Wenn das laute Toben im Inneren äußerlich verstummen lässt

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Impuls von Schwester Christine Klimann
Der Taubstumme aus dem Evangelium, den Jesus heilt, hat auf den ersten Blick nichts mit mir gemeinsam. Denn ich kann hören und ich kann mich verbal ausdrücken. Einigermaßen gut sogar. Erst bei näherer Betrachtung geht mir auf, dass wir vermutlich mehr gemeinsam haben, als mir lieb ist.
Denn wie oft bin ich zu sehr mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt, um wirklich zu hören, was mein Gegenüber sagt. Und wie oft habe ich den Eindruck, mit dem, was ich eigentlich sagen will, nicht verstanden zu werden. Wenn Kommunikation gelingt, erscheint es mir manchmal tatsächlich wie ein Wunder. Kein Wunder also, dass die Leute begeistert waren, als Jesus für diesen Taubstummen Kommunikation ermöglichte.
Kann Jesus auch mir Kommunikation ermöglichen? Auf welche Weise? Es fällt mir auf, wie konkret und wie sinnenfällig er mit dem Taubstummen in Kontakt tritt: Er berührt ihn, und zwar nicht nur sachte an der Schulter, sondern legt ihm die Finger in die Ohren, und, was sogar eklig klingt, er berührt mit seinem Speichel die Zunge des Mannes. Es ist die Menschlichkeit, die Sinnenhaftigkeit Jesu, die mit der Menschlichkeit und den Sinnen des Taubstummen in Kontakt tritt.
Und vielleicht ist das ein Schlüssel zu unserer Frage. Glaube kann manchmal eigenartig rein bleiben. Vielleicht bleibt er nicht ausschließlich in der Kirche, die wir sonntags besuchen oder auch nicht; aber ob er es schafft, in die Tiefen meiner Sehnsüchte, Ängste, Leidenschaften und Verletzungen vorzudringen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Genau diese verborgene innere Welt macht aber Kommunikation oft so schwierig.
Es braucht Energie, das, was im Inneren gärt und kocht, einigermaßen unter Kontrolle zu halten – Energie, die fehlt, um mein Gegenüber wirklich zu hören. Und wenn ich mit aller Kraft versuche, meine innere Welt vor mir selbst und vor den Anderen verborgen zu halten, ist es wahrscheinlich auch kein Wunder, wenn ich mich mit meinem Mund nicht verständlich machen kann.
Jesus sagt auch zu mir: "Effata!" Er, der selbst Abgründe erlebt hat, lädt mit seiner Menschlichkeit dazu ein, die meinen ihm zu öffnen. Vielleicht ist ja das, was da in mir lebt, unter seinem Blick weniger gefährlich, als ich gedacht habe. Und vielleicht geschieht das Wunder, dass es aus dieser Begegnung heraus möglich wird, mich auf neue Weise für die anderen zu öffnen.
Dann werde ich frei sein, die anderen in ihrer Not und in ihrer Schönheit zu sehen und in ihnen die Schwester und den Bruder erkennen. Und ich werde ihnen gegenüber nicht taub und nicht stumm bleiben.
Aus dem Evangelium nach Markus (Mk 5,21–43)
In jener Zeit verließ Jesus das Gebiet von Tyrus wieder und kam über Sidon an den See von Galiläa, mitten in das Gebiet der Dekapolis. Da brachten sie zu ihm einen, der taub war und stammelte, und baten ihn, er möge ihm die Hand auflegen.
Er nahm ihn beiseite, von der Menge weg, legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel; danach blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu ihm: Effata!, das heißt: Öffne dich! Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit und er konnte richtig reden.
Jesus verbot ihnen, jemandem davon zu erzählen. Doch je mehr er es ihnen verbot, desto mehr verkündeten sie es. Sie staunten über alle Maßen und sagten: Er hat alles gut gemacht; er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen.