Gänswein: Deutsche Kritik an Benedikt XVI. "mehr Luft als Substanz"

Nach Ansicht von Kurienerzbischof Georg Gänswein handelt es sich bei der Kritik an der Person und dem theologischen Werk des emeritierten Papstes Benedikt XVI. um ein deutschsprachiges Phänomen. Betrachte man die Argumente, mit denen der frühere Papst angegriffen werde, dann "ist da mehr Luft als Substanz, aber es hat mediale Wirkung", zitierte die katholische Wochenzeitung "Die Tagespost" Gänswein in einem Beitrag vom Sonntag. In Italien werde er oft mit Verwunderung auf die kritische Haltung der Deutschen gegenüber Benedikt XVI. angesprochen – dort und in anderen Teilen der katholischen Welt gebe es diese nicht.
Im deutschsprachigen Raum gebe es dagegen medial gut vernetzte Stimmen, die es nicht gut mit dem emeritierten Papst meinten, hieß es von Gänswein. "Wo Benedikt angegriffen wird, da ist man bei den ersten, die angreifen." Als Beispiel nannte der Erzbischof ein kürzlich erschienenes Interview der Herder Korrespondenz mit Benedikt XVI. über dessen Tätigkeit als Kaplan in München vor 70 Jahren: Aus dem Interview, das eigentlich "als Hommage" gedacht gewesen sei, habe man zwei Sätze herausgezogen "und dann wird Feuer gelegt". Für ihn sei das Phänomen "bleibend unverständlich und manchmal auch beschämend", so Gänswein. Gläubigen, die sich dem theologischen Werk des emeritierten Papstes verbunden fühlten, empfahl er: "hören, schlucken und so gut es geht verdauen". Sein eigenes Grundverständnis von Theologie beschrieb der Erzbischof als "das systematische Nachdenken über das von Gott Vorgedachte und Vorgesagte". Dass manche Bischöfe in der Ausübung des Lehramts Schwächen zeigten, sei diesbezüglich nichts Neues.
Gänswein äußerte sich im Rahmen der Sommerakademie der konservativ-katholischen Gustav-Siewerth-Akademie, die von Benedikt XVI./Joseph Ratzinger in ihrer Entstehungszeit stark gefördert wurde. Der 65-jährige Gänswein ist Präfekt des Päpstlichen Hauses, wurde im Februar 2020 jedoch überraschend von Papst Franziskus beurlaubt. Damals gab es weltweite Aufregung um ein Buch von Kardinal Robert Sarah zum Priesteramt, für das Benedikt XVI. einen Beitrag geschrieben hatte. Nach der Emeritierung des deutschen Papstes im Jahr 2013 wirkt Gänswein weiterhin als Privatsekretär Benedikts XVI. und lebt gemeinsam mit ihm in dem vatikanischen Kloster "Mater Ecclesiae". (mfi)