Papst reihe sich in Tradition des Apostolischen Stuhls im 20. Jahrhundert ein

Theologin kritisiert Verhalten des Papstes zum Krieg in Ukraine

Veröffentlicht am 27.04.2022 um 19:26 Uhr – Lesedauer: 

Wien/Landau ‐ Papst Franziskus verhält sich bei Äußerungen zum Ukraine-Krieg zu zurückhaltend, kritisiert die Theologin Elzbieta Adamiak. Er lasse keine Unterscheidung zwischen Angreifer und Angegriffenem erkennen, schreibt sie – und erkennt eine Tradition.

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Die katholische Theologin Elzbieta Adamiak kritisiert das Verhalten von Papst Franziskus zum Krieg in der Ukraine. "Neben einer entschlossenen Ablehnung der Gewalt lässt die Position des Papstes keine Unterscheidung zwischen der angegriffenen und der angreifenden Seite des Krieges erkennen", schreibt die an der Universität Koblenz-Landau lehrende Professorin in einem am Mittwoch veröffentlichten Beitrag für die Internetseite "feinschwarz.net". Die päpstlichen Äußerungen setzten damit eine "Tradition der zurückhaltenden Position des Apostolischen Stuhls gegenüber den totalitären Systemen des 20. Jahrhunderts fort".

Franziskus unterscheide nicht zwischen den Opfern auf ukrainischer und russischer Seite, führte die aus Polen stammende Theologin weiter aus. Auch "eine Unterscheidung zwischen Tätern und Opfern wird vermisst", fügte Adamiak hinzu. Als Beispiel verwies sie auf eine päpstliche Friedensinitiative vom vergangenen Monat: Im März hatte Franziskus in einer speziellen Zeremonie um Vergebung und Frieden in der Welt gebetet. Bei der anschließenden "Weihe an das Unbefleckte Herz Mariens" empfahl er die ganze Menschheit, insbesondere Russland und die Ukraine, himmlischem Schutz. Weltweit beteiligten sich zahlreiche Bischöfe und Gläubige an dem Gebet.

Theologisch viele Fragen

Ein solcher Weiheakt werfe nicht nur theologisch viele Fragen auf, so Adamiak. Der Papst bete zudem "im Namen aller Menschen". Das in dem Gebet enthaltene "Wir" werde hier "gleichermaßen und unterschiedslos für schuldig erklärt", so die Professorin weiter: "Welche Schuld tragen die ermordeten ukrainischen Zivilist:innen? Welche Schuld die von russischen Soldaten vergewaltigten Frauen und die vom russischen Angriffskrieg traumatisierten Kinder?"

Auch zu den Bemühungen des Papstes um Kontakt mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill I. äußerte Adamiak Unverständnis. Franziskus betrachte zudem die theologischen Äußerungen Kyrills nicht kritisch genug. Zugleich vermisse sie Gespräche mit Oberhäuptern ukrainischer Kirchen, ergänzte die Theologin.

Vor wenigen Tagen erklärte Franziskus in einem Interview, dass der Vatikan ein für Juni in Jerusalem geplantes zweites Treffen mit Kyrill I. habe absagen müssen. Eine solche Begegnung hätte unter den derzeitigen Gegebenheiten "zu viel Verwirrung führen können". Dennoch sei aus seiner Sicht Verständigung besser als Konfrontation. (KNA)