema ist die Umstrukturierung des Erzbistums in 50 bis 60 Großpfarreien. Obwohl der Kardinal versuchte, mit breit angelegten Beratungsformaten auf die Reform vorzubereiten, rebelliert die Basis. Auf Homepages von Gemeinden und in Sozialen Netzwerken kursieren Positionspapiere und Petitionen gegen die Pläne. Vertrauen zwischen Kirchenvolk und -spitze sieht anders aus.

Von Andreas Otto (KNA)