Standpunkt

Queere Menschen brauchen in Kirche einen "safe space" – nicht Bischöfe

Veröffentlicht am 13.09.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Erfurt ‐ Bei der Synodalversammlung hatten sich mehrere Bischöfe einen "geschützten Raum" bei den Abstimmungen gewünscht. Dabei seien es gerade nicht die Oberhirten, die einen "safe space" benötigten, kommentiert Julia Knop.

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Bei der Abstimmung des Synodalen Wegs über den Grundlagentext zur Erneuerung der katholischen Sexuallehre nutzten 21 (Weih-)Bischöfe (rund 10 % der Synodal:innen) ihre privilegierte Stellung, um das Votum einer breiten Mehrheit zu torpedieren. 159 (über 80 %) von 196 Delegierten hatten für den Text votiert. Ein Beschluss braucht aber eine Zweidrittelmehrheit des Plenums und zusätzlich auch der Bischöfe.
Als Reaktion wurde danach für weitere Beschlüsse regelmäßig namentliche Abstimmung beantragt. Das Votum aller wird damit öffentlich und kann online eingesehen werden.

Das gefällt vor allem den notorischen Neinsager:innen nicht. Einige beantragten später einmal (erfolglos) geheime Abstimmung, weil Synodalität einen "geschützten Raum" erfordere. Einen safe space reklamierten (und nutzten) in Frankfurt ausgerechnet jene, die machtpolitisch am längeren Hebel sitzen: im Vorfeld, indem sie Mitwirkung an, Information über und Weiterbildung durch die Texte schlicht verweigerten, und während der Sitzung, indem sie schwiegen, anonym blieben, gar nicht mitstimmten oder sich als angeblich nicht willkommene Vertreter einer Minderheitenmeinung stilisierten.

Ihr Wunsch, durch Anonymität "geschützt" zu sein – wovor eigentlich? –, steht in groteskem Widerspruch zum Mut derjenigen Synodal:innen, für die die katholische Kirche eben kein safe space ist: Betroffene von Missbrauch, queere Priester und Gläubige. Für ihren besseren Schutz wurde der Synodale Weg initiiert. Um ihr Leben und ihre Würde geht es im Grundtext des Forums 4, der an der Sperrminorität von 21 Bischöfen gescheitert ist. Diese Synodal:innen haben sich in Frankfurt der Situation ausgesetzt, dass gut 200 andere Menschen diskutierten und abstimmten, ob ihrem wunderbaren So-Sein endlich auch in der Kirche unbedingter Respekt gebühren solle – oder nicht. Sie haben für ihren Mut einen hohen Preis bezahlt.

Einmal mehr mussten sie Sätze hören wie "Ich will ja nicht diskriminieren, aber…" und erleben, dass zwei von fünf anwesenden Bischöfen formalen Gehorsam gegenüber einer Doktrin, die eine horrende Schuldgeschichte befördert und Menschen das Leben gekostet hat, über die unbedingte Achtung eines jeden Menschen stellten. Dass ihnen eine "unversehrte" kirchliche Lehre wichtiger war als kirchlich versehrte Menschen, die auf dieses Votum hin im selben Raum weinend zusammenbrachen. Gott gibt man nicht durch tote Buchstaben die Ehre. "Gottes Ehre ist", wie traditionsbewusste Christ:innen wissen, "der lebendige Mensch" (Irenäus von Lyon).

Von Julia Knop

Die Autorin

Julia Knop ist Professorin für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.