Prüfauftrag des Koalitionsvertrags nur erster Schritt

Bsirske: Ampel will kirchliches Arbeitsrecht deutlich einschränken

Veröffentlicht am 14.02.2022 um 11:40 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Laut Koalitionsvertrag will die Ampelkoalition nur überprüfen, wie das kirchliche Arbeitsrecht ans staatliche angepasst werden kann. Der arbeitspolitische Sprecher der Grünen macht jetzt deutlich: Die Regierung will mehr.

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Der arbeits- und sozialpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Deutschen Bundestag, Frank Bsirske, sieht bei der Regierungskoalition den klaren Willen, das kirchliche Arbeitsrecht einzuschränken. In einem Gastbeitrag für das Blog "Caritas-Verdi" schrieb der ehemalige Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di am Montag, dass der im Koalitionsvertrag formulierte Prüfauftrag zur Angleichung des kirchlichen an das weltliche Arbeitsrecht nur ein erster Schritt sei. "Mir wäre es am liebsten, wenn wir es zu einem Relikt der Vergangenheit machen und komplett abschaffen würden", so Bsirske, der den Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung zum Thema Arbeit mitverhandelt hatte. Im Abschnitt "Mitbestimmung" heißt es darin, dass die Regierung gemeinsam mit den Kirchen prüfen wolle, inwiefern das kirchliche Arbeitsrecht dem staatlichen Arbeitsrecht angeglichen werden könne. Verkündungsnahe Tätigkeiten sollen dabei ausgenommen bleiben.

Dass das kirchliche Arbeitsrecht so lange Bestand hatte, hänge damit zusammen, dass den Glaubensgemeinschaften verfassungsrechtlich zugestanden wurde, ihre Angelegenheiten selbst zu ordnen, erläuterte Bsirske. Dabei sei der Begriff der "eigenen Angelegenheiten ziemlich überdehnt" worden. Die "eigenen Angelegenheiten" würden für den ehemaligen Gewerkschaftschef aber dort enden, "wo die Angelegenheiten anderer beginnen bzw. sich überschneiden". Arbeitsrecht sei daher nicht die eigene Angelegenheit von kirchlichen Wohlfahrtsorganisationen, sondern die gemeinsame Angelegenheit von kirchlichen Arbeitgebern und den dort Beschäftigten.

Wenn Kirche nicht selbst handelt, handelt Regierung

"Ich finde, außerhalb des verkündungsnahen Bereichs muss daher das allgemeine Arbeitsrecht uneingeschränkt gelten", so Bsirske weiter. Die über eine Million bei Caritas und Diakonie beschäftigten Menschen dürften nicht weiter als "Arbeitnehmer*innen zweiter Klasse" behandelt werden. Ihnen müsse das Recht zugestanden werden, Betriebsräte zu gründen, zu streiken und Tarifverträge "in einem ordentlichen Verfahren" abschließen zu dürfen. Als wichtigsten Punkt bezeichnete er den Abbau von Diskriminierungen im individuellen Arbeitsrecht, insbesondere im katholischen Bereich mit Blick auf wiederverheiratete Geschiedene und nicht-heterosexuelle Menschen. "Das ist absolut hinterwäldlerisch und hängt mit der verstaubten katholischen Sexualmoral aus dem vorletzten Jahrhundert zusammen", betonte der Abgeordnete. Ihm wäre es lieber, wenn die Kirche von sich aus Änderungen umsetzen würde und staatliches individuelles und kollektives Arbeitsrecht anwenden sowie Diskriminierungen beenden würde. "Wenn die katholische Wohlfahrtsorganisation nicht von sich aus handelt, muss der Staat tätig werden", so Bsirske.

Sowohl die katholische wie die evangelische Kirche wendet eigene arbeitsrechtliche Regelungen an. Insbesondere im katholischen Bereich gelten besondere Loyalitätspflichten für Arbeitnehmer, die Anforderungen an die persönliche Lebensführung stellen. Beide Kirchen wenden anstelle des Betriebsverfassungsgesetzes eigene Regeln an, statt Betriebsräten werden mit weniger Rechten ausgestattete "Mitarbeitervertretungen" gebildet. Streik als Mittel des Arbeitskampfes ist im kirchlichen Arbeitsrecht ausgeschlossen, stattdessen handeln paritätisch aus "Dienstnehmern" und "Dienstgebern" besetzte Kommissionen tarifvertragsähnliche Regelungen aus.

Reform der Grundordnung soll noch im Sommer kommen

Bereits 2015 hatten die katholischen Bischöfe die "Grundordnung des kirchlichen Dienstes" gelockert. Eine erneute Überarbeitung wird seit mehreren Jahren von einer Arbeitsgruppe unter der Leitung des Essener Bischofs Franz-Josef Overbeck erarbeitet. Der Paderborner Generalvikar Alfons Hardt hatte hatte in der vergangenen Woche angekündigt, dass schon im Juni das neue Arbeitsrecht beschlossen sein könne. Dafür braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit unter den Diözesanbischöfen.

Im Zuge der Beratungen des Synodalen Wegs und des Coming-Outs von queeren Kirchenmitarbeitern in der Aktion "#OutInChurch" haben mehrere Generalvikare angekündigt, die Grundordnung gegen nicht-heterosexuelle Mitarbeitende aufgrund deren Sexualität bereits vor einer Novelle nicht durchsetzen zu wollen. In der vergangenen Woche hatte der Würzburger Bischof Franz Jung eine Selbstverpflichtungserklärung abgegeben, dass er keine arbeits- oder disziplinarrechtlichen Maßnahmen ergreifen werde, wenn Tatsachen über Beschäftigte der Diözese Würzburg, des diözesanen Caritasverbandes und anderer angeschlossener Rechtsträger bekannt würden, "die die persönliche Lebensführung hinsichtlich Partnerschaften, die sexuelle Orientierung oder die geschlechtliche Identität eines Einzelnen/einer Einzelnen betreffen; auch in den verkündigungsnahen Tätigkeiten". (fxn)