Übertriebene Selbstverwaltung der Religionsgemeinschaften

Castellucci: Kirchliches Arbeitsrecht ist Verweltlichung der Kirche

Veröffentlicht am 07.06.2022 um 13:05 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Die Ampel-Koalition hat einige religionspolitische Baustellen. Der kirchenpolitische Sprecher der SPD will das kirchliche Arbeitsrecht deutlich reduzieren – und hat wenig Verständnis für umfangreiche kirchliche Sonderregeln.

  • Teilen:

Der religionspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Castellucci, sieht im kirchlichen Arbeitsrecht eine "Verweltlichung" der Kirchen, "indem sie praktisch alle staatlichen Strukturen kopieren". Im Interview mit der Nachrichtenagentur "Idea" sagte der Sozialdemokrat am Wochenende, dass es bei der Ausübung des Selbstverwaltungsrechts durch die Kirchen eine "Übertreibung" gegeben habe, "und die lenkt davon ab, was Kirche eigentlich ist". Castellucci sieht über einen Tendenzschutz im Bereich der Verkündigung keine Notwendigkeit für ein "kirchliches Sonderarbeitsrecht": "Man kann nicht verlangen, dass die katholische Kirche einen Protestanten als Priester einstellt, so wie man von mir nicht verlangen kann, ein CDU-Mitglied in meinem Büro zu beschäftigen", so der Sozialdemokrat. Fragen der Lebensführung dürften aber keine Rolle spielen. Auch für die Loyalität zum Arbeitgeber gebe es im normalen Arbeitsrecht ausreichende Regelungen. "Die kirchliche Selbstverwaltung hat nach unserer Verfassung im Rahmen der allgemeinen Gesetze zu erfolgen", betonte der Bundestagsabgeordnete.

Grundsätzlich sprach sich Castellucci aber für das deutsche staatskirchenrechtliche Modell aus. Mit Laizismus, also der strengen Trennung von Staat und Kirche, könne er nichts anfangen. Eine solche Trennung habe auch nichts mit dem Grundgesetz zu tun: "Wir sollten das Religiöse nicht ins Private verbannen. Unser Religionsverfassungsrecht hat sich über viele Jahrzehnte bewährt: Es trennt Staat und Kirche organisatorisch, verbindet sie aber auch durch Zusammenarbeit. Daran sollten wir festhalten", so der Politiker.

Forderung nach Streikrecht auch für kirchliche Beschäftigte

In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, eine Angleichung des kirchlichen Arbeitsrechts an das staatliche Recht gemeinsam mit den Kirchen zu prüfen. Castellucci spricht sich dabei für Gleichbehandlung aus, auch mit Blick auf das in den Kirchen bislang ausgeschlossene Streikrecht. Er wertschätze es zwar, dass Beschäftigte bei kirchlichen Arbeitgebern "in der Regel besser behandelt werden und besser verdienen als anderswo". Auch sei er dankbar für kirchliche Organisationen in Pflege und Gesundheit, denen es nicht nur um Profit gehe. "Indem man Mitarbeitern kirchlicher Werke das Streikrecht nimmt, schwächt man allerdings die Gesamtheit der Beschäftigten in dieser Branche. Arbeitnehmerrechte sind nicht teilbar", so Castellucci weiter.

Mit Blick auf die geplante Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen sprach der religionspolitische Sprecher sich für eine faire Lösung für alle Beteiligten aus, sowohl für die Kirchen wie für die Bundesländer, aus deren Haushalten die Staatsleistungen an die Kirchen gezahlt werden. Zur Umsetzung machte Castellucci keine Angaben zu Details, betonte aber, dass es keine äquivalente, sondern lediglich eine angemessene Ablösung geben müsse. Auch die Expertenanhörung im Bundestag habe ergeben, dass eine äquivalente Ablösung, bei der den Kirchen so große Mittel zur Verfügung gestellt werden, dass sie daraus selbst Mittel in Höhe der bisherigen jährlichen Staatsleistungen erwirtschaften können, nicht nötig sei.

Lars Castellucci ist seit der vorigen Legislaturperiode Beauftragter für Kirchen und Religionsgemeinschaften der SPD-Bundestagsfraktion. Der Mannheimer Professor für Nachhaltiges Management war Organist, Kirchenchorleiter und Vorsitzender der Bezirkssynode in Wiesloch (Nordbaden). Er gehört der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) an. (fxn)