Kirchliches Arbeitsrecht nicht mehr buchstäblich auslegen

Bischof Oster bietet queeren Menschen in seinem Bistum Gespräche an

Veröffentlicht am 15.02.2022 um 11:20 Uhr – Lesedauer: 

Passau ‐ Er wolle nicht, dass Menschen, die sich als queer empfinden, homosexuelle Priester, "die es sicher auch gibt", oder wiederverheiratete Geschiedene in Angst lebten, betont Bischof Stefan Oster. Er sucht nun das Gespräch mit ihnen.

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Der Passauer Bischof Stefan Oster will in der Debatte um Lockerungen beim kirchlichen Arbeitsrecht das Gespräch mit queeren Menschen in seinem Bistum suchen. Obwohl er versuche, treu zur Lehre der Kirche zu stehen, suche er schon seit langem nach Kompromissen, sagte Oster in einem an die Mitarbeiter seines Bistums gerichteten dreiminütigen Video. Er wolle nicht, dass Menschen, die sich als queer empfinden, homosexuelle Priester, "die es sicher auch gibt", oder wiederverheiratete Geschiedene in Angst lebten, betont der Bischof.

Man könne und werde das kirchliche Arbeitsrecht nicht mehr buchstäblich auslegen, kündigte der Bischof an. In dem Video wendet er sich direkt an die Betroffenen: "Ich möchte gern mit Ihnen sprechen, weil, wenn's der Bischof weiß, dann kann niemand Ihnen sagen, ich sag's aber dem Bischof. Dann können Sie sagen: Er weiß es aber schon." Wem der direkte Zugang zu ihm "zu steil" sei, der könne zur Ehe-, Familien- und Lebensberatung kommen und in sehr diskretem Rahmen seine Lebenssituation schildern. Er wolle, "dass Sie gehört werden, dass verstanden wird, wie es Ihnen geht", so Oster.

In seiner Videobotschaft zeigt sich der Passauer Bischof eigenem Bekunden zufolge bewegt von der Aktion "#OutInChurch" und der ARD-Dokumentation "Wie Gott uns schuf". Dabei gaben sich im Januar 125 Kirchenmitarbeitende öffentlich als queer zu erkennen. Seitdem mehren sich die Stimmen, die für eine Liberalisierung des kirchlichen Arbeitsrechts werben. Auch im Rahmen des Reformprojekts Synodaler Weg wurde der Ruf nach Veränderungen lauter.

Elf Generalvikare forden Veränderungen

Im Zentrum steht dabei die Grundordnung. Sie ist arbeitsrechtlich die Basis für die rund Dreiviertelmillion Menschen, die bei der katholischen Kirche oder der Caritas beschäftigt sind. Mit den in der Grundordnung formulierten "Verstößen gegen Loyalitätsobliegenheiten" können auch Kündigungen begründet werden, etwa für Menschen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder für wiederverheiratete Geschiedene.

Am Montag hatten elf deutsche Generalvikare einen sofortigen Verzicht auf arbeitsrechtliche Konsequenzen für queere und wiederverheiratete Mitarbeitende gefordert. Zudem solle die Überarbeitung der Grundordnung bis zum Sommer abgeschlossen sein. Die kirchlichen Verwaltungschefs formulierten ihre Forderungen in einem Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing. Unterschrieben wurde das federführend vom Trierer Generalvikar Ulrich von Plettenberg verfasste Schreiben auch von den Generalvikaren der (Erz-)Bistümer Berlin, Essen, Hamburg, Hildesheim, Limburg, Magdeburg, Münster, Paderborn, Speyer und des Militärbischofsamts. Der Passauer Generalvikar Josef Ederer gehört nicht zu den Unterzeichnern.

Unterdessen kündigten die Bistümer Osnabrück und Essen an, dass die sexuelle Orientierung oder das Beziehungsleben ihrer Mitarbeitenden kein Kündigungsgrund mehr sein sollen. Eine erste Garantieerklärung dieser Art hatte vergangene Woche der Würzburger Bischof Franz Jung abgegeben. (tmg/KNA)