Weihbischof plädiert für soziale Hilfen anstatt Konzepten zu Selbsttötung

Losinger: Allermeiste Suizide geschehen aufgrund von Notsituationen

Veröffentlicht am 19.07.2022 um 13:18 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Jedes Jahr gibt es in Deutschland fast 10.000 Selbsttötungen. Nach Ansicht von Weihbischof Anton Losinger geschehen die allermeisten dieser Suizide aus psychischer oder sozialer Not heraus. Der Ethik-Experte fordert die Politik zum Handeln auf.

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Der Wunsch nach Suizid ist nach Ansicht des Ethik-Experten und Augsburger Weihbischofs Anton Losinger nicht freiheitlich. Die allermeisten der jährlich fast 10.000 vollendeten Suizide in Deutschland hätten keinen autonomen Rahmen, sondern geschähen laut Experten aus psychischer und sozialer Not heraus, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz am Dienstag dem Kölner Internetportal domradio.de. Notwendig sei daher nicht ein "strukturiertes Konzept zur Selbsttötung, sondern soziale Hilfe".

Wenn Regulative für eine Suizidhilfe aufgestellt würden, dann werde sich die Selbsttötung "zu einem Normalfall des Aus-dem-Leben-Scheidens entwickeln", warnte das Mitglied des Bayerischen Ethikrates. "Wenn man nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts einen frei verantwortlichen Suizid postuliert, ist es dringend notwendig, genau hinzuschauen, was die Menschen bewegt und was sie zu einer solchen Entscheidung treibt und wo eine Autonomie weniger gegeben ist als die Notwendigkeit zur Hilfe und zur Geborgenheit in einer Gesellschaft."

"Sterbe-Reifeprüfung" sei Utopie

Losinger hält eine Art "Sterbe-Reifeprüfung" nicht für möglich und für eine Utopie. Aufgrund von Alter oder psychischen Erkrankungen könne ein solches Evaluierungskonzept kaum funktionieren. Gerade in Alter, Pflege und Krankheit sei eine glaubwürdige Palliativversorgung wichtig. "Und dort, wo Menschen in einem austherapierten Zustand sind, wäre das Hospiz eine glänzende Idee, alternativ zum Suizid sein Leben zu beenden", sagte der Geistliche.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte Anfang 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt und ein Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben formuliert - und zwar unabhängig von Alter oder Krankheit. Zugleich legten die Richter dem Gesetzgeber nahe, Missbrauch durch Schutzkonzepte zu verhindern. Mitte Juni debattierte der Bundestag in Erster Lesung über drei Gesetzesentwürfe, die nun in den Fachausschüssen weiter beraten werden. Im Oktober könnte eine Entscheidung fallen. (KNA)