Pfarrer erlaubte Dreh wegen berechtigter Kritik an US-Konzern

Jan Böhmermann dreht Anti-Facebook-Video in Kölner Kirche

Veröffentlicht am 14.12.2021 um 15:49 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Im "ZDF Magazin Royale" spielte eine der bekanntesten Kirchen Kölns eine große Rolle – nicht der Kölner Dom, sondern die als "Zitronenpresse" bekannte Kirche St. Engelbert. Jan Böhmermann forderte auf ihren Stufen: "Enteignet Facebook!"

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Die Kölner Kirche St. Engelbert spielt eine prominente Rolle in der aktuellen Ausgabe von Jan Böhmermanns Sendung "ZDF Magazin Royale". Der Entertainer befasste sich in seiner Sendung vom Freitag mit dem Geschäftsgebaren von Facebook und seinem Mutterkonzern Meta. Gegenüber katholisch.de bestätigte der Pfarrer der Kölner Gemeinde St. Engelbert und Bonifatius, Stefan Klinkenberg, am Dienstag, dass er die Kirche für die Dreharbeiten zur Verfügung gestellt hatte. "Die Thematik der Sendung am 10. Dezember war eine Aufklärung über die Handlungsweise des Facebook-Konzerns und die berechtigte Kritik daran", so Klinkenberg. Die Nutzung sei genehmigt worden, nachdem die Produktionsfirma das Drehbuch eingereicht und um Erlaubnis gebeten habe. "Dem haben wir zugestimmt, da es gezielt nicht um Kritik an der Kirche ging", erläutert Klinkenberg. Wie die Produktionsfirma "Unterhaltungsfernsehen Ehrenfeld UE" auf die Kirche in Köln-Riehl aufmerksam wurde, teilte sie auf Anfrage nicht mit.

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Das Musikvideo mit dem  Titel "Facebook requiem – Socialize the Social Network!" beginnt mit einen internationalen Chor, der die Worte "Enteignet Facebook" in verschiedenen Sprachen singt und schneidet dann auf einen Mann in einer Sakristei, der den Kirchenraum von St. Engelbert betritt und von der Kanzel im Stil eines mehrstimmigen Chorals auf Latein singt: "Comminuite Facebook! Perdite Whatsapp! Publicate Instagram! Moderate Meta! Tollite! Tollite! Tollite!" ("Zerbrecht Facebook, vernichtet Whatsapp, vergemeinschaftet Instagram, moderiert Meta, steht auf, steht auf, steht auf!") In den Choral stimmt Böhmermann ein, der die Kirche verlässt und im Stil eines Weihnachtslieds auf den Treppen zur Kirche mit einem Chor die Forderung auf englisch wiederholt.

Facebook steht vielfältig in der Kritik

Das Musikvideo wurde im Rahmen journalistischer Beiträge gezeigt, die verschiedene Aspekte von Metas Firmenpolitik erläuterten, darunter ein Interview mit der ehemaligen Facebook-Mitarbeiterin Frances Haugen, die Anfang September interne Dokumente enthüllt hatte, die gemeinwohlschädliche Praktiken des Konzern zeigten. Den von ihr veröffentlichten "Facebook Papers" zufolge weiß der Konzern um die schädlichen Wirkungen von Hassrede und seine Rolle bei der Verbreitung, verzichte aber auf eine wirksame Moderation. Beispiele dafür seien die Rolle des Konzerns beim Sturm auf das US-Kapitol im Januar 2021 und beim Völkermord an den Rohingya in Myanmar sowie Falschinformationen zur Corona-Pandemie. Außerdem seien intern negative Auswirkungen des Bilderdienstes Instagram auf das Selbstbild vor allem junger Mädchen bekannt.

Auch im Bereich der Kirche ist Facebook umstritten. Zwar nutzen viele kirchliche Gemeinden, Bistümer und Einrichtungen Dienste des Meta-Konzerns, wegen Mängeln beim Datenschutz empfiehlt die Konferenz der Diözesandatenschutzbeauftragten allerdings bereits seit 2018, auf das Betreiben von Facebook-Fanseiten zu verzichten, da eine datenschutzrechtliche Haftung des Betreibers einer Fanpage nicht wirksam ausgeschlossen werden könne. Obwohl die 2018 aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshof (EuGH) entstandene rechtliche Bewertung unverändert weiter besteht und die Nutzung von Facebook durch ein weiteres EuGH-Urteil zur Datenübertragung in die USA 2020 noch einmal problematischer wurde, sind seit dem Beschluss der katholischen Datenschutzkonferenz keine Sanktionen gegen kirchliche Betreiber von Facebook-Fanseiten bekannt geworden. Ebenfalls 2020 hatte die Benediktinerabtei Münsterschwarzach einen befristeten Facebook- und Instagram-Boykott angekündigt, um gegen das mangelnde Vorgehen gegen Hasskommentare zu protestieren.

Kirche Sankt Engelbert in Köln am 6. Juni 2018.
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht (Archivbild)

Wegen ihrer charakteristischen Form wird die von Dominikus Böhm entworfene Kirche St. Engelbert in Köln-Riehl auch "Zitronenpresse" genannt.

Die Kirche St. Engelbert ist aufgrund ihrer auffälligen Architektur im Video leicht zu identifizieren. Das nach einem Entwurf des Architekten Dominikus Böhm in den Jahren 1930 bis 1932 errichtete Gotteshaus ist der erste moderne Kirchenbau Kölns. Böhms Entwurf mit dem Titel "Sternkuppelprojekt mit freistehendem Turm" setzte sich bei dem von der Gemeinde ausgeschriebenen Architektenwettbewerb unter fünf eingereichten Entwürfen durch. Im Volksmund wird die Kirche auch "Zitronenpresse" genannt. Im Video deutlich erkennbar ist neben der Frontansicht der Kirche der Innenraum mit den von Anton Wendling 1955 entworfenen Rundfenstern. (fxn)