Slowakischer Oberhirte Stanislav Zvolenský sieht Wert aus historischer Erfahrung

Erzbischof: Im Kommunismus haben wir Synodalität gelernt

Veröffentlicht am 29.09.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bratislava ‐ Die Kirche müsse in kleinen Gruppen lebendig sein, sagt der Erzbischof von Bratislava, Stanislav Zvolenský, im Interview. Er wirft jedoch auch einen kritischen Blick auf Deutschland und fragt sich, ob bei den strukturellen Reformen der Glaube auf der Strecke bleibt.

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Die Kirche auf der ganzen Welt spricht angesichts des weltweiten synodalen Prozesses von Synodalität. Das ist auch in der Slowakei Thema, wo mehr als die Hälfte der Menschen katholisch sind. Die Kirche dort bringe ihre eigenen historischen Erfahrungen mit, sagt der Vorsitzende der slowakischen Bischofskonferenz, der Erzbischof von Bratislava Stanislav Zvolenský, im Interview mit DOMRADIO.DE und katholisch.de. Kritisch blickt er dagegen auf die Zustände in Deutschland.

Frage: Herr Erzbischof Zvolenský, Papst Franziskus hat im Rahmen des weltweiten synodalen Prozesses Katholikinnen und Katholiken in aller Welt nach ihren Wünschen für die Zukunft der Kirche gefragt. Während manche strukturelle Reformen fordern, setzen andere auf eine größere Konzentration auf das Evangelium. Was wünscht sich die Kirche in der Slowakei?

Zvolenský: Auch die Katholiken in der Slowakei sind sich bewusst, dass sich die Kirche immer ändern muss. Sie ändert sich aus der inneren Umkehr eines jeden Gläubigen. Jeder muss sich fragen, wie er als Christ und Getaufter den Glauben leben sollte. Daraus können sich natürlich auch Verbesserungen der Strukturen entwickeln. Aber für uns aus der Slowakei stehen nicht die großen Reformen auf der weltweiten Ebene im Fokus, wir schauen eher auf Verbesserungspotenziale bei uns im Land – im Rahmen dessen, was es in der Kirche bereits gibt.

Frage: Zum Beispiel?

Zvolenský: Da könnte man zum Beispiel auf den Anteil der Laien am Leben der Pfarrei schauen: Es gibt bei uns einige Pfarreien, die in der Pastoral Laien gegenüber nicht so einladend  sind. Da gibt es sicher noch Luft nach oben. Diese Verbesserungen könnten dann Laien im Gespräch mit ihrem Pfarrer erörtern. Da ist es aber ein Problem, genug Laien zu finden, die sich engagieren möchten.

Frage: Warum?

Zvolenský: Bei uns in der Slowakei sind die hauptamtlichen Strukturen nicht so ausgebaut. In den Pfarreien funktionieren gewisse Strukturen schon, aber die basieren immer auf dem ehrenamtlichen Engagement der Gläubigen. Wir sollten darüber nachdenken, ob wir stark genug sind, diese Strukturen in finanzieller Hinsicht fester zu machen und bezahlte Stellen zu schaffen, um den Pfarreien zu helfen.

Bild: ©katholisch.de/cph

Der Martinsdom ist die Kathedrale des Erzbistums Bratislava.

Frage: Mehr Hauptamtliche können dem Glaubensleben also helfen?

Zvolenský: Die Struktur kann durchaus helfen. Es entstehen dadurch jedoch andere Probleme: Wer arbeitet für uns? Tun sie ihren Dienst aus dem Glauben heraus oder nur wegen des Geldes? Diese Schwierigkeiten gibt es in der Kirche immer wieder. Wir müssen immer wieder Menschen finden, die wir für ihre Arbeit bezahlen, die sie jedoch aus innerer Überzeugung machen.

Frage: Wie blicken Sie denn da auf eine Kirche mit einer sehr ausdefinierten bezahlten Struktur wie jener in Deutschland?

Zvolenský: Das kann für uns durchaus eine Inspiration sein, diese Strukturen können sehr wirkmächtig werden. Auf der anderen Seite neigen Strukturen aus der säkularen Gesellschaft dazu, nur nach Erfolg und Misserfolg zu unterscheiden. Aber sollten solche Kennzahlen in unserer Kirche eine Rolle spielen? Wir brauchen Menschen, die daran glauben, was sie tun.

Frage: Glauben Sie, dass das in Deutschland zu wenig der Fall ist?

Zvolenský: Ich möchte nicht die Strukturen in Deutschland kritisieren, aber aus meinen Beobachtungen kann ich schon sagen: Die Gefahr, dass eine Struktur nur noch um sich selbst kreist und das Evangelium dabei vergisst, ist in Deutschland sehr real.

Frage: Stehen Sie in Kontakt mit Ihren Amtsbrüdern in Deutschland?

Zvolenský: Nicht besonders viel, es gibt da keine regelmäßigen Formate. Es handelt sich eher um zufällige Begegnungen.

Themenseite: Weltweiter synodaler Prozess

Der Vatikan hat zur Vorbereitung der für 2023 geplanten Bischofssynode einen weltweiten synodalen Prozess geplant: In mehreren Stufen von den Diözesen über die Kontinente bis zur Bischofssynode selbst sollen die Gläubigen und ihre Bischöfe beraten, was für die Kirche wichtig ist.

Frage: Papst Franziskus spricht immer wieder von Synodalität. Wie kann eine synodale Kirche in der Slowakei funktionieren?

Zvolenský: Sie funktioniert bereits, weil die Synodalität ein Teil der Identität der Kirche ist. Der weltweite synodale Prozess hat diese Synodalität formell benannt und ausgebaut. Diese Synodalität ist in der slowakischen Kirche bereits Alltag, obwohl wir das bisher nicht so genannt haben.

Frage: Wie sieht das in der Praxis aus?

Zvolenský: Synodalität sollte auf allen Ebenen gelebt werden. Die Kirche in Laien und Bischöfe zu unterteilen, wäre eine Begrenzung. Die Kirche ist Gemeinschaft. Aber diese Begrenzung hilft uns, über unsere Kirche zu sprechen. Natürlich müssen die Bischöfe untereinander Synodalität leben, zuhören und gemeinsam überlegen. Das gilt aber auch für alle anderen Ebenen. Alle müssen zusammenarbeiten.

Frage: Gibt es dafür spezielle Austauschformate?

Zvolenský: Ja, zum Beispiel gibt es Treffen zwischen Laien, Priestern und Bischöfen. Die werden in kleinen Gruppen vorbereitet. Wir können hier auf Erfahrungen aus der Zeit des Kommunismus zurückgreifen. Dort hat die Kirche in kleinen Gruppen überlebt, nicht in übergreifenden Strukturen. Damals waren große Veranstaltungen verboten, deshalb musste die Kirche im kleinen Rahmen weiterleben. Dort wurde viel gebetet und über den Glauben gesprochen. Das ist für uns von Vorteil. Wir haben im Kommunismus Synodalität gelernt.

Frage: Gibt es diese Gruppen denn auch in der demokratischen Gesellschaft heute noch?

Zvolenský: Sie funktionieren heute noch. Wir müssen heute daran arbeiten, sie auch für Menschen, die dem Glauben fernstehen, zu öffnen. Bislang wirken diese Gruppen in den Pfarreien in die Kirche hinein. In Zukunft sollten sie auch darüber hinaus wirken.

Von Renardo Schlegelmilch und Christoph Paul Hartmann