Markian Bukatchuk hofft auf baldiges Ende des Krieges

Priester in der Ukraine: "Unsere Waffe ist das Gebet"

Veröffentlicht am 12.03.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn  ‐ Der ukrainische Priester Markian Bukatchuk ist Teil des Krisenstabs im Erzbistum Ivano-Frankivsk. Dort werden im Generalvikariat etwa Räume für Binnenflüchtlinge zur Verfügung gestellt. Im katholisch.de-Interview erzählt der Geistliche, warum er an ein baldiges Ende des Krieges glaubt.

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Markian Bukatchuk (29) ist Priester in der Ukraine und Teil des Krisenstabs im Erzbistum Ivano-Frankivsk. Er leitet eine Schule, die jetzt Aufnahmeort für viele Geflüchtete aus den bombardierten Städten ist. Bukatchuk erzählt, wie er die Situation vor Ort erlebt und was ihm Hoffnung gibt. Weil er auch eine Zeit lang in Fulda Theologie studiert hat, spricht er sehr gut Deutsch.

Frage: Kaplan Bukatchuk, wo erreiche ich Sie gerade am Telefon?

Bukatchuk: Ich bin im Auto unterwegs und auf dem Weg zu unserem Erzbischöflichen Generalvikariat. Dort trifft sich unser sogenannter "Krisenstab“, um die Hilfeleistungen vor Ort zu koordinieren. 

Frage: Wie helfen Sie konkret vor Ort?

Bukatchuk: Wir haben in der Schule und im Priesterseminar, das auf dem Gelände des Generalvikariats liegen, einige Geflüchtete untergebracht. Es sind vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen. Sie sind aus den stark vom Krieg betroffenen Gebieten der Ukraine geflüchtet. Allein im Priesterseminar haben wir 150 Menschen aufgenommen. Auch in den Klassenzimmern übernachten Menschen. Sie haben hier eine sichere Unterkunft und bekommen Essen und warme Kleidung. Es werden bestimmt noch mehr Menschen kommen, die unsere Hilfe brauchen.

Bild: ©Erzbistum Ivano-Frankivsk/Pavlo Hedzyk

Kaplan Markian Bukatchuk ist Priester der Ukrainischen griechisch-katholischen Kirche und Leiter des St. Basilius Gymnasiums im Erzbistum Ivano-Frankivsk. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.

Frage: Haben Sie keine Sorge, dass während der Sitzung des Krisenstabs etwas passieren könnte?

Bukatchuk: Wir sind es gewohnt, uns zwei bis drei Mal täglich in den Kellern zu verstecken, sobald wir einen Luftalarm hören. In der Zeit dazwischen versuchen wir normal zu arbeiten. Das ist auch eine Art von Ablenkung von den Geschehnissen um uns herum. Hier im Westen sind wir jedoch nicht so stark von den Bombardierungen betroffen wie es andere Orte in der Ukraine sind.

Frage: Was würden Sie denn machen, wenn jetzt in diesem Moment der Alarm losgehen würde?

Bukatchuk: Ich versuche mich schnellstmöglich zu verstecken. Momentan bin ich schon auf dem Gelände des Generalvikariats. Daher weiß ich, wohin ich laufen muss. Ich war früher auch als Referent in der Finanzabteilung tätig. Daher kenne ich den Keller und war auch schon ein paar Male da unten.

Frage: Was nehmen Sie mit, wenn der Luftalarm ausgelöst wird?

Bukatchuk: Ich nehme nur das Allernötigste mit. Meine Unterlagen, etwas Geld und mein Handy sind immer dabei. Ich versuche auch immer, Wasser mitzunehmen.

Frage: Nehmen Sie als Priester auch das Allerheiligste mit?

Bukatchuk: Ich war Gott sei Dank noch nicht in der Situation, während eines Gottesdienstes einen Alarm zu hören. Aber wenn, dann würde ich die heilige Kommunion mit mir nehmen. Ich hoffe aber, dass es nicht dazu kommt. Es gibt bislang aber noch keine Vorschriften, wie man das handhaben soll. Ich denke in so einer plötzlichen Situation muss es schnell gehen. Es kann immer etwas Schreckliches passieren. Jede Kirche könnte mit Raketen angegriffen werden.

Bild: ©Erzbistum Ivano-Frankivsk/Pavlo Hedzyk

Der ukrainische Erzbischof Volodymyr Vijtyshyn aus dem Erzbistum Ivano-Frankivsk flüchtet bei jedem Luftalarm mit seinen Mitarbeitern in den Keller seines Amtsgebäudes.

Frage: Würden Sie in so einer Situation auch zur Waffe greifen, um sich zu verteidigen?

Bukatchuk: Nein, als Priester greife ich nicht zur Waffe, um zu kämpfen. Zurzeit herrscht in der Ukraine zwar das Kriegsrecht, aber wir Geistlichen sind davon ausgenommen und nicht für den Dienst an der Waffe vorgesehen. Aber wenn wir Priester als Militärseelsorger oder in der Militärküche gebraucht werden, dann helfen wir mit. Wir sind jedoch keine Armee, wir verteidigen uns nicht mit Gewalt. Wir kämpfen zwar auch an der Front, aber mit anderen Waffen. Für mich als Priester ist das die geistliche Waffe, das Gebet.

Frage: Aber hilft das Gebet, wenn der Erzbischof vor Ihren Augen angegriffen werden würde?

Bukatchuk: Ich möchte nicht in so eine Situation kommen. Aber sollte es dazu kommen, dann gibt es keine größere Tat als das Leben für den Nächsten zu geben.

Frage: Warum verlassen Sie ihr Land nicht schnellstmöglich?

Bukatchuk: Ich sehe meine Aufgabe hier vor Ort. Ich bin hier in der Nähe geboren und meine Familie, meine Mutter und meine Schwester leben hier.

Bild: ©Erzbistum Ivano-Frankivsk/Pavlo Hedzyk

Eine Freiwillige sortiert gespendete Bettwäsche für die Flüchtlingsunterkünfte im Erzbischöflichen Generalvikariat Ivano-Frankivsk in der Ukraine.

Frage: Sie sind verheiratet?

Bukatchuk: Ja, als Priester der griechisch-ukrainischen Katholiken leben wir nach dem byzantinischen Ritus. Daher musste mich vor der Priesterweihe entscheiden, ob ich heiraten will oder nicht. Ich habe geheiratet und bin Vater von zwei kleinen Kindern.

Frage: Wo halten sich Ihre Frau und Ihre Kinder zurzeit auf?

Bukatchuk: Meine Familie habe ich aufs Land zu meinen Schwiegereltern in Sicherheit gebracht. Am Wochenende bin ich immer bei ihnen. Ich mache mir große Sorgen um sie. Der Krieg ist so ein Gräuel. Aber wir wurden angegriffen, daher ist es auch die Pflicht, dass wir uns verteidigen. Das steht auch schon so in der Lehre der Kirche.

Frage: Aber es sterben so viele unschuldige Menschen!

Bukatchuk: Ja, und wir leiden darunter. Aber aufzugeben wäre auch eine Niederlage. Natürlich ist Krieg immer nur das letzte Mittel, um Frieden zu schaffen. Daher fordern wir von den politischen Machthabern einen diplomatischen Kompromiss. Wir haben in der Ukraine 30 Jahre lang im Frieden gelebt und versucht, mit aller Kraft, ein demokratisches Land aufzubauen. Und nun dieser Schock, dass wir angegriffen wurden.

Bild: ©Erzbistum Ivano-Frankivsk/Pavlo Hedzyk

Eine Mutter mit ihrem Kind steht am Fenster im Priesterseminar des Erzbistums Ivanov-Franzivsk in der Ukraine. Der Hörsaal im Priesterseminar ist nun eine Flüchtlingsunterkunft.

Frage: Wofür beten Sie persönlich?

Bukatchuk: Ich bitte Gott um den Frieden und ich bete für die vielen, die durch diesen Krieg sterben. Ich bitte aber auch für die politischen Machthaber, dass sie die richtigen Schritte tun, um den Krieg zu beenden. Nur die Weltregierungen haben die Macht, es gemeinsam zu schaffen. Tun sie es bitte! Aber es gibt auch Hoffnungszeichen. Wir hören von gefangenen Soldaten, die die Waffen freiwillig niederlegen. Sie sehen den Krieg als unsinnig an und verstehen gar nicht, warum sie hier kämpfen müssen. Daher bete ich auch für sie, dass sie umkehren und sich ihr Herz zum Guten verwandle. Das Gebet für den Feind ist das allerschwierigste. Doch Jesus sagt in der Bibel: "Du sollst deine Feinde lieben und für die beten, die euch verfolgen." Wir verurteilen nicht die Menschen, die sündigen und uns so viel Leid antun. Wir verurteilen nur die Sünde. Und dieser Krieg ist eine Sünde.

Frage: Haben Sie Hoffnung?

Bukatchuk: Natürlich habe ich Hoffnung, dass Frieden wieder möglich ist. Sonst würde ich hier nicht tun, was viele Menschen an verschiedenen Fronten für ihr Land und die Menschen hier tun. Aber nur mit Gottes Hilfe kann Frieden wachsen.

Von Madeleine Spendier

Zur Person: Markian Bukatchuk ist Priester des Erzbistums Ivano-Frankivsk und Leiter des St. Basilius Gymnasiums in Ivano-Frankivsk. Das Gymnasium, wo sonst 300 Schulkinder unterrichtet werden, dient nun als Schutzraum für Geflüchtete. Von 2013 bis 2017 hat Markian Bukatchuk in Fulda katholische Theologie studiert und sein Studium auch dort abgeschlossen.

Zu den Hilfeleistungen im Erzbistum Ivano-Frankivsk: Im Priesterseminar Ivano-Frankivsk sind zurzeit 140 Binnenflüchtlinge untergebracht. Dazu kommen etwa 80 Geflüchtete, die im Jugendzentrum Pidlute einen Schutzort gefunden haben sowie noch weitere 50 Binnenflüchtlinge im Bistumszentrum Stanislaviv. Sie werden mit Essen, Kleidung und Hygieneprodukten versorgt. Sie können sich auch vor Ort waschen und werden medizinisch versorgt.Vor Ort werden nun weitere Klassenräume des St. Basilius Gymnasiums freigeräumt, um noch mehr Menschen aufnehmen zu können. Freiwilige sammeln in den Pfarreien des Erzbistums Lebensmittel, um sie in den Unterkünften zu verteilen. Da es in der Ukraine keine Kirchensteuer gibt, finanzieren sich alle Hilfeleistungen aus Spenden. In Österreich kümmert sich der Bischofsvikar und Diözesanökonom Pfarrer Mykhailo Klapkiv um Spenden und finanzielle Unterstützung, um die nötige Hilfe vor Ort leisten zu können. Projektpartner sind unter anderem Renovabis und KIRCHE IN NOT.